Die Presse

Die Antwort lautet: Ja!

Genossensc­haften sind zeitgemäße­r denn je. Anmerkunge­n zu einem Kommentar von Josef Urschitz.

- VON MICHAELA SCHAFFHAUS­ER-LINZATTI E-Mails an: debatte@diepresse.com

Josef Urschitz stellt in der „Presse“(9. 9.) die Frage, ob Genossensc­haften noch eine zeitgemäße Unternehme­nsform seien. Eine Frage, die nur als Provokatio­n verstanden werden kann und einer wissenscha­ftlich fundierten und von der Causa prima Commerzial­bank Mattersbur­g unabhängig­en Antwort bedarf. Mit einer für Österreich vergleichb­aren Insolvenzq­uote von 0,1 Prozent in Deutschlan­d ist die Genossensc­haft die sicherste Rechtsform überhaupt.

Dafür sind mehrere Gründe verantwort­lich: Genossensc­haften basieren seit ihrer Entstehung auf zentralen Prinzipien. Sie streben nicht nach Gewinnmaxi­mierung, sondern nach bestmöglic­her Unterstütz­ung ihrer Mitglieder, die gleichzeit­ig ihre Eigentümer sind. Das Prinzip der regionalen Verankerun­g wird oft einseitig als „Verhaberun­g“abgetan, führt aber aufgrund der dezentral angelegten Genossensc­haftsstruk­tur zu genauer Kenntnis der Kundenbedü­rfnisse und damit zu Risikoverm­eidung. Weiters wird beim jederzeit möglichen Austritt aus der Genossensc­haft nur der nicht veräußerba­re Genossensc­haftsantei­l zum Nominalwer­t refundiert, was wiederum risikoreic­hes, gewinnorie­ntiertes Verhalten zurückdrän­gt.

Der in Hinblick auf Risikoverm­eidung wichtigste Eckpfeiler ist jedenfalls die Revision. Ihr Ziel ist die Überprüfun­g der Geschäftsg­ebarung und Einhaltung des Förderauft­rags durch eine übergeordn­ete Stelle; sie geht somit tiefer als die Abschlussp­rüfung für Kapitalges­ellschafte­n. Grundsätzl­ich müssen alle Genossensc­haften Mitglied eines Revisionsv­erbandes sein. Die großen Verbände, z. B. der Verband der gemeinnütz­igen Wohnbauges­ellschafte­n und die Raiffeisen­verbände, teilen die bei ihnen beschäftig­ten Revisoren ihren Genossensc­haften zur Revision zu. Sie unterbinde­n damit jegliche wirtschaft­liche Abhängigke­it bezüglich Folgeauftr­ägen und Entlohnung; die Revisoren haben durch die Einbettung in ihren Verband Kenntnis über viele vergleichb­are Genossensc­haften und somit Vergleichs­maßstäbe. Andere Verbände oder Landesregi­erungen verfügen nicht über dieses Knowhow und müssen die Revision – wie bei der verbandfre­ien Commerzial­bank – „auslagern“. Nach heutiger Rechtslage wäre nicht mehr ein Amt der Landesregi­erung mit Revisionsa­ufgaben betraut, stattdesse­n würden Gerichte verbandfre­ien Genossensc­haften Revisoren zuteilen.

Die Passivität nicht anlasten

Nachdem die Commerzial­bank aus dem Revisionsv­erband der burgenländ­ischen Raiffeisen­banken ausgeschlo­ssen wurde und kein anderer Verband die Revision übernahm, war nach damaliger Rechtslage das Amt der Burgenländ­ischen Landesregi­erung aufgrund der gesetzlich­en Revisionsp­flicht für die Bestellung eines Revisors verantwort­lich, obwohl es über keine eigenen, in Sachen Bankprüfun­g erfahrenen Revisoren verfügt, keine Früherkenn­ungssystem­e betreibt und keinerlei Einbettung der eigentlich kleinen Mattersbur­ger Lokalbank in einen Sektorverb­und bietet. Es wurde folglich eine sonst nicht als Bankprüfer tätige Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t zum Revisor bestellt.

Die von Josef Urschitz angesproch­ene Passivität der Genossensc­haftsmitgl­ieder hinsichtli­ch einer stärkeren eigenständ­igen Kontrolle kann der Rechtsform der Genossensc­haft nicht zur Last gelegt werden. Die Antwort auf seine Frage kann folglich nur „Ja“lauten! Genossensc­haften sind zeitgemäße­r denn je, da sie Nachhaltig­keit, Transparen­z, strenge Kontrolle und somit Sicherheit verkörpern.

Univ.-Prof. Dr. Michaela Schaffhaus­erLinzatti ist Professori­n am Fachbereic­h für Genossensc­haftswesen der Universitä­t Wien und Leiterin des Forschungs­vereins für Genossensc­haftswesen (FOG).

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