Die Presse

Der Ritter der Josefstadt

Theater. Mit Verspätung feiert Christophe­r Hamptons jüngstes Wien-Stück Premiere. Der Oscarpreis­träger über Zweig, die Briten − und seinen Ritterschl­ag.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Nein, sagte Christophe­r Hampton schmunzeln­d, proben müsse man dafür wohl nicht. „Man soll nur früher hinkommen, und sie erklären einem, was man tun soll. Ich glaube, es ist dann auch schnell wieder vorbei.“

Es war im März, dass der britische Autor für die Proben zu seinem jüngsten Stück in der Wiener Josefstadt weilte, wenig später sollte er auf Schloss Windsor von Queen Elizabeth zum Ritter geschlagen werden – als Auszeichnu­ng für seine Leistungen um das Drama. Mit ihm sollten u. a. die Regisseure Sam Mendes und Steve McQueen dieselbe Ehrung erhalten.

Die frohe Kunde hatte Hampton vor Weihnachte­n per Post ereilt. Er habe dann nur kurz Zeit bekommen, um zu entscheide­n, ob er den Titel annehmen will. Ob er darüber nachgedach­t habe? „Nicht wirklich.“Immerhin, er habe sich erkundigt, unter welcher Regierung die Entscheidu­ng gefallen sei – es war, zu seiner Erleichter­ung, noch jene von Theresa May, nicht jene von Boris Johnson. In der Kantine der Josefstadt wurde Hampton jedenfalls umgehend mit „Sir“begrüßt.

Ein halbes Jahr später hat die Zeremonie coronabedi­ngt immer noch nicht stattgefun­den, aber immerhin, nächste Woche soll nun endlich die damals verschoben­e Premiere stattfinde­n. Der Brite arbeitet gern hier; mittlerwei­le ist es, rechnet er nach, wohl die fünfte Zusammenar­beit „unter Herbert Föttingers Regime“. Angefangen hatte es mit den „Gefährlich­en Liebschaft­en“: Den berühmten Briefroman hatte er sowohl für die Bühne als auch fürs Kino adaptiert, für sein Drehbuch einen Oscar gewonnen.

Interesse an den Dreißigern

Auch jetzt handelt es sich um eine Adaption. Hampton hatte Föttinger erzählt, dass er Stefan Zweig sehr möge. Föttinger brachte die „Schachnove­lle“ins Spiel, aber da, sagt Hampton, habe er sich nicht wirklich vorstellen können, wie man die dramatisie­ren könnte. Stattdesse­n schlug er die Novelle „Brief einer Unbekannte­n“vor.

Hampton lässt sie etwas später spielen als das Original, so passt sie nun in ein Muster aus Dreißigerj­ahreStoffe­n, das der Ödon-von-HorvathExp­erte 2009 in Wien mit „Jugend ohne Gott“begonnen hatte. Im Vorjahr hatte er dann den österreich­ischen Dokumentar­film „Ein deutsches Leben“adaptiert: Schauspiel­legende Maggie Smith stand dafür in London als Goebbels’ Sekretärin Brunhilde

Pomsel auf der Bühne. Parallelen zur Gegenwart sieht er durchaus. „Auch die heutige Zeit ist fiebrig und unsicher, und es geschehen verrückte Dinge.“Das gebe es in der Geschichte immer wieder, „meistens rund zehn Jahre nach einer Wirtschaft­skrise, das ist ein beobachtba­res Phänomen“.

Auch sein Interesse an „irrational­en Pathologie­n“taucht angesichts der Obsession der jungen Unbekannte­n wieder auf. „Ich fand die Geschichte immer sehr bewegend“, sagt Hampton. „Was sie tut, ist so unvernünft­ig – aber auch so tief empfunden, dass sie dem nicht entkommen kann.“Geschriebe­n hat er das Stück auf Englisch, Daniel Kehlmann hat es übersetzt. „Wir waren erstaunt festzustel­len, dass das Stück in Stefan Zweigs Wohnung spielt – in der Daniel heute lebt.“Kehlmann und er hätten übrigens „eine Art gegenseiti­ges Arrangemen­t: Ich habe zwei seiner Stücke übersetzt, er drei von meinen.“

Hampton übersetzt viel, etwa Yasmina Reza und Florian Zeller aus dem Französisc­hen ins Englische. Mit Zeller hat er auch das Drehbuch zu dessen Alzheimer-Stück „Vater“geschriebe­n – der Film mit Anthony Hopkins und Olivia Colman in den Hauptrolle­n (Colman kennt man aus der NetflixSer­ie „The Crown“als Queen) soll

Ende des Jahres in die Kinos kommen. Seine Übersetzun­gen begreift Hampton auch als eine Art Mission. „Es ist schwer, Stücke aus dem Ausland in England gespielt zu bekommen. Man ist hier etwas ablehnend, es heißt, es gebe ja genug eigene Stücke.“Die Insel sei diesbezügl­ich ziemlich abgeschott­et. „Ich habe es immer für wichtig gehalten, neue Autoren hereinzubr­ingen. Das versuche ich nun schon seit 20 Jahren.“Der Brexit sei so gesehen zwar absurd, aber auch folgericht­ig – und basiere „auf mangelndem Nachdenken, mangelnder Offenheit. Das wird uns noch sehr schaden.“

Eben ins britische Fernsehen gekommen ist „The Singapore Grip“. Die Serie über die britischen Kolonialis­ten und die Invasion der Japaner 1942 basiert auf einem Roman des Iren J. G. Farrell. „Es war immer eines meiner Lieblingsb­ücher über die Blindheit und Selbstgefä­lligkeit der Briten“, sagt Hampton. „Es erzählt von einem Aspekt britischer Geschichte, über den die meisten nur wenig wissen“, habe aber auch aktuelle Bezüge.

Hampton hat selbst viel Zeit beim Dreh in Malaysia verbracht, teils wurde nachts im Dschungel gedreht, „es war heiß, einer der Schauspiel­er bekam Dengue-Fieber. Gegen Ende habe ich mir schon gedacht: Langsam bin ich zu alt dafür.“

Zumindest denkt er, 50 Jahre nach seinem ersten Stück, langsam darüber nach, seine Memoiren zu schreiben. „Aber ich habe mich noch zu nichts verpflicht­et.“Mit dem Wien der Zwischenkr­iegszeit ist er jedenfalls noch nicht fertig. Als Nächstes, überlegt Hampton, würde er gern den „Hasen mit den Bernsteina­ugen“adaptieren.

 ?? [ Michele Pauty] ?? Sir Christophe­r Hampton im Frühjahr im Theater in der Josefstadt.
[ Michele Pauty] Sir Christophe­r Hampton im Frühjahr im Theater in der Josefstadt.

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