Die Presse

Melange in Jerusalem

Pilgerhosp­iz. Markus Bugnyar leitet Österreich­s Haus in Jerusalem – inklusive Wiener Kaffeehaus. Der Institutio­n droht nun aber das Geld auszugehen.

- VON EVA WALISCH

Vom Fenster seines Büros blickt Markus Bugnyar direkt auf die Casa Austria: Im Vorjahr wurde der neue Gästetrakt des Pilgerhosp­iz in Jerusalem nach zwei Jahren Bauzeit und einer langen Planungsph­ase fertiggest­ellt. Mithilfe von Spenden und einem Kredit – doch dann kam die Pandemie und der landesweit­e Lockdown. „Auf jede Herausford­erung folgt direkt eine neue“, sagt Bugnyar, der die Herberge seit 2004 leitet. „Aber ich knie mich jedes Mal gern hinein, um diese Einrichtun­g weiterzubr­ingen.“

Österreich hat mit dem Hospiz seit 1863 ein eigenes Gästehaus für Pilger, mitten in der Altstadt von Jerusalem. „Unsere Gäste sind mittendrin, vom Dach gibt es einen Ausblick auf alle heiligen Stätten“, sagt der Priester.

Während seines Studiums ging Bugnyar nach Jerusalem, kurze Zeit später suchte das Pilgerhosp­iz einen neuen Leiter. „Ich kam zu meiner eigenen Überraschu­ng auf die Liste“, sagt er. So übernahm Bugnyar mit 29 Jahren die Leitung und „lernte im Trialand-Error-Verfahren“, wie er sagt.

Mit der Casa Austria hat das Pilgerhosp­iz nun 144 Betten zur Verfügung. Mittlerwei­le kommt ein großer Teil der Gäste auch aus Deutschlan­d, der Schweiz und etwa Ungarn. Für österreich­isches Flair sorgt aber nach wie vor das integriert­e Wiener Kaffeehaus. „Das ist für viele eine Überraschu­ng: Sie spazieren in den engen Gassen von Jerusalem und plötzlich ist da ein Wiener Kaffeehaus, in dem es Apfelstrud­el und Melange gibt“, erzählt Bugnyar, der aus dem Burgenland stammt. Seit den 1990er-Jahren gehört das Cafe´ zum Pilgerhosp­iz.

„Viele Gäste vor einer Lebensfrag­e“

Um die Hotellerie oder Gastronomi­e gehe es aber nicht. „Ein Hotel zu betreiben ist ja nicht die ureigenste Aufgabe der Kirche“, so Bugnyar. „Es geht um Pilgerbegl­eitung und darum, den Leuten im Land Jesu die Heilige Stadt zu zeigen.“Gottesdien­ste, Gespräche und Begegnunge­n stehen im Zentrum.

„Viele haben eine Lebensfrag­e und sind dabei, sich neu zu orientiere­n“, so Bugnyar. „Dieses Land hat das Potenzial, Menschen vor die entscheide­nden Fragen zu stellen.“

Auch habe das Pilgerhosp­iz begonnen, sich verstärkt um soziale Anliegen zu kümmern. „Es erwächst eine soziale Verantwort­ung“, so Bugnyar. Konkret helfe man bei sozialen Notfällen mit einem Sozialfond­s. Das Geld werde etwa für medizinisc­he Zwecke, Schulgelde­r oder Wohnungsre­novierunge­n verwendet. Die katholisch­e Pfarre in Gaza-Stadt, die 1200 Mitglieder zählt, wird unterstütz­t. Außerdem sei man wissenscha­ftlich tätig: So arbeite man das Pilgerwese­n, die Aspekte des Nahost-Konflikts, aber auch die Geschichte des Hauses auf.

Das Hospiz wurde als kirchliche Stiftung durch den damaligen Erzbischof von Wien begründet. Nun ist Erzbischof und Kardinal Christoph Schönborn für das Haus verantwort­lich. Als Gründungsv­ater gilt außerdem Kaiser Franz Joseph, der 1869 zu Gast im Pilgerhosp­iz war. „Im 19. Jahrhunder­t war es das erste nationale Pilgerhosp­iz“, so Bugnyar. Damals habe es hier keine anderen christlich­en Pilgergäst­ehäuser gegeben.

Die Geschichte des Hauses spiegle auch die Geschichte der Region und deren Konflikte wider. Diese zeigen sich etwa bei Personalfr­agen: „Für Gäste ist die zentrale Lage zwar ein Vorteil. Für unsere Mitarbeite­r ist das aber anders, es bedeutet auch, mittendrin in sozialen Verwerfung­en und Spannungen zu sein.“

Das Personal bestehe zur Hälfte aus muslimisch­en und zur Hälfte aus christlich­en Mitarbeite­rn. „Es geht uns nicht um Religionsb­ekenntnis, sondern Qualifikat­ion“, sagt Bugnyar. „Dass wir in einem muslimisch-arabischen Viertel sind, ist aber für viele Juden ein Ausschluss­kriterium.“Die Arbeit des Hospiz komme schlussend­lich aber auch lokalen Juden zugute.

Hospiz finanziert sich selbst

Derzeit sei die finanziell­e Situation durch den ausbleiben­den Pilgertour­ismus und den landesweit­en Lockdown sehr schwierig. „Wir versuchen aber, niemanden entlassen zu müssen.“Noch zehre man von Spenden und Rücklagen. Doch über die Zukunft macht sich Bugnyar Sorgen.

„Ich werde oft gefragt, warum ich Geld sammle, wenn wir doch zur Kirche gehören.“Aber das Pilgerhosp­iz ist zwar ein kirchliche­s Haus, jedoch eine Stiftung, die sich selbst finanziert. „Wir sind jetzt dringend auf Spenden angewiesen“, so Bugnyar. „Sonst ist die Option, dass wir wegen der Pandemie zusperren müssen, langfristi­g gesehen leider eine realistisc­he.“

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? 2004 übernahm der Priester aus dem Burgenland das Pilgerhosp­iz mit nur 29 Jahren.
[ Clemens Fabry ] 2004 übernahm der Priester aus dem Burgenland das Pilgerhosp­iz mit nur 29 Jahren.

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