Selbst kochen und sporteln an der frischen Luft
Trends. Was von Corona übrig bleibt und womit Entwickler bei neuen Projekten planen.
Die ersten Sieger standen schnell fest: Noch während des Lockdowns erlebten hochwertige Küchen einen Boom, weil viele endlich die Zeit und Muße fanden, die eigene Traumküche online zu planen und zu bestellen. Und gleich nach dem Ende der Ausgangssperren hatten die Gärtner der Republik Hochsaison und jede Menge Kunden, die angesichts der reduzierten oder abgesagten Sommerurlaubspläne das perfekte Grün und vielleicht noch einen Pool für den Urlaub in Gardenien haben wollten.
Weitblick und Freiluft
Die Makler konnten schwerlich so viele Wohnungen mit Balkon und Freiflächen ausfindig machen wie gesucht wurden, und die Innenarchitekten erreichten jede Menge Anfragen nach klug integrierten Home-Offices und Home-Schooltauglichen Kinderzimmern.
Welche Trends langfristig Bestand haben werden, ist natürlich mit einem gewissen Glaskugellesen verbunden – allerdings einem, das die Entwickler im Baubereich intensiv betreiben müssen. Denn was jetzt entschieden wird, wird erst dann fertiggestellt werden, wenn das Virus hoffentlich längst keine dominierende Rolle im Alltag mehr spielt – aber sicherlich auch nicht völlig vergessen sein wird.
Einige Trends werden sich weiter fortsetzen, ist Zukunftsforscherin Oona Strathern-Horx überzeugt. „Dazu gehört neben dem Home-Office der neue Balkonboom“, erklärt sie. Denn dieser sorge nicht nur für zusätzlichen physischen Freiraum, sondern auch für ein Gefühl von Freiheit. Ähnliches stellt Buwog-Geschäftsführer Andreas Holler bei der Nachfrage nach den oberen Etagen in Hochhäusern wie etwa dem Marina-Tower fest. „Dort haben wir bereits 70 Prozent der Wohnungen verkauft, und eine wachsende Rolle spielt dabei der Weitblick, der das Gefühl vermittelt, nicht eingesperrt zu sein.“
Eine deutlich größere Rolle werde künftig sicherlich die Gesundheit spielen, sind die Experten einig. Und das in ganz unterschiedlichen Bereichen. „In Asien und Australien sehen wir bereits, dass die Definition von Luxus in Richtung Gesundheit geht, etwa was Luft- oder Wasserreinigungssysteme angeht“, berichtet HorxStrathern.
Statussymbol Gesundheit
Solche Anlagen seien wichtige Verkaufsargumente bei hochwertigen Immobilien, das Schlagwort dafür laute „Health is the new wealth“– „Gesundheit ist der neue Wohlstand“, so die Forscherin. Einen steigenden Bedarf in Sachen Gesundheit sieht Holler auch bei der Infrastruktur: „Einrichtungen wie ein Ärztezentrum oder eine Apotheke innerhalb einer Wohnanlage werden definitiv immer stärker zu Verkaufsargumenten“, stellt er fest. Das Thema Luftqualität hat bereits Einzug in die Planspiele der Buwog gehalten: „Wir haben überlegt, ob es sinnvoll ist, Geräte zu integrieren, die Räume mithilfe von Ozon virenfrei machen“, berichtet er. „Wir sind allerdings zu dem Schluss gekommen, dass das derzeit eher für den gewerblichen Bereich interessant sein dürfte denn für Wohnimmobilien.“Sehr wohl ein Thema seien aber separat regulierbare Klimaanlagen, betont er. Diese seien zwar nicht kaufentscheidend, bei zwei gleichwertigen Objekten könne eine autarke Lösung aber durchaus den Ausschlag geben.
Ganz besonders genau hingeschaut wird bei den Entwicklern jetzt bei den sogenannten „Third Place Living“-Elementen. Darunter versteht man die Erweiterung des privaten Wohnraums durch öffentliche Orte innerhalb der Hausanlage. Im Premium-Segment gehören dazu etwa Angebote wie ein Weinkeller mit Verkostungsbereich, ein Privatkino, ein Meetingraum oder eine Outdoor-Küche
auf der Dachterrasse, die fallweise dazugemietet werden können, genau wie Fitness- und Wellnessbereiche oder ein Gemeinschaftspool im Garten.
Trendwende in Sicht
Bis Anfang des Jahres galten solche Annehmlichkeiten noch als Supertrend, mit dem in Zeiten urbaner Verdichtung das Prinzip des Teilens wieder neu und trotzdem luxuriös erfunden wurde. Fast kein neues Premiumprojekt kam ohne entsprechende Angebote aus.
„Bei einigen dieser Angebote gibt es inzwischen durchaus eine Trendwende“, berichtet Sandra Bauernfeind, Geschäftsführende Gesellschafterin von EHL Wohnen. „Manche denken bereits darüber nach, ob ein Gemeinschaftspool im Garten für künftige Projekte noch sinnvoll ist oder ob man diese Luxus-Goodies wieder reduzieren sollte.“Auch Holler kennt diese Überlegungen, sieht aber vor allem in der Abwicklung den Schlüssel zum Erfolg.
„Gerade wenn es wieder einmal zu einem Lockdown kommen sollte, sind die Bewohner froh, wenn es einen Fitnessbereich in TRENDS Noch ist zwar Corona tonangebend, was jetzt geplant wird, wird aber erst nach der Pandemie bezugsfertig sein. Entsprechend müssen die Entwickler schon jetzt erahnen, was in ein paar Jahren (noch) gefragt ist. Klare
Favoriten sind dabei Freiräume aller Art, bei Einrichtungen wie dem Fitnesscenter oder Gemeinschaftspool im Garten findet derzeit aber ein Umdenken statt. Im Raum stehen entweder Reduktionen und/oder neue Formen. der eigenen Anlage gibt, bei der man weiß, wer sie nutzt und wie sie gereinigt wird“, ist er überzeugt. Allerdings seien dabei die Hausverwaltungen gefordert, entsprechende Nutzungs- und Reinigungspläne zu erstellen. Aber auch die Kreativität der Entwickler ist gefragt: „Wir haben beispielsweise bei zwei Projekten jetzt einen Freiluft-Fitness-Parcours im Garten installiert“, nennt er Beispiele für neue Wege in der Projektentwicklung.
Authentizität statt Glamour
In den privaten Räumen sieht Horx-Strathern vor allem eine Entwicklung hin zu authentischeren Szenarien. „Da verliert beispielsweise die sogenannte Show-Küche signifikant an Bedeutung“, berichtet sie. Statt der schönen Küche, in der man Gästen das serviert, was hinter den Kulissen ein CateringService anrichtet oder der Koch des Hauses in der sogenannten Butler-Küche zubereitet, seien immer stärker echte Küchen gefragt, in denen das, was auf den Tisch kommt, auch wirklich gekocht oder gebacken wird.
Überhaupt gehe der Trend zu nachhaltigeren, wertigeren und langlebigeren Möbeln und Materialien, die dem Cradle-to-CradlePrinzip Rechnung tragen und immer stärker zu neuen Statussymbolen avancieren.
Ganz im Gegensatz zu Glitzer und Glamour, die ohnehin schon auf dem eher absteigenden Ast waren, durch Corona aber noch einmal deutlich an Bedeutung verloren haben. „Denn vor wem will man denn jetzt damit noch angeben?“, bringt Horx-Strathern es auf den Punkt. (sma)