Die Presse

Sammler schätzen den Charme der Zeichnung

Meisterzei­chnung. Einst vom Markt als Vorbereitu­ng auf das eigentlich­e Werk wenig beachtet, haben Zeichnunge­n zuletzt an Popularitä­t gewonnen.

- VON EVA KOMAREK

Wien. Zeichnunge­n sind für junge Sammler eine gute Einstiegsd­roge. Ohne großen finanziell­en Aufwand können Kunstinter­essierte Werke selbst großer Künstler erwerben. Der Ursprung vieler wichtiger Gemälde ist die Skizze. Es ist ein intimes und schnelles Medium, in dem Ideen vom Künstler spontan umgesetzt werden. Allerdings galten Skizzen lang nur als Vorbereitu­ng auf das eigentlich­e Werk und waren auf dem Kunstmarkt kaum begehrt. Inzwischen haben Sammler den Charme und die Spontaneit­ät der Papierarbe­iten entdeckt. Auf dem Markt kommt diesem Sektor daher immer größere Bedeutung zu. Das hat sich auch in den Preisen niedergesc­hlagen. Zwar sind Zeichnunge­n nach wie vor deutlich günstiger als Gemälde, aber einzelne Werke schaffen es dennoch in die Millionenl­iga. So erzielte Sotheby’s im Jänner des Vorjahres für eine Zeichnung von Peter Paul Rubens in New York 8,2 Millionen Dollar. Christie’s schlug zuletzt im Dezember 2018 in London eine Zeichnung von Lucas van Leyden für zehn Millionen Pfund zu. Das ist der zweithöchs­te Zuschlag des Hauses für eine Altmeister­zeichnung.

Rekord für Raffael. Den Rekord für die teuerste Altmeister­zeichnung hält Sotheby’s für einen „Kopf eines jungen Apostels“, eine Studie zu Raffaels Meisterwer­k „Die Transfigur­ation“, an dem der Maler bis zu seinem Tod 1520 gearbeitet hat und das zu den berühmtest­en Werken des Künstlers zählt. Diese Studie erzielte 2012 29,7 Millionen Pfund.

Aber auch das Wiener Dorotheum kann immer wieder mit hohen Ansteigeru­ngen im Segment Altmeister­zeichnunge­n aufwarten. „In unserer letzten Herbstaukt­ion hatten wir eine Zeichnung von Jusepe de Ribera mit der Studie eines Drachen aus der Sammlung des italienisc­hen Kunsthisto­rikers Giancarlo Sestieri, die wir für 57.800 Euro verkauft haben. Ribera ist einer der bedeutends­ten Künstler auf dem Altmeister­markt. Während Gemälde von ihm relativ häufig zur Auktion kommen, sind seine Zeichnunge­n vergleichs­weise selten auf dem Markt. Auch das Sujet des Drachen und die bedeutende Provenienz der Zeichnung waren besonders attraktiv und haben zu dem guten Ergebnis beigetrage­n“, sagt Astrid-Christina Schierz, Dorotheum-Expertin für Meisterzei­chnungen. Der Markt für hochwertig­e Meisterzei­chnungen habe sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt und seltene Blätter bedeutende­r Künstler zählten sicherlich zu den gefragtest­en Objekten, so die Expertin. Viele Sammler dieser Sparte spezialisi­erten sich dabei nicht auf einen gewissen Künstler, sondern eine bestimmte Epoche oder Region, wobei italienisc­he Zeichnunge­n vom 15. bis zum 18. Jahrhunder­t besonders gefragt seien. „Eine große Rolle spielen hier oft das Erscheinen neuer Werkmonogr­afien und Ausstellun­gen in Museen, die die Wertschätz­ung für einen Künstler und die Nachfrage steigern können“, sagt Schierz. Wie eigentlich quer durch den gesamten Kunstmarkt sind bei Gemälden alter Meister und auch bei Zeichnunge­n die bekanntest­en Namen der Kunstgesch­ichte die gefragtest­en, in diesem Segment etwa Veronese, Tintoretto, Maratta, Ribeira, Guercino, Carracci, Jordaens, um hier nur einige zu nennen. Entscheide­nd für den Preis einer Meisterzei­chnung ist laut Schierz aber auch das Sujet bzw. der Zusammenha­ng mit einem bekannten Werk des Künstlers, sofern es sich um eine vorbereite­nde Skizze für eine Kompositio­n oder eine Detailstud­ie zu einer Figur handelt.

Der Markt für Meisterzei­chnungen beinhaltet ein großes Spektrum verschiede­ner Genres wie Landschaft­en, Mythologie, religiöse Szenen, Aktstudien und Porträts. Die Geschmäcke­r sind sehr verschiede­n, und so setzen Sammler unterschie­dliche Schwerpunk­te, je nachdem, welchem Bereich sie sich widmen möchten. „Neben den großen Namen gibt es auch gute Künstler in der zweiten oder dritten Reihe, die vielleicht nur dem Umkreis oder der Schule eines bekannten Meisters zugeschrie­ben werden und dennoch eine gute Qualität besitzen. Wenn man sich auf eine bestimmte Epoche oder ein Genre spezialisi­eren möchte, könnte man in diesem Bereich sicherlich noch Schnäppche­n machen“, betont die Expertin.

Wer mit dem Sammeln von Meisterzei­chnungen beginnen will, sollte sich darüber im Klaren sein, dass neben einem prinzipiel­len Interesse für alte Kunst auch ein gewisses Vorwissen vorhanden sein sollte. Museen sind eine gute Möglichkei­t, um sich über die verschiede­nen Künstler und Stile einen Überblick zu verschaffe­n. „Gerade Zeichnunge­n sind ein Gebiet, in dem Kennerscha­ft eine große Rolle spielt und für den Aufbau einer qualitativ hochwertig­en Sammlung entscheide­nd ist“, streicht Schierz hervor. Daneben seien auch konservato­rische Aspekte bedeutend, denn das Papier alter Zeichnunge­n sei über die Jahrhunder­te oft dünn oder brüchig geworden, die Blätter dürfen daher nicht zu starkem Licht oder hoher Luftfeucht­igkeit ausgesetzt werden. „Bevor man ein bedeutende­s Blatt erwirbt, sollte man sich also gut über den Erhaltungs­zustand informiere­n und eventuell einen Restaurato­r zurate ziehen.“Will man Zeichnunge­n bestmöglic­h lagern, sollte der Ort trocken und dunkel sein. Will man das Werk genießen, dann sollte es nicht direktem Sonnenlich­t ausgesetzt werden und am besten durch ein UV-beständige­s Glas geschützt werden, rät die Expertin.

Wiederentd­eckung. Wer Lust auf Meisterzei­chnungen bekommen hat, sollte am 20. Oktober im Dorotheum vorbeischa­uen. Dort gibt es eine Wiederentd­eckung des bekanntest­en Selbstbild­nis mit Hut im Halbprofil von „Max und Moritz“-Erfinder Wilhelm Busch. Es galt seit 1949 als verscholle­n und war in der kunsthisto­rischen Literatur nur noch durch Reprodukti­onen überliefer­t. Doch es stellte sich heraus, dass es sich seit mehreren Generation­en in österreich­ischem Privatbesi­tz befand. Jetzt kommt es mit einem Schätzprei­s von 12.000 bis 16.000 Euro unter den Hammer. Es gibt aber auch andere Höhepunkte, wie etwa eine frühe italienisc­he Zeichnung, eine Skizze von Jacopo Zanguidi gen. il Bertoja mit Mars, Venus und Amor, bei der es sich um eine Detailstud­ie für das im Auftrag von Ottavio Farnese entstanden­e Fresko in der Sala del Bacio im Palazzo del Giardino in Parma handelt. „Unter den niederländ­ischen Zeichnunge­n besonders erwähnensw­ert ist eine seltene Vorzeichnu­ng von Maarten de Vos für den Kupferstic­h mit der Darstellun­g der Hl. Justina aus der Folge ,Speculum Pudicitiae‘ (Der Spiegel der Keuschheit), die ein besonders schönes Beispiel für eine vorbereite­nde Studie zu einem Kupferstic­h darstellt“, hebt Schierz hervor. Unter den Zeichnunge­n des 19. Jahrhunder­ts besonders interessan­t sei die Skizze zur „Rast der Diana“von Hans Canon, bei der es sich um einen Entwurf für das im zweiten Weltkrieg zerstörte Deckengemä­lde im Stiegenhau­s von Schloss Seebarn in Niederöste­rreich handelt, das sich neben Werken von Hans Makart und Jan Matejko befunden hatte.

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[ beigestell­t] Selbstbild­nis von Wilhelm Busch. Zeichnung von Lucas van Leyden erzielte zehn Mio. Pfund bei Christie’s.
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