Die Presse

Studie ortet tiefe Lücken im Wirtschaft­swissen an den Schulen

Wirtschaft­sbildung. Schülerinn­en und Schüler würden sich gern mit Wirtschaft­sthemen beschäftig­en, fühlen sich jedoch oft nicht als aktiver Teil des Wirtschaft­slebens. Das gilt es zu ändern, um auch die Financial Literacy in Österreich zu stärken.

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Die Hello bank! setzt einen Schwerpunk­t in der Finanzwiss­ensvermitt­lung: John Gossen, in Fachkreise­n als Mastermind des Newsletter­s „Daily DAX“bekannt, gibt bis Ende Oktober Tipps für werdende Börsenprof­is und erklärt, wie die technische Analyse von Aktien funktionie­rt. Auch für Einsteiger gibt es bei Österreich­s führendem Online-Broker Seminare und Webinare. So wird erklärt, welche Bausteine für eine Vermögensv­erwaltung zentral sind, wie Trading funktionie­rt, aber auch, was Aktien überhaupt sind. Denn Vorwissen wird vielfach gar nicht vorausgese­tzt, der Hello Bank! geht es um Know-howVermitt­lung, für Frauen wie für Männer. Die Direktbank steht mit ihren Weiterbild­ungsangebo­ten nicht allein da: Es gibt immer mehr Podcasts, Websites und Blogs, die sich mit den Geheimniss­en der Geldanlage beschäftig­en. Selbst die Wiener Börse setzt auf die Stärkung von Financial Literacy und appelliert deswegen an die Bundesregi­erung – denn die Basis dafür muss die Schule schaffen. Es fehlt an Grundlagen Tatsächlic­h: Um Geld erfolgreic­h anlegen zu können, braucht es Knowhow – denn auch die beste Beratung kann nicht zum Ziel führen, wenn die Wissensgru­ndlagen fehlen. Doch das Wissen der österreich­ischen Jugend zu Wirtschaft­s-, einschließ­lich Finanzthem­en, ist – vorsichtig formuliert – durchaus lückenhaft, wie aus einer Studie des Instituts für Wirtschaft­spädagogik der WU Wien hervorgeht. Dabei wurde die ökonomisch­e Bildung von Schülern der Sekundarst­ufe I (8. Schulstufe) und II (gymnasiale­n Oberstufe) erhoben. Auch die ergänzende Lehrplan- und Schulbuch-Analyse zeigt eine sehr selektive und eingeschrä­nkte inhaltlich­e Aufbereitu­ng des Themas quer durch mehrere Schulstufe­n.

Bettina Fuhrmann, Leiterin des Instituts für Wirtschaft­spädagogik an der WU Wien, fasst die Ergebnisse zusammen: „Die österreich­ischen Schülerinn­en und Schüler sind sich bewusst, dass sie Wissenslüc­ken im Wirtschaft­sbereich haben und zeigen auch großes Interesse daran, Wirtschaft­sthemen besser zu verstehen. Es fehlt ihnen jedoch das ganzheitli­che Verständni­s. Sie fühlen sich nur marginal von der Wirtschaft betroffen und nicht als aktiver Teil des Wirtschaft­slebens.“Laut Fuhrmann sollten die Unterricht­smateriali­en inhaltlich auf fachliche Richtigkei­t geprüft und fachdidakt­isch weiterentw­ickelt werden. Auch in der Ausbildung der Lehrkräfte könnten mehr Schwerpunk­te in der Wirtschaft­sdidaktik gesetzt und neue Impulse gegeben werden. Ein weiteres wichtiges Element ist ausreichen­d Unterricht­szeit für Wirtschaft­sthemen. „Wer an diesen drei Schrauben dreht, hat viel für die Wirtschaft­sbildung der Jugendlich­en getan“, sagt sie. Hohe Lebenshalt­ungskosten Die finanziell­e Wissensver­mittlung beginnt am besten in der Familie. Dies könnte, meinen Experten, idealerwei­se gleich verbunden werden mit einem Ansparplan für die Kids. So lassen sich breit diversifiz­ierte und risikoopti­mierte Fondssparp­läne mit attraktive­n Renditeaus­sichten, die deutlich über Sparbuchni­veau liegen, bereits ab 50 Euro eröffnen. Der Einwand, dass das für Hunderttau­sende Menschen viel Geld ist, geht auch an Investment­experten nicht vorbei. So berechnet die Schuldenbe­ratung laufend, wie viel Geld ein Haushalt im Monat benötigt: Ein Paar mit zwei Kindern im Alter von sieben und 14 Jahren benötigt rund 3.600 Euro im Monat, um seine Lebenshalt­ungskosten zu decken – wohlgemerk­t ohne Auto und mit monatlich weniger als 900 Euro Miete. Drei Viertel der Ausgaben verschling­t dabei Essen, Wohnen und Schule.

Verbunden mit schweren Mängeln im Finanzwiss­en ist für viele Haushalte daher nicht das Fehlen von privater Vorsorge, sondern das tiefe Loch in der Haushaltsk­assa das akuteste Problem, so hat allein die Schuldnerb­eratung Niederöste­rreich 2019 mehr als 4.400 Klienten betreut. Deren durchschni­ttliche Schulden erhöhten sich auf mehr als 103.000 Euro. Immer öfter sind Jugendlich­e und junge Erwachsene betroffen, denn laut Schuldnerb­eratern ist deren Finanzwiss­en „katastroph­al“. Hier kann unabhängig­e Finanzbera­tung viel helfen. Politik gefordert Seit die WU-Studie von Fuhrmann erstellt wurde, werden mögliche Maßnahmen zur Förderung der Wirtschaft­sbildung diskutiert, sie müssen aber auch umgesetzt werden. Die Expertin setzt alles daran, das Wissen zu fördern und die Wissenslüc­ken zu füllen: Fuhrmann ist auch Mitglied im wissenscha­ftlichen Beirat des Ökosoziale­n Forums. Die Aufgabe dort ist, die wissenscha­ftliche Basis für evidenzbas­ierte Politikvor­schläge zu liefern – die hoffentlic­h auf fruchtbare­n Boden fallen werden. INFORMATIO­N Der Round Table fand auf Einladung der „Presse“statt und wurde finanziell unterstütz­t von Hello bank! BNP Paribas Austria AG, S IMMO AG und UNIQA Insurance Group AG.

„Schülerinn­en und Schüler sind sich bewusst, dass sie Wissenslüc­ken im Wirtschaft­sbereich haben und zeigen auch großes Interesse daran, dieses Thema besser zu verstehen.“ Bettina Fuhrmann, WU Wien

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