Wieso werden Nase, Ohren und Füße im Alter immer größer?
So manche optischen Veränderungen täuschen ein Wachstum nur vor. Anderes Gewebe im Körper hingegen wächst tatsächlich ein Leben lang.
Vielleicht ist es Ihnen an sich selbst schon aufgefallen? Oder bei einem Elternteil oder einem anderen älteren Erwachsenen? Mit zunehmendem Alter erscheinen Ohren und Nase größer, und so mancher stellt dann fest, plötzlich eine Nummer größere Schuhe zu brauchen. Warum ist das so? Wachsen einzelne Körperteile ohne Unterlass immer weiter? Das wollte eine „Presse“Leserin wissen.
„Nein“, stellt Lukas A. Huber, Direktor des Instituts für Zellbiologie der Med-Uni Innsbruck, klar. „Das ist eine Täuschung. Binde- und Muskelgewebe verändern sich, es handelt sich dabei also nicht um ein aktives Wachstum. Die Ohren erscheinen zum Beispiel nur größer und länger, weil sie schlaffer werden.“Die Nase fällt indes im Alter leicht nach vorn herab: „Die Nasolabialfalte verändert sich, weil der Muskelzug ein anderer ist, weil die Fetteinlagerungen andere sind.“Und die Füße? „Auf denen steht man ein ganzes Leben lang.“Sie werden schlichtweg platter.
Kurzum, das Größenwachstum ist mit der Pubertät – gesteuert von Hormonen – abgeschlossen und weder Nase noch Ohren noch Füße wachsen ein Leben lang. „Aber es gibt natürlich sehr wohl Gewebe im Körper, das immerzu wächst und sich regelmäßig erneuert“, betont Huber. Die roten Blutkörperchen, die Erythrozyten, etwa. „Bis eine Blutzelle erschöpft und gealtert ist, legt sie im Schnitt 1600 Kilometer im Körperkreislauf zurück“, so der Zellbiologe. „Sie leben circa 120 Tage, dann werden sie komplett erneuert.“Die weißen Blutzellen, die Lymphozyten, können mehrere Tage bis zu mehrere Jahre alt werden, wenn es sich um Gedächtniszellen des Immunsystems handelt. „Der Meister der Regeneration ist aber die Leber“, sagt Huber. „Unser Entgiftungsorgan kann sich vollkommen erneuern. Man kann ein Stück herausschneiden, und es wächst wieder nach.“
Von jungen und uralten Zellen
Alle Zellen im Körper haben also eine ganz unterschiedliche Lebensdauer. Die meisten können aus Stammzellen nachproduziert werden. „In der Haut leben die Zellen 19,2 Tage, dann verlieren sie ihren Kern, verhornen und werden abgestoßen und von unten immer mit Stammzellen erneuert.“Auch Haarzellen wachsen – genetisch kodiert an unterschiedlichen Körperstellen unterschiedlich lang – immerzu. Knochenzellen leben indes um sehr viel länger im Körper: nämlich 20 bis 25 Jahre. Mit anderen Zellen müssen wir bis zu unserem Tod auskommen: mit unseren Nervenzellen und den Sinneszellen an der Netzhaut, mit denen wir sehen, zum Beispiel. Die nützen sich im Lauf unseres Lebens ab und funktionieren nach und nach entsprechend schlechter. Im Gehirn wiederum findet, anders als lang von der Wissenschaft angenommen, durchaus eine Zellerneuerung statt: „Es gibt dort Stammzellen, aber sie sind schwer zu aktivieren. Das schafft vielleicht eine von tausend Zellen.“
Huber hat sich in seiner Arbeit auf den Darm spezialisiert. Er „baut“aus Stammzellen Mini-Organe, um frühkindliche genetische Erkrankungen daran zu erforschen oder personalisierte Krebstherapien auszuprobieren. Die Zellerneuerung im Darm ist übrigens enorm: Täglich verlieren wir hier 200 Gramm an Epithelzellen – im Dickdarm erneuern sich diese alle zehn Tage, im Dünndarm alle 1,4 Tage.
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„Die Ohren erscheinen nur größer und länger, weil das Gewebe schlaffer wird.“
Lukas A. Huber, Zellbiologe