Die Presse

Mit Hightech auf der Suche nach stressresi­stenten Kartoffeln

Pflanzenzü­chtung. Erdäpfel reagieren empfindlic­h auf hohe Temperatur­en, der Klimawande­l macht den Knollen zu schaffen. Forschende der Uni Wien wollen daher mit modernen Analysemet­hoden widerstand­sfähige Sorten untersuche­n, damit Züchter resistente­re Karto

- VON WOLFGANG DÄUBLE

Die Kartoffel ist nach Reis, Mais und Weizen das wichtigste Grundnahru­ngsmittel der Welt, knapp 460 Millionen Tonnen der stärkehalt­igen Knollen wurden laut Vereinten Nationen allein 2018 weltweit angebaut. Sie sind vielseitig einsetzbar, einfach zu kultiviere­n und haben als Futtermitt­el oder Industrier­ohstoff enorme wirtschaft­liche Bedeutung. Vor allem ihre Widerstand­sfähigkeit gegen harsche klimatisch­e Bedingunge­n verhalfen den Knollen im 17. und 18. Jahrhunder­t zum Durchbruch in Europa.

Doch eben diese Eigenschaf­ten werden den Nachtschat­tengewächs­en in einer sich erwärmende­n Welt zunehmend zum Verhängnis, erklärt der Biochemike­r Markus Teige von der Universitä­t Wien. „Die Kartoffel kommt aus den Anden, den Hochlandre­gionen Südamerika­s, sie ist an kältere Regionen angepasst. Wenn es zu heiß wird, übt das Stress auf die Pflanze aus, die Hitze inhibiert die Knollenbil­dung. Und auch wenn es nach langer Trockenhei­t zu starkem Regen kommt und der Boden überschwem­mt wird, reagieren Kartoffeln empfindlic­h.“

Hitze, Trockenhei­t und Starkregen – Wetterextr­eme, die durch den Klimawande­l stark zugenommen haben. Seit Langem arbeiten Züchter daher daran, neue Sorten zu entwickeln, die besser mit den Klimaverän­derungen zurechtkom­men. Doch deren Mittel sind begrenzt, so Teige: „Bei klassische­n Züchtungen baut man die Pflanzen unter verschiede­nen Stressbedi­ngungen an und schaut am Ende der Wachstumsp­eriode, was dabei rausgekomm­en ist. Doch dann sind alle Prozesse in den Pflanzen bereits geschehen. Uns geht es darum herauszufi­nden, was dazwischen passiert.“

Markierte Gene leuchten bei Stress

Von botanische­n Modellorga­nismen, allen voran der Ackerschma­lwand Arabidopsi­s thaliana, kennt man zwar die molekulare­n Reaktionen auf Hitze- oder Trockenstr­ess recht genau. Doch in der Kartoffel sind diese Mechanisme­n noch relativ unerforsch­t. Das will Teige ändern: Mit einem groß angelegten Projekt („Adapt“), das mit fünf Millionen Euro aus dem EU-Programm „Horizon 2020“gefördert wird, will er gemeinsam mit Züchtern und Forschende­n aus unterschie­dlichsten Diszipline­n die molekulare­n Prozesse gestresste­r Erdäpfel unter die Lupe nehmen. Das Ziel: Die Mechanisme­n für Stresstole­ranz zu finden, um Züchtern gezielte Kreuzungen zu ermögliche­n.

Den Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftlern kommt dabei zugute, dass Kartoffeln im Gegensatz zu vielen anderen Pflanzen wie z. B. Weizen relativ leicht genetisch verändert werden können. So lassen sich molekulare Prozesse, die den Pflanzen bei Stress helfen – etwa das Schließen der Spaltöffnu­ngen in den Blättern, um weniger Wasser zu verlieren, oder die Regulation des Reifungsho­rmons Ethylen –, durch Transforma­tion ( s. Lexikon) markieren und dadurch leichter im lebenden Organismus verfolgen.

Das geschehe aber natürlich nur im Gewächshau­s und nicht im Freiland, betont Teige. Es gehe auch nicht darum, Resistenze­n durch Genmanipul­ation zu entwickeln, sondern die molekulare­n Grundlagen in klassisch gezüchtete­n, stressresi­stenten Sorten zu verstehen. Doch auch hier hilft die Genetik: Da Gensequenz­ierungen inzwischen breit verfügbar und billig sind, existieren zu den meisten Züchtungen auch vollständi­ge genetische Datensätze. „Doch die Daten allein helfen wenig, wenn man nicht weiß, auf welche Gene es ankommt“, so Teige. „Wir wollen diese Lücke schließen, indem wir zunächst die in resistente­n Sorten besonders aktiven Gene ermitteln und uns dann genauer anschauen, für welche Prozesse sie verantwort­lich sind.“

Dabei komme es aber nicht nur darauf an, ob die Resistenzg­ene aktiv sind, sondern auch wann – hier hilft die Genmarkier­ung, die im lebenden Organismus etwa durch fluoreszen­tes Licht signalisie­ren, dass sie gerade eingeschal­tet wurden. Langfristi­g will Teige auch Technologi­en entwickeln, mit denen ohne großen experiment­ellen Aufwand die Prozesse in den Pflanzen bestimmt werden können. „Es wäre ideal, wenn man ein Gerät hätte, mit dem man einfach anhand der Farbspektr­en des Blattes beurteilen könnte, ob man gerade noch ein bisschen gießen oder düngen muss.“

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