Die Antwort lautet: Ja!
Genossenschaften sind zeitgemäßer denn je. Anmerkungen zu einem Kommentar von Josef Urschitz.
Josef Urschitz stellt in der „Presse“(9. 9.) die Frage, ob Genossenschaften noch eine zeitgemäße Unternehmensform seien. Eine Frage, die nur als Provokation verstanden werden kann und einer wissenschaftlich fundierten und von der Causa prima Commerzialbank Mattersburg unabhängigen Antwort bedarf. Mit einer für Österreich vergleichbaren Insolvenzquote von 0,1 Prozent in Deutschland ist die Genossenschaft die sicherste Rechtsform überhaupt.
Dafür sind mehrere Gründe verantwortlich: Genossenschaften basieren seit ihrer Entstehung auf zentralen Prinzipien. Sie streben nicht nach Gewinnmaximierung, sondern nach bestmöglicher Unterstützung ihrer Mitglieder, die gleichzeitig ihre Eigentümer sind. Das Prinzip der regionalen Verankerung wird oft einseitig als „Verhaberung“abgetan, führt aber aufgrund der dezentral angelegten Genossenschaftsstruktur zu genauer Kenntnis der Kundenbedürfnisse und damit zu Risikovermeidung. Weiters wird beim jederzeit möglichen Austritt aus der Genossenschaft nur der nicht veräußerbare Genossenschaftsanteil zum Nominalwert refundiert, was wiederum risikoreiches, gewinnorientiertes Verhalten zurückdrängt.
Der in Hinblick auf Risikovermeidung wichtigste Eckpfeiler ist jedenfalls die Revision. Ihr Ziel ist die Überprüfung der Geschäftsgebarung und Einhaltung des Förderauftrags durch eine übergeordnete Stelle; sie geht somit tiefer als die Abschlussprüfung für Kapitalgesellschaften. Grundsätzlich müssen alle Genossenschaften Mitglied eines Revisionsverbandes sein. Die großen Verbände, z. B. der Verband der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften und die Raiffeisenverbände, teilen die bei ihnen beschäftigten Revisoren ihren Genossenschaften zur Revision zu. Sie unterbinden damit jegliche wirtschaftliche Abhängigkeit bezüglich Folgeaufträgen und Entlohnung; die Revisoren haben durch die Einbettung in ihren Verband Kenntnis über viele vergleichbare Genossenschaften und somit Vergleichsmaßstäbe. Andere Verbände oder Landesregierungen verfügen nicht über dieses Knowhow und müssen die Revision – wie bei der verbandfreien Commerzialbank – „auslagern“. Nach heutiger Rechtslage wäre nicht mehr ein Amt der Landesregierung mit Revisionsaufgaben betraut, stattdessen würden Gerichte verbandfreien Genossenschaften Revisoren zuteilen.
Die Passivität nicht anlasten
Nachdem die Commerzialbank aus dem Revisionsverband der burgenländischen Raiffeisenbanken ausgeschlossen wurde und kein anderer Verband die Revision übernahm, war nach damaliger Rechtslage das Amt der Burgenländischen Landesregierung aufgrund der gesetzlichen Revisionspflicht für die Bestellung eines Revisors verantwortlich, obwohl es über keine eigenen, in Sachen Bankprüfung erfahrenen Revisoren verfügt, keine Früherkennungssysteme betreibt und keinerlei Einbettung der eigentlich kleinen Mattersburger Lokalbank in einen Sektorverbund bietet. Es wurde folglich eine sonst nicht als Bankprüfer tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum Revisor bestellt.
Die von Josef Urschitz angesprochene Passivität der Genossenschaftsmitglieder hinsichtlich einer stärkeren eigenständigen Kontrolle kann der Rechtsform der Genossenschaft nicht zur Last gelegt werden. Die Antwort auf seine Frage kann folglich nur „Ja“lauten! Genossenschaften sind zeitgemäßer denn je, da sie Nachhaltigkeit, Transparenz, strenge Kontrolle und somit Sicherheit verkörpern.
Univ.-Prof. Dr. Michaela SchaffhauserLinzatti ist Professorin am Fachbereich für Genossenschaftswesen der Universität Wien und Leiterin des Forschungsvereins für Genossenschaftswesen (FOG).