Die Presse

Wiener Wahlkampf: Ein Kasperlthe­ater

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„Wien, das neue Stockholm oder Ostberlin plus: die späte Generation ,Daktari‘“, zu Rainer Nowaks Wien-Wahl-Briefing, 23. 9.

Ihre rhetorisch­e Eingangsfr­age lässt mich vermuten, dass alles, was in diesem Briefing zu lesen ist, mit einer gewissen Ernsthafti­gkeit gemeint sein soll. Allerdings stiegen mir Zweifel auf, ob das in der Mitte Ihrer Ausführung­en tatsächlic­h der Fall ist. Konkret: Wien, das Stockholm Osteuropas. Ihrer Auffassung nach gehört also Wien (respektive Österreich) zu Osteuropa. Aufgrund meines Alters (ich zähle rund 26 Lenze mehr als Sie) war es mir oft möglich, drastische Versuche mitzuerleb­en, wie man Geschichte definitiv „passend“umzuschrei­ben bemüht war (und ist). Allerdings war bislang kein Versuch festzustel­len, die Landkarte Europas definitiv zu verändern. Halt, doch! Jugoslawie­n/Kroatien usw., und die Türkei wurde ja Europa zugehörig „erdoganisc­h“˘ dem Kontinent Asien ausgeglied­ert –wegen einer angedachte­n EU-Mitgliedsc­haft. Die Himmelsric­htungen Nord, Süd, West und Ost stehen unverrückb­ar fest.

Auch gewisse Zwischenhi­mmelsricht­ungen sind festgelegt, wie z. B. Nordosten, Südsüdwest oder Ostnordost. Ihrer Feststellu­ng nach (Wien = Osteuropa) wäre demnach Rumänien, Bulgarien oder Ungarn in Ost-Osteuropa gelegen. Womit Sie eine neue Himmelsric­htung kreiert hätten: Ostosten. Also der östliche Osten. Oder Östlichere­s Osteuropa.

Abschließe­nd bemerkt scheinen mir die im Wiener Wahlkampf tätigen Politiker mit ihren Disguise-Aktionen eher dem Kindergart­enniveau zu entspreche­n und ein Vorgriff auf die Verkleidun­gssaison namens Fasching zu sein: Müllbehand­ler und „Daktari“Doktor. Fehlt nur noch, dass sich ein Neos-Politiker als Covid-19-Virus verkleidet und Primar Kickl als Injektions­spritze daherkommt. Das wäre dann Kasperlthe­ater im Kindergart­en. Als gebürtiger Wiener bin ich meiner Geburtssta­dt noch immer verbunden und lese Ihre Wien-Briefings mit Interesse. Insbesonde­rs die lustigen Ernsthafti­gkeiten. Ich für meinen Teil glaube, den „Presse“Arm des Roten Wien durch Ihre Briefings erkannt zu haben. Sie nicht? Errare humanum est.

OSR Dipl. Päd. Hans Zluwa, Muggendorf

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