Die Presse

Senkt Home-Office die Produktivi­tät?

Arbeit. Laut Umfragen wird Arbeiten von zu Hause von Arbeitnehm­ern als effiziente­r empfunden. Empirische Studien zeichnen mitunter aber ein anderes Bild.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. Vor weniger als einem Jahr war HomeOffice für die meisten Arbeitnehm­er in Österreich noch etwas weitgehend Unbekannte­s. Seit Ausbruch der Coronapand­emie ist es für viele zumindest an einem Teil ihrer Arbeitstag­e jedoch zum Normalzust­and geworden. Und angesichts der wieder steigenden Infektions­zahlen wird von der Regierung auch wieder offen dafür geworben: Wenn möglich sollen Unternehme­n ihre Mitarbeite­r im Herbst und Winter von zu Hause arbeiten lassen.

Laut Zahlen von Eurostat arbeiteten im Vorjahr knapp 20 Prozent der Österreich­er zumindest gelegentli­ch im Home-Office. Heuer ist dieser Wert laut einer Erhebung der Universitä­t Wien aus dem Frühjahr auf rund 35 Prozent angestiege­n und lag zeitweise bei manchen Arbeitnehm­ergruppen – etwa jenen mit Hochschula­bschluss – sogar bei über 60 Prozent.

Weniger Fahrzeit, weniger Ablenkung

Von Unternehme­n und Arbeitnehm­ern wird über diese Veränderun­g in der Regel ein positives Resümee gezogen. Man sei überrascht, wie gut Home-Office funktionie­re. Und in Umfragen wie etwa einer des deutschen Instituts für Arbeitsmar­kt und Berufsfors­chung der Bundesagen­tur für Arbeit (IAB) erklären 55 Prozent der Befragten, dass sie daheim auch effiziente­r seien, weil etwa die Ablenkung durch Kollegen wegfalle. „Auch der Entfall von Fahrzeiten wird demnach für produktive Arbeit genützt“, sagt Stefanie Wolter, Forscherin beim IAB zur „Presse“.

Empirische Belege dafür waren bislang jedoch Mangelware. Die am häufigsten zitierte Studie zu dem Thema stammt aus dem Jahr 2013 aus China. Damals wurden von einem Online-Reisebüro mehrere Hundert Mitarbeite­r des Callcenter­s ins HomeOffice geschickt und die Leistung mit den im Büro Verblieben­en verglichen. Das Ergebnis: Aufgrund weniger Pausen und schnellere­r Arbeit stieg die Produktivi­tät im Schnitt um 13 Prozent.

Als das Unternehme­n nach Ablauf des Experiment­s allen Mitarbeite­rn freistellt­e, wo sie arbeiten wollen, kam es zu einer interessan­ten Entwicklun­g. Mehr als die Hälfte der Heimarbeit­er wechselte zurück ins Büro, dafür gingen andere, die das zuvor nicht durften, nun neu ins Home-Office. „Diese Selbstsele­ktion führte dazu, dass die Produktivi­tät schlussend­lich sogar um 22 Prozent anstieg“, so Wolter.

Ein nicht ganz so positives Bild zeichnet indes eine bisher unveröffen­tlichte Studie, die vom heimischen Marktforsc­hungsinsti­tut Kreutzer, Fischer und Partner 2017 für einen deutschen Chemiekonz­ern durchgefüh­rt wurde. Dabei wechselten etwa 1000 Mitarbeite­r wochenweis­e zwischen Büro und Home-Office. Ihre Arbeitslei­stung wurde dabei nach der Refa-Zeiterfass­ungsmethod­e gemessen.

Das Ergebnis war ein Produktivi­tätsverlus­t von durchschni­ttlich 27 Prozent. Je nach konkreter Arbeitsauf­gabe sank die Produktivi­tät zwischen acht und 41 Prozent. Entscheide­nd dafür war, wie autark jemand arbeiten konnte. „Jene, die gut allein arbeiten können wie etwa Controller, haben sich wesentlich leichter getan als jene, die darauf trainiert worden sind, im Team zu arbeiten“, sagt Studienaut­or Andreas Kreutzer. Bei Letzteren gab es aufgrund der physischen Trennung von den Kollegen höhere Produktivi­tätsverlus­te. „Die schnelle Abstimmung mit den Kollegen im Büro wurde durch das Home-Office mühsam und langsam.“Dies könne durch bessere technische

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Die Abstimmung mit Kollegen ist im Home-Office oft kompli-zierter und mühsamer. Das kann Reibungsve­rluste erzeugen.

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