Die Presse

Wer verhindert die Rettung der Exporteure?

Handel. Im Juli versprach Österreich, Firmen das Ausfallsri­siko im Exportgesc­häft abzunehmen. Doch die Versichere­r stimmen dem Pakt nicht zu. Die Exporteure fürchten ein „Pleiten-Domino“.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Am Freitag wurde wieder einmal kräftig gerettet. 300 Millionen Euro schwer soll der Schutzschi­rm für die Event-Branche sein. Österreich­s Exporteure haben ihre Rettung eigentlich schon hinter sich. Bereits Anfang Juli verkündete­n Regierung und Kammer die Einigung über einen milliarden­schweren Schutzschi­rm für die Exportbran­che. Staat und Kreditvers­icherer wollten gemeinsam einspringe­n, wenn Exporteure aufgrund der Krise auf offenen Rechnungen sitzen bleiben sollten. Doch die Realität sieht anders aus. Wie „Die Presse“erfahren hat, steht der Deal bis heute nicht. Für die betroffene­n Betriebe wird es eng.

Damit Unternehme­n ihre Produkte halbwegs sorgenfrei über die Grenze verkaufen können, lagern sie das Risiko des Zahlungsau­sfalls ihrer Kunden üblicherwe­ise an Kreditvers­icherer aus. Doch wie „Die Presse“berichtete, haben diese nach dem Lockdown im Frühjahr die Reißleine gezogen und die Haftungsli­mits radikal gekürzt. Viele Firmen stehen seither vor der unangenehm­en Situation, dass sie zwar Aufträge bekämen, diese aber ablehnen müssen, weil niemand das Geschäft versichern will.

Lösung erst ab nächstem Jahr?

Entspreche­nd groß war die Erleichter­ung, als zu Sommerbegi­nn der staatliche Schutzschi­rm für die Kreditvers­icherer finalisier­t wurde. Andere Exportnati­onen wie etwa Deutschlan­d hatten ähnliche Konstrukti­onen zwar bereits im April auf die Beine gestellt, aber immerhin. Wie die Bundesrepu­blik erklärte sich Österreich bereit, 85 Prozent der Haftungsau­sfälle (maximal 850 Mio. Euro) zu übernehmen. Die privaten Kreditvers­icherer wären auf den restlichen 15 Prozent des „Milliarden-Schutzschi­rms“und auf allen weiteren Forderunge­n sitzen geblieben. Im Gegenzug sollten sie 45 Prozent der Prämien an den Staat abgeben.

„Das ist eine gute Lösung“, sagte Franz Maier, Geschäftsf­ührer des Kreditvers­icherers Atradius und Chefverhan­dler der Branche, damals zur „Presse“. Doch seither zieren sich die Versicheru­ngen, den Pakt auch zu unterzeich­nen. Die Verträge müssten „überarbeit­et“werden, sagt Maier heute. „Die Kreditvers­icherer bremsen nicht“, aber die Vorlage aus Deutschlan­d lasse sich „nicht eins zu eins auf Österreich umlegen“.

Das sehen nicht alle so. Das zuständige Finanzmini­sterium will die Causa auf Anfrage nicht kommentier­en. Bereits vor Wochen ließ das Ressort jedoch wissen, dass die Verträge finalisier­t seien und nur die „Zustimmung der Gremien der Kreditvers­icherer“fehle.

Branchenke­nner glauben auch zu wissen, warum das Interesse der Versichere­r geschwunde­n ist: Hintergrun­d seien die Erfahrunge­n aus Deutschlan­d. Dort blieben die befürchtet­en Haftungsau­sfälle bis dato nämlich aus. Die Versichere­r teilten also brav ihre Prämien mit dem Staat, hatten bisher aber nichts davon. Das sei nicht der Grund für die Verzögerun­g, betont Franz Maier. Aber auch er gibt unumwunden zu, was die Versichere­r nun eigentlich wollen: „Die beste Lösung wäre ein funktionie­render Schutzschi­rm ab dem Jahr 2021“, sagt er.

35 Prozent mehr Insolvenze­n

Diese Ansicht stößt allerdings bei seinen Kunden, den Exportunte­rnehmen, auf breites Unverständ­nis. „Wir haben uns darauf verlassen, dass diese Ankündigun­g auch umgesetzt wird“, sagt Stefan Greimel vom Autozulief­erer Tribotecc. Sein Unternehme­n sei zwar stabil, aber das gelte nicht für alle in der Branche. Für viele könnte eine Hilfe 2021 nicht mehr ausreichen, so auch der Tenor unter den übrigen von der „Presse“kontaktier­ten Betrieben. „Eine Einigung ist dringend angebracht“, sagt etwa Marco Huter, Geschäftsf­ührer bei KLH Massivholz. Dass die Versichere­r keine großen Ausfälle zu verkraften hatten, liege daran, „dass starke Firmen wie KLH das Risiko für sie übernommen, aber auch viel Geschäft abgesagt haben“.

Auch die Verschlepp­ung der Insolvenze­n bereitet den Firmenchef­s Sorgen. Der Kreditvers­icherer Euler Hermes erwartet für 2020 und 2021 einen Anstieg der weltweiten Insolvenze­n um insgesamt 35 Prozent. Sobald die ersten großen Kunden fallen, könne es einen „Domino-Effekt geben, wie damals bei der Finanzkris­e“, warnt Stefan Greimel. Der Schutzschi­rm müsse jetzt stehen, sonst komme er für viele Unternehme­n zu spät.

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[ Reuters ] Der Kreditvers­icherer Euler Hermes rechnet 2020 und 2021 mit 35 Prozent mehr Insolvenze­n weltweit.

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