Breitensee: Das älteste Kino wird jung
Neue Generation. Wie sich die Breitenseer Lichtspiele neu erfinden.
Wien. Für viele im Grätzel war klar: Das war es jetzt endgültig. Seit Monaten waren die Lichter im Penzinger Vorstadtkino aus. Auch, als die Kinos im Mai nach dem Lockdown wieder öffnen durften, blieb es in den Breitenseer Lichtspiele, davor ohnehin vielfach totgesagt, weiter dunkel.
Und als dann plötzlich im Sommer die schmale Eingangstür doch offen stand und innen frisch ausgemalt wurde, war vielen klar: Da kommt jetzt etwas Neues statt dem alten, ja, dem ältesten Kino der Stadt.
Nun: Nein. Vielmehr haben sich die Breitenseer Lichtspiele über den Sommer verjüngt. Bemerkbar ist das nicht nur am frisch in blau gestrichenen Foyer und dem (endlich) modernen Webauftritt, sondern auch daran, das im schmalen, historischen Kassahäuschen rechts vom Eingang nun die 35-jährige Christina Nitsch-Fitz sitzt: Sie hat sich entschlossen, in den Kinobetrieb ihrer betagten Tante, die das Kino seit 1969 führt, einzusteigen, das alte Vorstadtkino in die Gegenwart zu holen – damit es eine Zukunft hat. „Ich hätte“, sagt Christina Nitsch-Fitz, die eigentlich Kindergartenpädagogin ist, „das Kino natürlich in Schönheit sterben lassen können.“Aber „ich glaube so sehr an diesen Ort. Er ist so einzigartig und es ist jetzt Zeit, das auch nach außen zu zeigen“.
Und zwar ganz ohne das übliche Klagen der Branche, ohne „Oh, Gott, wir müssen bald zusperren“-Mentalität. „Wir glauben voll an diesen Ort“, sagt auch Dieter Matterdorfer, der gemeinsam mit Nitsch-Fitz – die sich ein Jahr Bildungskarenz genommen hat, um Zeit für das Kino zu haben – an frischen Konzepten für die alten Lichtspiele feilt. Eben haben sie den Kinobetrieb wieder aufgenommen – eröffnet wurde passenderweise mit einem Film, der mit Hauptdarsteller Christoph Waltz zu großen Teilen in den Breitenseer Lichtspielen gedreht wurde: „Ein Anfang von Etwas“aus dem Jahr 1994.
„Ein Anfang von Etwas“passt auch ganz gut als Motto für die Neuausrichtung der Breitenseer Lichtspiele. Vieles ist noch in Planung, das neue Foyer („Es soll kein Transitraum sein, die Leute sollen sich hier gern aufhalten“) war ein erster Schritt, weitere sollen folgen. Demnächst etwa eine kleine Bühne vor der Leinwand, damit der Kinosaal auch für Kleinkunst und Lesungen genutzt werden kann. Denn eines sei klar, sagt Matterdorfer: Filme vorzuführen allein ist anno 2020 nicht mehr genug, damit sich die Lichtspiele wieder etablieren und, wer weiß, eines Tages sogar selbst erhalten können. (Nach wie vor steckt Nitsch-Fitz’ Tante ihre Pension ins Kino, um den Betrieb zu sichern.)
Dass das Kino funktionieren kann, hat Christina Nitsch-Fitz, die sich seit zwei Jahren nebenher im Betrieb engagiert, miterlebt. Wenn etwa Ralph Turnheim im Kinosaal steht und Stummfilme live kabarettistisch synchronisiert, „ist der Saal immer ausverkauft. Das zeigt, dass dieser Ort funktionieren kann“, sagt Nitsch-Fitz. Ihre Liebe zum Kino ist auch familiär begründet: Ihre Großmutter hat einst das Nussdorfer Kino geführt, die Tante später die Breitenseer Lichtspiele „und auch wenn ich nicht immer vor Ort war, war das Kino in meiner Familie immer präsent. Der Filmvorführer hat mit uns Weihnachten gefeiert.“
Kultkino mit Voodoo Jürgens
Fortgesetzt soll auch die vor Corona gestartete „Kultkino“-Reihe werden. Die Idee: „Kultige Persönlichkeiten“zeigen ihren Lieblingsfilm, schauen ihn gemeinsam mit den Besuchern, im Anschluss wird geplaudert. Zu Gast waren bereits Erni Mangold, Voodoo Jürgens und der Nino aus Wien. „Es hat also“, sagt Matterdorfer, „einiges schon vorher stattgefunden, man muss es nur kommunizieren.“Anderes ist neu: Wie die Dokumentarfilm-Schiene. Oder der Fokus auf österreichischen Filmen, wobei die Filmemacher für Gespräche ins Kino geholt werden.
Aktuell sind im Kinosaal, der 168 Besucher fasst, aufgrund der Corona-Maßnahmen nur 50 zugelassen, für die Lichtspiele, die in den vergangenen Jahren nicht seltnen nur für einen oder zwei Besucher gespielt haben, sei das „okay“.
Natürlich sei die Coronazeit eine besondere Herausforderung. Aber das alte Kino, seit 1909 am Standort, „hat schon viele schwierige Zeiten überstanden“, sagt Nitsch-Fitz. „Dann wird es auch diese überstehen.“