Zweiter Frühling für Schumanns Symphonien
Fran¸cois-Xavier Roth arbeitet mit seinem Gürzenich-Orchester an einer neuen Gesamtaufnahme.
Unter den Interpreten unserer Zeit, die man etwas unglücklich „historisch informiert“nennt, ist der Franzose Francois-¸Xavier Roth einer der interessantesten. Seine Erfahrungen mit dem eigenen Ensemble Les Si`ecles, das je nach Repertoire sowohl auf modernen und historischen Instrumenten musiziert, bringt er auch in seine Arbeit mit einem traditionellen Symphonieorchester ein: Seit 2015 ist Roth Kapellmeister des Kölner Gürzenich-Orchesters.
Robert Schumanns Musik stand seit jeher im Brennpunkt der Kölner Programmgestaltung. Und gleich die Eingangstakte der neuen CD – die Introduktion zur „Frühlingssymphonie“– verraten, dass Roth offenbar nicht daran denkt, den altgewohnten, „deutschen“Klang auszutreiben: Das tönt so dunkel-satt und kraftvoll wie bei den Altvordern – und doch so transparent, wie man sich’s heutzutage erwartet, mit wenig Vibrato in den Streichern, scharf konturierender Phrasierung und pointiert-charakteristischen Farben in den Bläsern.
Die Gratwanderung steht im Falle dieser CD auch im Dienste eines aufschlussreichen Hör-Abenteuers. Roth wählt die Urfassung der d-Moll-Symphonie, die im Druck als Vierte erschien, aber unmittelbar nach der Ersten entstand, jedoch nicht so schnell vom Publikum angenommen wurde. Brahms bevorzugte die erste Fassung und regte an, sie wieder aufzuführen: Das Gürzenich-Orchester war damals das auserwählte Ensemble – und sichert dem Stück in seiner ungewöhnlichen Formgebung nun unter Roths Leitung eine Frische und Kraft, die so „frühlingshaft“ist wie die Musik der nach der Jahreszeit benannten Ersten. (sin)