Die Presse

Glattauers sanfte Abrechnung mit der Finanzwelt

Heiter, aber etwas zu brav und breit geraten: „Die Liebe Geld“von Daniel Glattauer in den Kammerspie­len.

- VON KARL GAULHOFER

Es ist eine Angst, die unsere Existenz in der Spätmodern­e grundiert: Aus dem Bankomat kommt kein Geld mehr, und mit den Karten kannst du auch nicht zahlen. Zur Bank dringst du nicht durch, und wenn doch, wirst du als lästiger Störenfrie­d mit freundlich­en Floskeln und sinnigen Sprüchen abgespeist – ganz so, als hätte ein Werbetexte­r Kafka umgeschrie­ben. Deine Bank weiß alles über dich, ihr gehört die Firma deines Arbeitgebe­rs, und auch dein Anwalt steht zuvörderst in ihren Diensten. Dein Geld arbeitet, ist auf Geschäftsr­eise, irgendwo. Du hast es nicht, wenn du es brauchst. Und womit sollst du jetzt das Geschenk zum zehnten Hochzeitst­ag bezahlen?

Daniel Glattauer hat, schon zum fünften Mal, ein Stück in den Kammerspie­len der Josefstadt uraufführe­n lassen. „Die Liebe Geld“ist eine leichte Komödie über ein tonnenschw­eres Thema: die Ohnmacht des Einzelnen in den Fängen der Finanzwelt. Andere Autoren haben daraus Anklagen gegen den Kapitalism­us oder Thriller über Skandale und Börsenkrac­hs gemixt. Glattauer ist weise genug, nur das zu ironisiere­n, was er aus eigenem Erleben kennt: Wie es in heimischen Banken zugeht, wenn ein kleiner Kunde aufmuckt, wie wir uns vom Glanz der Glaspaläst­e blenden lassen und wie es die Fluchtinst­inkte weckt, wenn Geldverwal­ter um unser Vertrauen buhlen.

Der Bankdirekt­or trägt den Abend

Der Antiheld könnte Glattauers Alter Ego sein: ein schüchtern­er Sparer, den Roman Schmelzer mit sicherem Strich zeichnet – rührend in seiner Hilflosigk­eit, drollig in seinem Zorn. Eine Wucht ist Michael Dangl als Bankdirekt­or: Wie sich da geschniege­lte Schleimigk­eit fast ins Dämonische auswächst, trägt den Abend. Etwas blasser die Frauenfigu­ren: Martina Stilp gibt die Kundenbetr­euerin als blonden Vamp, Silvia Meisterle die Gattin des Opfers als treuherzig­e Naive. Regisseur Folke Braband setzt das Quartett routiniert in Szene, aber kaum etwas drauf.

Glattauer liefert hier zeitgemäße­n, handwerkli­ch versierten Boulevard, und das ist nicht wenig. Die Pointen sind oft erwartbar, aber selten billig. Doch manches gerät dabei gar harmlos, zuweilen wünscht man sich mehr Biss. Die Grundidee wird allzu breit ausgewalzt, nur sehr gemächlich wandelt sich die milde Satire zur putzigen Groteske. Dankbare Lacher und der freundlich­e Schlussapp­laus lassen vermuten: Der Erfolgsaut­or wird auch damit Erfolg haben. Hoffentlic­h ist er bei seiner Geldanlage gut beraten.

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