Wer verhindert die Rettung der Exporteure?
Handel. Im Juli versprach Österreich, Firmen das Ausfallsrisiko im Exportgeschäft abzunehmen. Doch die Versicherer stimmen dem Pakt nicht zu. Die Exporteure fürchten ein „Pleiten-Domino“.
Wien. Am Freitag wurde wieder einmal kräftig gerettet. 300 Millionen Euro schwer soll der Schutzschirm für die Event-Branche sein. Österreichs Exporteure haben ihre Rettung eigentlich schon hinter sich. Bereits Anfang Juli verkündeten Regierung und Kammer die Einigung über einen milliardenschweren Schutzschirm für die Exportbranche. Staat und Kreditversicherer wollten gemeinsam einspringen, wenn Exporteure aufgrund der Krise auf offenen Rechnungen sitzen bleiben sollten. Doch die Realität sieht anders aus. Wie „Die Presse“erfahren hat, steht der Deal bis heute nicht. Für die betroffenen Betriebe wird es eng.
Damit Unternehmen ihre Produkte halbwegs sorgenfrei über die Grenze verkaufen können, lagern sie das Risiko des Zahlungsausfalls ihrer Kunden üblicherweise an Kreditversicherer aus. Doch wie „Die Presse“berichtete, haben diese nach dem Lockdown im Frühjahr die Reißleine gezogen und die Haftungslimits radikal gekürzt. Viele Firmen stehen seither vor der unangenehmen Situation, dass sie zwar Aufträge bekämen, diese aber ablehnen müssen, weil niemand das Geschäft versichern will.
Lösung erst ab nächstem Jahr?
Entsprechend groß war die Erleichterung, als zu Sommerbeginn der staatliche Schutzschirm für die Kreditversicherer finalisiert wurde. Andere Exportnationen wie etwa Deutschland hatten ähnliche Konstruktionen zwar bereits im April auf die Beine gestellt, aber immerhin. Wie die Bundesrepublik erklärte sich Österreich bereit, 85 Prozent der Haftungsausfälle (maximal 850 Mio. Euro) zu übernehmen. Die privaten Kreditversicherer wären auf den restlichen 15 Prozent des „Milliarden-Schutzschirms“und auf allen weiteren Forderungen sitzen geblieben. Im Gegenzug sollten sie 45 Prozent der Prämien an den Staat abgeben.
„Das ist eine gute Lösung“, sagte Franz Maier, Geschäftsführer des Kreditversicherers Atradius und Chefverhandler der Branche, damals zur „Presse“. Doch seither zieren sich die Versicherungen, den Pakt auch zu unterzeichnen. Die Verträge müssten „überarbeitet“werden, sagt Maier heute. „Die Kreditversicherer bremsen nicht“, aber die Vorlage aus Deutschland lasse sich „nicht eins zu eins auf Österreich umlegen“.
Das sehen nicht alle so. Das zuständige Finanzministerium will die Causa auf Anfrage nicht kommentieren. Bereits vor Wochen ließ das Ressort jedoch wissen, dass die Verträge finalisiert seien und nur die „Zustimmung der Gremien der Kreditversicherer“fehle.
Branchenkenner glauben auch zu wissen, warum das Interesse der Versicherer geschwunden ist: Hintergrund seien die Erfahrungen aus Deutschland. Dort blieben die befürchteten Haftungsausfälle bis dato nämlich aus. Die Versicherer teilten also brav ihre Prämien mit dem Staat, hatten bisher aber nichts davon. Das sei nicht der Grund für die Verzögerung, betont Franz Maier. Aber auch er gibt unumwunden zu, was die Versicherer nun eigentlich wollen: „Die beste Lösung wäre ein funktionierender Schutzschirm ab dem Jahr 2021“, sagt er.
35 Prozent mehr Insolvenzen
Diese Ansicht stößt allerdings bei seinen Kunden, den Exportunternehmen, auf breites Unverständnis. „Wir haben uns darauf verlassen, dass diese Ankündigung auch umgesetzt wird“, sagt Stefan Greimel vom Autozulieferer Tribotecc. Sein Unternehmen sei zwar stabil, aber das gelte nicht für alle in der Branche. Für viele könnte eine Hilfe 2021 nicht mehr ausreichen, so auch der Tenor unter den übrigen von der „Presse“kontaktierten Betrieben. „Eine Einigung ist dringend angebracht“, sagt etwa Marco Huter, Geschäftsführer bei KLH Massivholz. Dass die Versicherer keine großen Ausfälle zu verkraften hatten, liege daran, „dass starke Firmen wie KLH das Risiko für sie übernommen, aber auch viel Geschäft abgesagt haben“.
Auch die Verschleppung der Insolvenzen bereitet den Firmenchefs Sorgen. Der Kreditversicherer Euler Hermes erwartet für 2020 und 2021 einen Anstieg der weltweiten Insolvenzen um insgesamt 35 Prozent. Sobald die ersten großen Kunden fallen, könne es einen „Domino-Effekt geben, wie damals bei der Finanzkrise“, warnt Stefan Greimel. Der Schutzschirm müsse jetzt stehen, sonst komme er für viele Unternehmen zu spät.