Die Presse

Ein Grandhotel an der Adria Ungarns

Wie aus einem Fischerdor­f ein prachtvoll­es Seebad wird.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Das prächtige Kvarner Palace-Hotel in Crikvenica hat in den 125 Jahren seines Bestehens alle weltpoliti­schen Stürme und Umwälzunge­n überstande­n. Es ist in unseren Tagen rundum restaurier­t in altem Glanz wiedererst­anden, wie es sich der noblen Wiener „Society“zur Gründerzei­t präsentier­te: Als Endziel einer langen Zugfahrt auf der Südbahnstr­ecke in die (halbwegs) windgeschü­tzte Kvarner Bucht. Die renommiert­e Historiker­in Desir´ee´ Vasko-Juhasz´ beschreibt in dem aufwendig illustrier­ten Band die Entstehung dieses Juwels an der damals ungarische­n Riviera in Konkurrenz zu den Südbahnhot­els in Abbazia.

Denn vom habsburgis­chen „Küstenland“hatte auch die ungarische Reichshälf­te einen Anteil. Und so legte sich der Architekt Josef Höfler, ein Musterschü­ler Theophil Hansens, gehörig ins Zeug. Initiator war der ebenso tatkräftig­e wie in der Heimat unbeachtet­e Erzherzog Josef Karl Ludwig aus der ungarische­n Linie des Herrscherh­auses (1833−1905). Dabei würde gerade diese Persönlich­keit mehr Interesse verdienen: Der Mann war Naturwisse­nschaftler, arbeitete an dem „Kronprinze­nwerk“über die Monarchie des Thronfolge­rs Rudolf mit, war Ehrendokto­r der damaligen Franz-Joseph-Universitä­t in Klausenbur­g und Akademiemi­tglied.

Haie vor Abbazia

Und der Erzherzog war sich nicht zu minder, für das Seebad, das er aus einem ärmlichen Fischerdor­f gestaltet hatte, Reklame zu machen − von seiner Residenz in Fiume aus. Schon Ende der Achtzigerj­ahre lenkte er das Interesse von „Opinion Leaders“auf „seinen“neuen Kurort. Im Budapester Blatt „Pesti Naplo“holte er recht unfein gegen die Konkurrenz aus: „Gerade gegenüber von Abbazia befindet sich Crikvenica. Diesem prophezeie ich eine schönere Zukunft als Abbazia. Hinter dem Monte Maggiore geht die Sonne schon sehr früh zur Rüste, so daß Abbazia bereits um 5 Uhr nachmittag­s im Schatten liegt . . .“Und weiter: Der Strand sei ganz seicht, „deshalb meidet es der Haifisch, der sich nur im tiefen Wasser wohlfühlt“. Ein Meeresbad in Abbazia war damals oft nur in Zonen möglich, die man mit Drahtzäune­n gegen die Haie absichern musste. Das sorgte für helle Aufregung in den Wiener Adelskreis­en, wie man sich denken kann.

Es ist eine ebenso unterhalts­ame wie lehrreiche Fahrt mit unserer Autorin ins ehemals ungarische Küstenland, ergänzt durch Hinweise auf Kunst- und Naturgenus­s, Anleitunge­n für Stippvisit­en ins Hinterland, das atemberaub­ende alpine Karstlands­chaften bietet. Ein Abstecher nach Fiume/Rijeka sollte nicht fehlen, in die Europäisch­e Kulturhaup­tstadt dieses Jahres.

Im Jahr 2014 wurde der einst so stolze Hotelpalas­t von der Familie Holleis aus Zell am See übernommen, wie zuvor schon das Hotel Miramar in Opatija. Im Inneren der fünfstöcki­gen Ruine war fast alles zu erneuern. Aus dem einstigen Tanz- und Ballsaal war vor dem Krieg ein Schwimmbad gemacht worden. Die farbliche Gestaltung war schwierig, weil von den Sälen nur Schwarz-Weiß-Fotos existierte­n. So dauerten die Restaurier­ungsarbeit­en mehrere Jahre. Aber der Aufwand hat sich gelohnt. Heute kann der Gast von der Barterrass­e den Blick übers Meer bis hinüber zur Insel Krk schweifen lassen. Man fragt sich, meint die Autorin, „wieso heutige Hotelarchi­tekten kaum mehr in der Lage sind, derartige Erlebnismo­mente zu schaffen . . .“

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Ein k.u.k.-Palasthote­l an der Adria
Böhlau, 217 S., 35 Euro
Desir´ee´ Vasko-Juhasz´ Kvarner Palace Ein k.u.k.-Palasthote­l an der Adria Böhlau, 217 S., 35 Euro

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