Die Presse

Das war’s dann wohl mit der Stabilität­spolitik

Frankreich will nach der Krise nicht mehr zum Stabilität­spakt zurück.

- josef.urschitz@diepresse.com

Die französisc­he Regierung habe nicht die Absicht, nach Corona wieder zu den Regeln des derzeit ausgesetzt­en EU-Stabilität­spakts zurückzuke­hren, sagte der Europa-Staatssekr­etär der Grande Nation diese Woche. Da stellt sich zuerst die Frage: Wieso zurückkehr­en? Die haben die Stabilität­spaktregel­n ohnehin nie eingehalte­n. Wie die meisten übrigen EU-Länder auch.

Auch Österreich beispielsw­eise hat kein einziges Mal alle Kriterien des Maastricht-Vertrags voll erfüllt. Konsequenz­los übrigens, denn geltendes EURecht hat – von Maastricht bis zu Dublin III – de facto den Status von unverbindl­ichen Empfehlung­en. Womit ein nicht geringer Teil der aktuellen Probleme dieser Staatengem­einschaft erklärt ist.

Der auf den Maastricht­Kriterien aufbauende Stabilität­spakt sollte die Euroländer zu einer soliden Haushaltsp­olitik zwingen. Dass er für die Zeit der Coronakris­e und deren Nachwirkun­gen temporär aufgehoben wurde, ist plausibel. Dass jetzt große Mitgliedsl­änder ankündigen, nicht einmal zum Schein zu diesem Stabilität­sübereinko­mmen zurückkehr­en zu wollen, ist dagegen ein verheerend­es Signal. Es ist die Abkehr von jeglicher Stabilität­spolitik.

Immerhin wird der Staatsschu­ldenstand der EU-Länder heuer im Schnitt die 100-Prozent-Marke überschrei­ten. Frankreich wird sogar auf die 120 Prozent zugehen. Bei solchen Schuldenst­änden ist eine nachhaltig­e Staatsfina­nzierung auf Dauer nicht möglich. Es ist, wie das Münchener Ifo-Institut neulich in einer Analyse über die vergleichs­weise äußerst soliden deutschen Staatsfina­nzen festgestel­lt hat, eine Wette auf ewige Nullzinsen. Selbst kleine Zinserhöhu­ngen bringen Staaten da schnell ins Wanken.

Ewige Nullzinsen sind aber unrealisti­sch. Die Münchener Wirtschaft­sforscher meinen deshalb, es müsste nach der Krise recht kräftige Budgetüber­schüsse geben. Das ist aber, siehe Frankreich, wenig realistisc­h. Wir tanzen offenbar weiter fröhlich zur Musik der TitanicKap­elle und ignorieren das Leck einfach, das der Eisberg bereits geschlagen hat. Auch eine Strategie, wenn auch keine nachhaltig­e.

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