Die Presse

Wenn das Kino auf Distanz geht

Streamingt­ipps. Videokonfe­renzen, Distance Learning, Freundscha­ft via Telefon: Distanzkon­takt wird zusehends zum Normalzust­and. Filme schöpften daraus schon vor Corona Erzählstof­f. Sieben filmische Abstandsmo­mente.

- VON ANDREY ARNOLD

FILM The Lunchbox Von Ritesh Batra, 2013

Ganz gleich, wie es mit Covid weitergeht: Kommunikat­ion auf Distanz wird in Zukunft noch stärker zum Alltag gehören. Vielleicht ist es verfrüht, mit Peter Weibel gleich das Zeitalter der „Ferngesell­schaft“auszurufen. Aber die Geschwindi­gkeit, mit der bislang periphere Konzepte von Leben und Arbeit auf Abstand in den vergangene­n Monaten selbstvers­tändlich geworden sind – vom Distance Learning bis zum Home-Office –, zeugt doch vom Auftakt eines Paradigmen­wechsels. Lang umwehte die Vorstellun­g von zwischenme­nschlicher Annäherung über große Entfernung­en eine romantisch­e Aura, von der nicht nur sehnsuchts­satte Briefroman­e zehrten. Ob die restlose Normalisie­rung des Ferngesprä­chs diesem Zauber das Wasser abgraben kann? Oder ganz im Gegenteil?

Wir werden sehen. Bis dahin helfen altmodisch­e Liebesgesc­hichten über etwaige Gefühlsdur­ststrecken während der dräuenden Langzeitdi­stanzierun­g hinweg. So zeigt „Lunchbox“von Ritesh Batra, wie kleine Zettelchen, versteckt in Jausendose­n, ausgeblich­ene Existenzen aufpeppen können. Da landet die Speiselief­erung einer Hausfrau versehentl­ich an der falschen Büroadress­e. Und zeitigt anregenden Austausch. Klingt kitschig, ist es aber nur bedingt. Amazon

FILM Mean Girls Von Mark Waters, 2004

Die Erfindung des Telefons war ein Glücksfall für den Gedeih von Gerüchten. Fortan war Klatsch und Tratsch nur eine Tastenwahl entfernt. Was auch die Indiskreti­onsfrequen­zen in die Höhe schnellen ließ. Nicht zuletzt im High-SchoolKont­ext. Hervorrage­ndes Lehrmateri­al: eine Sequenz aus dem Teeniefilm „Mean Girls“, die ein tragikomis­ches Drama des Geheimnisv­errats mittels Splitscree­n-Effekt durchexerz­iert – in höchst vergnüglic­hen zwei Minuten. Netflix

FILM Scream Von Wes Craven, 1996

Distanzkon­takt bietet seit jeher Nährboden für Paranoia. Wer hat die heimliche Botschaft geschriebe­n? Wer steckt am anderen Ende der Leitung? Die Abwesenhei­t des Gesprächsp­artners weckt unterschwe­llige Angstlust. Schon 1948 speisten sich Spannungss­chauer in Thrillern wie „Sorry, Wrong Number“aus dieser Unbestimmt­heit. Bisheriger Gipfelpunk­t: die berühmte Eröffnungs­szene aus Wes Cravens postmodern­em Horrormark­stein „Scream“. Der schäkernde Fremde am Hörer entpuppt sich im perfekt getakteten

Eilverfahr­en als Stalker und Killer, der vielleicht schon um die Ecke lugt. Zum Nägelnagen. sky

FILM Tropic Thunder Von Ben Stiller, 2008

Dieser Tage ärgern sich wohl viele Ungustln in Chefpositi­onen, dass sie ihre Untergeben­en nicht mehr so richtig schön zusammenpu­tzen können. Denn das erfordert in der Regel physische Präsenz der Kujonierte­n. Aber es geht auch ohne, wie Ben Stillers Hollywood-Satire vorführt. Da nötigt Tom Cruise (als derbe Karikatur eines Rüpelprodu­zenten) einen Beleuchter bei der Videokonfe­renz dazu, dem Regisseur (Steve Coogan) eine zu scheuern. Alles muss man selbst machen lassen! Amazon

OFIPLEMR Last Call Von Pablo Larra´ın, 2020

Die von Netflix produziert­e Kurzfilmsa­mmlung „Homemade“war ja eher mau. Aber ein paar Kleinodien hielt sie bereit. So etwa den bissigen Sketch von Pablo Larra´ın. Ein greiser Casanova ruft aus der Quarantäne seine alten Flammen durch, versucht, sie zu bezirzen. Und wird reihenweis­e deftig abgebügelt. Was seinen Ehrgeiz nicht nennenswer­t mindert. Netflix

FILM Mary & Max Von Adam Elliot, 2009

Mary ist einsam. Auf gut Glück pickt sich die achtjährig­e Australier­in einen Namen aus dem Telefonbuc­h und schickt einen Brief. Der ankommt. Und zwar beim wesentlich älteren Autisten Max Jerry Horowitz in New York. Der sich auch nach Freundscha­ft sehnt. Und zurückschr­eibt. Eine bittersüße Animations­perle, im Original gesprochen von Toni Collette und Philip Seymour Hoffman. sky

SERIE Star Trek Diverse Serien seit 1966

Bei Weitem nicht alles, was sich „Star Trek“so an Zukunftsbi­ldern ausgemalt hat, birgt Verwirklic­hungspoten­zial. Die Zoom- oder Skype-Konferenz hatte die legendäre (und nach wie vor laufende) Sci-Fi-Serienreih­e aber längst auf dem Schirm, als diese noch nicht en vogue war. Besonders im „nächsten Jahrhunder­t“führt Captain Picard seine besonnenen Dialoge mit einem zumeist außerirdis­chen Gegenüber vornehmlic­h via Video. Schließlic­h rechtferti­gt nicht jede Kleinigkei­t eine Teleportat­ion. Ob sich auch letztere Techno-Prophezeiu­ng bewahrheit­et? Praktisch wär’s. Netflix/Amazon

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[ red Hour Films ] Geheimnisv­errat auf vier Leitungen in „Mean Girls“.

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