Die Presse

System Gästeliste macht Schule

Registrier­pflicht. In Wien müssen sich Gäste, ob im Burgerloka­l oder Beisl, ab Montag registrier­en, und weitere Bundesländ­er ziehen nach. Was das bringt – und wer Strafe zahlt.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Seit am Donnerstag bekannt wurde, dass in Wiener Lokalen Gäste ab Montag ihre Daten hinterlass­en müssen, ist die Wiener Gastroszen­e in Aufruhr: Was genau müssen Wirte abfragen, speichern und in welcher Form Behörden übergeben? Was, wenn nun nur noch Witzbolde namens Mickey Mouse und Donald Trump kommen?

Wer ist strafbar? Gilt die Registrier­pflicht beim schnellen Espresso, beim Stehachter­l oder wenn man ein Mittagesse­n zum Mitnehmen holt? Diese Fragen sind nicht nur in Wien offen, das System macht Schule, es dürfte demnächst auch in Niederöste­rreich und Salzburg eingeführt werden.

1 Was genau gilt ab Montag in Wien für Gäste und Gastronome­n?

Seit Freitagnac­hmittag liegt die Verordnung zur Registrier­pflicht vor: Diese gilt für sämtliche Gastrobetr­iebe, wenn dort am Tisch konsumiert wird. Take-away, ob beim Bäcker oder im Fastfood-Lokal, ist ausgenomme­n. Sobald man aber dort an einem Tisch isst oder trinkt (selbst wenn man nur wartet, bis die Pizza zum Abholen fertig ist), muss man sich registrier­en. Die Registrier­pflicht gilt im Haubenloka­l ebenso wie im kleinsten „Tschocherl“, selbst wenn man nur ein Achterl trinkt (im Sitzen, Konsumatio­n im Stehen ist derzeit ohnedies nicht erlaubt).

Ein Gast muss Name, Telefonnum­mer und E-Mail-Adresse bekannt geben, der Wirt muss Uhrzeit und Tischnumme­r vermerken. In welcher Form – ob vom Gast in Einzelblät­ter eingetrage­n, vom Kellner in einer ExcelListe vermerkt oder via App gespeicher­t – ist der Stadt egal, heißt es aus dem Büro von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ). Allerdings wird ein Formblatt zum Download bereitgest­ellt und es sollen keine Listen verwendet werden, auf denen ein Gast die Daten anderer einsehen kann. Der Wirt muss auf Anfrage der Behörde jedenfalls Daten bereitstel­len können, sonst drohen Geldstrafe­n nach dem Epidemiege­setz. Die drohen auch, wenn ein Wirt nur offensicht­liche Falschanga­ben vorlegen kann.

Gegen Gäste, die falsche Angaben machen, gibt es keine Handhabe, auch müssen Wirte keine Ausweise kontrollie­ren. Man hoffe aber, dass Gäste kooperativ sind – sei eine rasche Kontaktver­folgung im Fall von Infektione­n ja vor allem in deren Interesse, heißt es aus dem Rathaus. Und Wirte ersparen sich so etwaige öffentlich­e Aufrufe nach Infektions­fällen. Die Daten müssen vier Wochen gespeicher­t und dann vernichtet werden. Die Verordnung gilt bis Jahresende.

2 Auch Niederöste­rreich will nachziehen – wie stehen die übrigen Bundesländ­er dazu?

Auch Niederöste­rreich plant demnächst die Einführung der Registrier­ung, das kündigte Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag an. Die Wirtschaft­skammer NÖ soll in den kommenden Tagen Vorgaben ausgeben, die möglichst in Abstimmung mit Wien umgesetzt werden sollen. Auch in Salzburg wird voraussich­tlich eine Registrier­pflicht kommen, binnen weniger Tage soll es eine Verordnung geben, hieß es am Freitag. In Kärnten könnte das, sofern die Infektions­zahlen dort steigen, ein Thema werden. Auch in Tirol zeigt man sich abwartend, grundsätzl­ich sei das aber laut Land denkbar. In der Steiermark und im Burgenland will man dem Wiener Modell vorerst nicht folgen. In Oberösterr­eich wurde im Sommer eine freiwillig­e Gästeregis­trierung eingeführt, dabei will man bleiben – auch wenn fraglich ist, wie oft tatsächlic­h Daten aufgenomme­n werden. Auch Vorarlberg behält sich die Registrier­pflicht als eventuelle­n weiteren Schritt vor, erst will man abwarten, wie sich die frühere Sperrstund­e auswirkt.

3 In Bayern gilt seit Monaten eine Registrier­pflicht. Was lässt sich daraus lernen?

In Bayern wurden den Sommer über Gästeliste­n geführt. War zunächst die Skepsis groß, ist man nun vom Erfolg überzeugt: „Wir haben sehr gute Erfahrunge­n gemacht, dass die Registrier­ung einen enormen Zeitgewinn gebracht hat, lokale Fallhäufun­gen konnten rasch eingedämmt werden“, sagt Frank-Ulrich John, der Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Gaststätte­nverbands Dehoga. Auch Gastronome­n seien mittlerwei­le überzeugt, auch weil ihnen eine rasche Kontaktver­folgung ein Weiterarbe­iten nach Infektions­fällen möglich mache. Liegen keine Daten vor, müssten Lokale mitunter länger schließen, so John. Auch wenn das Problem mit falschen Daten weiter bestehe – im Fall einer Supersprea­derin, die in Garmisch-Partenkirc­hen eine Lokaltour gemacht hatte, stellte sich heraus, dass bis zu 70 Prozent der Gästeangab­en falsch waren, so John.

App oder Zettelwirt­schaft: Können digitale Systeme eine Lösung sein?

Er berichtet aus Bayern auch von guten Erfahrunge­n mit App-Systemen – darauf setzt man auch in Österreich: So bewirbt etwa die Österreich­ische Hotelierve­reinigung ÖHV das auch in Bayern verbreitet­e System Darfichrei­n.at: Dabei registrier­en sich Wirte und Gäste auf einer Plattform, der Wirt stellt einen QR-Code auf, den der Gast beim Betreten des Lokals scannt, damit werden die Daten übermittel­t und verschlüss­elt gespeicher­t. Im Coronafall werden die Daten den Behörden übermittel­t, damit ersparen sich Gast und Wirt eine Zettelwirt­schaft, heißt es von der ÖHV. Auch die Gastronome­n in der Wirtschaft­skammer hätten gern eine Digitallös­ung, im Idealfall eine, die von Behörden bereitgest­ellt wird. Im Wiener Rathaus sieht man sich dafür nicht zuständig, an sich sei eine Registrier­ung via App aber zulässig.

Unumstritt­en sind auch Digitallös­ungen nicht: So gelang es etwa dem deutschen Chaos Computer Club (CCC) ein cloudbasie­rtes System zu hacken und Zugriff auf die Gästedaten zu bekommen. Und erst jüngst berichtete der CCC von Schwachste­llen bei weiteren digitalen Coronalist­en.

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[ Clemens Fabry ] An Bars zu stehen und zu trinken ist derzeit ohnehin nicht erlaubt – und wer am Tisch isst oder trinkt, muss ab Montag in Wien Kontaktdat­en hinterlass­en.

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