Die wahre Krise ist die Angstkrise!
Gastbeitrag. Das Covid-19-Virus ist ein Gesundheitsrisiko, aber kein Grund zur Panik. Verantwortungsvolle Politik sollte die Angst nehmen.
Nun ist er da, der Entwurf zur Novelle des Covid-19Maßnahmengesetzes. Er sieht vor, dass die Regierung die Österreicher wirklich einsperren darf. Per Verordnung kann das Verlassen des privaten Wohnbereichs (und nicht nur wie bisher das Betreten öffentlicher Räume) drastisch beschränkt werden. Das ist, wie Angela Merkel wiederholt gesagt hat, eine Zumutung für die Demokratie und für eine offene Gesellschaft. Man wundert sich.
Denn: Die Mehrheit der Österreicher ist für eine offene Gesellschaft. Die Mehrheit der Österreicher ist gegen eine autoritäre oder gar totalitäre Regierung. Wer also in Österreich gegen eine offene Gesellschaft und für autoritäres Regieren ist, der muss sich Mittel überlegen, mit denen er die Mehrheit bezwingen kann. Putin, Lukaschenko, Erdogan˘ und andere versuchen es bei sich zu Hause mit Gewalt. Das hat hierzulande schon länger keine Tradition. Wer dieses Mittel ernsthaft einzusetzen versucht, würde recht bald auf ausrangierten Polizeipferden in die Abendsonne reiten. Ein anderes Mittel ist Angst. Angst verengt den Entscheidungsspielraum. Wer vor einer hoch aufgerichteten, zischenden Königskobra steht, wird bei seiner Entscheidung, was als Nächstes zu tun ist, kaum an den Schutz der Artenvielfalt denken. Wiewohl solche Gedanken durchaus Gewicht hätten.
Der Kanzler und Orban´
Sebastian Kurz ist in den vergangenen Jahren zweimal aufgefallen. Einmal damit, dass er eine Partei als Regierungspartner gewählt hat, deren Anführer eine Medienlandschaft wie bei Victor Orban´ gutheißt. Ein solcher Regierungspartner passt zu ihm. Kurz schätzt Orban´ ja auch. Die Wertschätzung ist gegenseitig. Sonst wäre es kaum möglich, dass der erste Nationalratspräsident, also der zweite Mann im Staat Österreich und ein
Parteifreund des Kanzlers, vor Kurzem das Komturkreuz mit dem Stern des Ungarischen Verdienstordens erhalten hat; u. a. wegen „seiner wirkungsvollen Aktivität für eine breitere Wahrnehmung der Positionen Ungarns in der Europapolitik in Österreich“. Von den Positionen Ungarns in der Europapolitik zu sprechen, ist ein Widerspruch in sich. Ungarn vertritt eine Anti-Europa-Politik, eine Politik gegen den Rechtsstaat und eine Politik der „autoritären Demokratie“. Für eine Verbreitung dieser Positionen ist Österreichs zweiter Mann im Staat ausgezeichnet worden. Wir gratulieren nicht.
Sebastian Kurz ist weiter mit der Prognose aufgefallen, dass bald „auch“bei uns jeder eine Person kennen werde, die an Corona gestorben ist. Damit hat er den Österreicherinnen und Österreichern einen ordentlichen Schreck eingejagt. Um zu zeigen, dass auch er sich sehr fürchtet, tritt er seit Monaten mit Maske und hinter Plexiglas auf; dies selbst dann, wenn
der Auftritt in einem hohen Raum mit viel Abstand zu den Journalisten stattfindet und weniger als 15 Minuten dauert. Das geschieht vor den Kulissen. Hinter den Kulissen sieht man Orban’sche´ Medienmache. Der ORF meldete, dass in Indien schon vier Millionen Menschen mit Corona infiziert sind. Das ist halb Österreich. Wir fürchten uns also. Freilich, im Verhältnis zur indischen Bevölkerung von rund einer Milliarde ist es wieder nicht so arg. Eigentlich weniger arg als bei uns. Zum Zeitpunkt der Schlagzeile waren es bei uns zwar nur 3700 Infizierte. Aber das sind fast 0,5 Prozent der Bevölkerung, während die indischen Infizierten nur 0,4 Prozent der dortigen Bevölkerung ausmachen. Was zählt, ist indes die furchteinflößende Schlagzeile: Vier Millionen – fürchterlich. Der ORF hat immer und immer wieder die Militärtransporter in Oberitalien gezeigt, die Coronaleichen abtransportiert haben – fürchterlich. Aber wer hat die Bilder gemacht, wer hat veranlasst, dass sie immer und immer wieder gezeigt werden, und wer hat veranlasst, dass uns niemand Bilder von den 90 Prozent Corona-Infizierten zeigt, die entweder keine oder nur milde Symptome haben oder vollständig genesen sind? Diese Bilder mildern potenziell die Angst, damit den Gehorsam und damit die Grundlage für autoritäres Regieren.
Zu Beginn der Coronakrise bestand die Angst, dass die anrollende „Welle“das Gesundheitssystem zusammenbrechen lassen könnte. Von dieser Angst ist in der öffentlichen Diskussion kaum mehr die Rede. Warum auch. Das Gesundheitssystem ist stabil und hat die „Welle“ausgehalten. Sein potenzieller Zusammenbruch taugt also nicht mehr für die Verbreitung von Angst. Und selbst wenn es nach wie vor zusammenbrechen könnte: Das würde daran liegen, dass es die Angst-Verbreiter verabsäumt haben, das System stabiler zu machen.
Die Regierung unter Kurz befeuert die Angst. Die staatlichen Medien wie ORF und „Kronen Zeitung“unterstützen dabei nach Kräften. Ihr Erfolg ist sichtbar. Obwohl viel darauf hindeutet, dass das Risiko, an Covid-19 zu sterben, ähnlich hoch ist wie jenes, an Grippe zu sterben, ist die Angst vor Covid-19 ungeheuerlich, jene vor Grippe inexistent. Wer aber Covid-19 mit Grippe vergleicht und versucht, Angst zu nehmen, den beschimpft der Kanzler als dumm.
Fürchtet euch nicht!
Selbst Befürworter einer offenen Gesellschaft (sie bilden, woran erinnert sei, die Mehrheit) sind angesichts der ihnen von Kanzler, Gesundheitsminister, Staatsmedizinern und Staatsmedien eingejagten Angst bereit, ÜberwachungApps, weitgehende Registrierungspflichten, Reise- und weitere Freiheitsbeschränkungen zu akzeptieren. Und sie sind bereit, dem Gesundheitsminister einen Schlüssel zu ihrem Wohnraum in die Hand zu geben, damit dieser von außen zusperren kann. Die Angst trägt dazu bei, dass kein anderes Thema mehr Aufmerksamkeit findet. Alle sind ausschließlich mit Corona beschäftigt. Deshalb können auch gravierende Verletzungen des Rechtsstaates als Spitzfindigkeiten bagatellisiert werden.
Covid-19 ist ein Virus, wie das Grippevirus. Covid-19 ist nur deshalb gefährlicher, weil dieses Virus dem menschlichen Immunsystem und der Medizin bis vor knapp einem Jahr unbekannt war. Das österreichische Gesundheitssystem war zu keinem Zeitpunkt der sogenannten Coronakrise auch nur annähernd an seinen Grenzen. Auf der ganzen Welt gibt es kein Land, in dem jeder jemanden persönlich kennt, der an Corona gestorben ist. Es gibt aber viele Länder, in denen viele niemanden persönlich kennen, der mit Corona auch nur infiziert wäre. Das alles sind Gründe, keine Angst zu haben und das Covid-19-Virus als das anzusehen, was es ist: ein Gesundheitsrisiko; so wie Autofahren, Mountainbiken, Rauchen, die Grippe oder HIV.
Die wahre Krise ist die Angstkrise. Sie macht Menschen einsam, feindselig gegenüber Mitmenschen. Sie führt zu Denunziantentum. Sie beeinträchtigt das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben. Sie verletzt Grundrechte. Und sie gefährdet die offene Gesellschaft.
Die Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik wäre es, Angst zu nehmen und nicht Angst zu schüren. Einer verantwortungslosen Politik kommt Angst natürlich als Mittel zur Zielerreichung entgegen. Fürchtet euch nicht!