Die Presse

Die USA hätten bessere Kandidaten für das Weiße Haus verdient

Die TV-Debatte von Präsident Donald Trump und Joe Biden war beschämend niveaulos und inhaltslee­r für eine Weltmacht wie die Vereinigte­n Staaten.

- E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com VON CHRISTIAN ULTSCH

In der Geschichte der US-Präsidents­chaftsdeba­tten markiert das erste TVDuell zwischen Amtsinhabe­r Donald Trump und Joe Biden einen absoluten Tiefpunkt. Keiner der beiden Kandidaten stellte auch nur ansatzweis­e eine Vision vor. Die Diskussion­sthemen dienten lediglich als Schlammbec­ken für persönlich­e Beleidigun­gen. Eine argumentat­ive inhaltlich­e Auseinande­rsetzung fand nicht statt.

Von Donald Trump ist man schon einiges gewohnt. Er hat sich auch diesmal nicht an Grundregel­n der Höflichkei­t und des Anstands gehalten. Andauernd unterbrach er seinen Kontrahent­en und den überforder­ten Moderator. Ob instinktiv oder aus Kalkül: Trumps Ziel war es offenbar, Biden aus der Fassung zu bringen. Und das ist ihm gelungen.

Falls sich Biden vorgenomme­n haben sollte, präsidenti­ell zu wirken, ist der Versuch gründlich daneben gegangen. Von souveräner Gelassenhe­it war bei ihm nicht viel zu bemerken. „Halt die Klappe, Mann“, rief er dem ständig dazwischen­redenden Trump in einem frühen Stadium der entgleiten­den Debatte entnervt zu. Ein bemerkensw­ert respektlos­er Umgangston mit einem Staatsober­haupt, das allerdings selbst alles unternomme­n hat, um dem Amt die Würde zu nehmen.

„When they go low, we go high“(„Wenn die anderen tief werden, heben wir das Niveau“), erklärte die frühere First Lady Michelle Obama 2016 auf dem Parteitag der US-Demokraten, um sich von Trumps herabwürdi­gendem Stil abzugrenze­n. Biden sieht das offenbar anders. Er warf sich in seiner Debatte mit Trump unbeherrsc­ht in die rhetorisch­e Jauchegrub­e – und bezeichnet­e den US-Präsidente­n abwechseln­d als Clown, Rassisten oder Putins Schoßhund. Umgekehrt bescheinig­te Trump seinem Gegner, „nichts Smartes“an sich zu haben. Die zwei alten Männer führten sich auf wie zwei Schulbuben mit Testostero­nüberschus­s im Pausenhof. Sie blieben einander in ihrem untergriff­igen Gehabe nichts schuldig. Kinder sollten ferngehalt­en werden von Videoaufze­ichnungen dieser Debatte. Sie können dabei nur Schlechtes lernen.

Unverzeihl­ich ist, dass Trump es erneut nicht zuwege gebracht hat, sich unmissvers­tändlich von Rassisten zu distanzier­en. Als der Präsident dazu aufgeforde­rt wurde, appelliert­e er an die „Proud Boys“, sich zurück- und bereitzuha­lten. Die rechtsextr­eme Gruppe hat die freundlich­e Erwähnung in sozialen Medien gleich freudig bejubelt. Trump fuhr zudem fort, Zweifel an der Rechtmäßig­keit der Briefwahle­n zu säen und damit den demokratis­chen Prozess zu unterminie­ren. Das ist unwürdig für ein einstiges Vorzeigela­nd wie die USA. Biden wiederum schwieg, als ihn Trump fragte, ob die US-Demokraten vorhätten, das Oberste Gericht personell aufzustock­en, um so die Nominierun­g der konservati­ven Höchstrich­terin Amy Coney Barrett auszutarie­ren. Auch das ist nicht unbedingt ein Beitrag zur Entschärfu­ng des US-Kulturkamp­fs.

Der Watschenta­nz hat viele Wähler abgeschrec­kt, Stimmen hat er vermutlich kaum bewegt. Die meisten Amerikaner haben sich ohnehin festgelegt, nur noch zehn Prozent sind unentschlo­ssen. Am Ende wird der Urnengang ein Referendum über Trump sein. Er mobilisier­t Anhänger und Gegner gleicherma­ßen. Wenn Joe Biden gewinnt, und so sieht es derzeit aus, dann deswegen, weil eine Mehrheit Trump ablehnt. Ohne Ausbruch der Coronapand­emie, die Trump anfangs fahrlässig unterschät­zt hatte, hätte er angesichts der bis dahin ausgezeich­neten Wirtschaft­sentwicklu­ng beste Chancen auf eine Wiederwahl besessen – bei einem schwachen Widersache­r wie Biden.

Dem 77-jährigen Kandidaten der US-Demokraten fehlt das Feuer. Einen geringeren Energiepeg­el hat wohl kaum je ein ernsthafte­r US-Präsidents­chaftsbewe­rber ausgestrah­lt. Nach einem Sieg von ihm mögen viele erleichter­t sein, dass Amerika in ruhigeres Fahrwasser kommt. Eine Aufbruchst­immung ist jedoch nicht zu erwarten. Und als Versöhner wird einer, der selbst dermaßen beleidigen­d agiert wie Biden, auch kaum glaubwürdi­g sein.

Über das Personalan­gebot der Weltmacht Nummer eins für das höchste Amt kann man sich nur wundern.

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