System Gästeliste macht Schule
Registrierpflicht. In Wien müssen sich Gäste, ob im Burgerlokal oder Beisl, ab Montag registrieren, und weitere Bundesländer ziehen nach. Was das bringt – und wer Strafe zahlt.
Wien. Seit am Donnerstag bekannt wurde, dass in Wiener Lokalen Gäste ab Montag ihre Daten hinterlassen müssen, ist die Wiener Gastroszene in Aufruhr: Was genau müssen Wirte abfragen, speichern und in welcher Form Behörden übergeben? Was, wenn nun nur noch Witzbolde namens Mickey Mouse und Donald Trump kommen?
Wer ist strafbar? Gilt die Registrierpflicht beim schnellen Espresso, beim Stehachterl oder wenn man ein Mittagessen zum Mitnehmen holt? Diese Fragen sind nicht nur in Wien offen, das System macht Schule, es dürfte demnächst auch in Niederösterreich und Salzburg eingeführt werden.
1 Was genau gilt ab Montag in Wien für Gäste und Gastronomen?
Seit Freitagnachmittag liegt die Verordnung zur Registrierpflicht vor: Diese gilt für sämtliche Gastrobetriebe, wenn dort am Tisch konsumiert wird. Take-away, ob beim Bäcker oder im Fastfood-Lokal, ist ausgenommen. Sobald man aber dort an einem Tisch isst oder trinkt (selbst wenn man nur wartet, bis die Pizza zum Abholen fertig ist), muss man sich registrieren. Die Registrierpflicht gilt im Haubenlokal ebenso wie im kleinsten „Tschocherl“, selbst wenn man nur ein Achterl trinkt (im Sitzen, Konsumation im Stehen ist derzeit ohnedies nicht erlaubt).
Ein Gast muss Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse bekannt geben, der Wirt muss Uhrzeit und Tischnummer vermerken. In welcher Form – ob vom Gast in Einzelblätter eingetragen, vom Kellner in einer ExcelListe vermerkt oder via App gespeichert – ist der Stadt egal, heißt es aus dem Büro von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ). Allerdings wird ein Formblatt zum Download bereitgestellt und es sollen keine Listen verwendet werden, auf denen ein Gast die Daten anderer einsehen kann. Der Wirt muss auf Anfrage der Behörde jedenfalls Daten bereitstellen können, sonst drohen Geldstrafen nach dem Epidemiegesetz. Die drohen auch, wenn ein Wirt nur offensichtliche Falschangaben vorlegen kann.
Gegen Gäste, die falsche Angaben machen, gibt es keine Handhabe, auch müssen Wirte keine Ausweise kontrollieren. Man hoffe aber, dass Gäste kooperativ sind – sei eine rasche Kontaktverfolgung im Fall von Infektionen ja vor allem in deren Interesse, heißt es aus dem Rathaus. Und Wirte ersparen sich so etwaige öffentliche Aufrufe nach Infektionsfällen. Die Daten müssen vier Wochen gespeichert und dann vernichtet werden. Die Verordnung gilt bis Jahresende.
2 Auch Niederösterreich will nachziehen – wie stehen die übrigen Bundesländer dazu?
Auch Niederösterreich plant demnächst die Einführung der Registrierung, das kündigte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Freitag an. Die Wirtschaftskammer NÖ soll in den kommenden Tagen Vorgaben ausgeben, die möglichst in Abstimmung mit Wien umgesetzt werden sollen. Auch in Salzburg wird voraussichtlich eine Registrierpflicht kommen, binnen weniger Tage soll es eine Verordnung geben, hieß es am Freitag. In Kärnten könnte das, sofern die Infektionszahlen dort steigen, ein Thema werden. Auch in Tirol zeigt man sich abwartend, grundsätzlich sei das aber laut Land denkbar. In der Steiermark und im Burgenland will man dem Wiener Modell vorerst nicht folgen. In Oberösterreich wurde im Sommer eine freiwillige Gästeregistrierung eingeführt, dabei will man bleiben – auch wenn fraglich ist, wie oft tatsächlich Daten aufgenommen werden. Auch Vorarlberg behält sich die Registrierpflicht als eventuellen weiteren Schritt vor, erst will man abwarten, wie sich die frühere Sperrstunde auswirkt.
3 In Bayern gilt seit Monaten eine Registrierpflicht. Was lässt sich daraus lernen?
In Bayern wurden den Sommer über Gästelisten geführt. War zunächst die Skepsis groß, ist man nun vom Erfolg überzeugt: „Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, dass die Registrierung einen enormen Zeitgewinn gebracht hat, lokale Fallhäufungen konnten rasch eingedämmt werden“, sagt Frank-Ulrich John, der Geschäftsführer des Bayerischen Gaststättenverbands Dehoga. Auch Gastronomen seien mittlerweile überzeugt, auch weil ihnen eine rasche Kontaktverfolgung ein Weiterarbeiten nach Infektionsfällen möglich mache. Liegen keine Daten vor, müssten Lokale mitunter länger schließen, so John. Auch wenn das Problem mit falschen Daten weiter bestehe – im Fall einer Superspreaderin, die in Garmisch-Partenkirchen eine Lokaltour gemacht hatte, stellte sich heraus, dass bis zu 70 Prozent der Gästeangaben falsch waren, so John.
App oder Zettelwirtschaft: Können digitale Systeme eine Lösung sein?
Er berichtet aus Bayern auch von guten Erfahrungen mit App-Systemen – darauf setzt man auch in Österreich: So bewirbt etwa die Österreichische Hoteliervereinigung ÖHV das auch in Bayern verbreitete System Darfichrein.at: Dabei registrieren sich Wirte und Gäste auf einer Plattform, der Wirt stellt einen QR-Code auf, den der Gast beim Betreten des Lokals scannt, damit werden die Daten übermittelt und verschlüsselt gespeichert. Im Coronafall werden die Daten den Behörden übermittelt, damit ersparen sich Gast und Wirt eine Zettelwirtschaft, heißt es von der ÖHV. Auch die Gastronomen in der Wirtschaftskammer hätten gern eine Digitallösung, im Idealfall eine, die von Behörden bereitgestellt wird. Im Wiener Rathaus sieht man sich dafür nicht zuständig, an sich sei eine Registrierung via App aber zulässig.
Unumstritten sind auch Digitallösungen nicht: So gelang es etwa dem deutschen Chaos Computer Club (CCC) ein cloudbasiertes System zu hacken und Zugriff auf die Gästedaten zu bekommen. Und erst jüngst berichtete der CCC von Schwachstellen bei weiteren digitalen Coronalisten.