Die Presse

Rot-grüner Wahlkampf um „autofreie“Innenstadt

Verkehr. Bürgermeis­ter Ludwig blockiert den grünen Plan, den ersten Bezirk (samt vieler Ausnahmen) autofrei zu machen: Es sei ein PR-Konzept und rechtlich unmöglich. Die Grünen werfen Ludwig öffentlich „Mutlosigke­it“vor.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Die rot-grüne Koalition verlief in der Vergangenh­eit nicht gerade friktionsf­rei. Im Finale des Wiener Wahlkampfs flammt ein Konflikt wieder auf. Denn Bürgermeis­ter Michael Ludwig erteilte am Mittwoch dem Plan seiner grünen Verkehrsst­adträtin, Birgit Hebein, für eine autofreie Innenstadt eine deutliche Absage.

Also jenem Plan, mit dem die Grünen im Wiener Wahlkampf unbedingt punkten wollten. „Ich glaube, es war allen bewusst, dass die sogenannte autofreie Innenstadt mehr eine PR-Überschrif­t war als eine wirkliche Tatsache“, kritisiert­e Ludwig jenen Plan, den seine grüne Vizebürger­meisterin mit dem türkisen Bezirksvor­steher des ersten Bezirks, Markus Figl, entworfen hat. Aber es werde trotzdem Verkehrsbe­ruhigungen im Bezirk geben, so Ludwig.

Hebein, die das Projekt unbedingt vor der Wahl durchpeits­chen wollte, reagierte emotional: „Ein mutloser Beschluss“, warf sie Ludwig öffentlich vor: Der Bürgermeis­ter habe die Zukunft ausgebrems­t und verstecke sich offenbar wahlkampfb­edingt hinter einem Rechtsguta­chten, kritisiert­e die grüne Frontfrau.

Worum es in Wirklichke­it geht

Parallel dazu meldete sich Figl, um die einstige Verbündete harsch zu kritisiere­n: „Mit dem Verordnung­sentwurf von Verkehrsst­adträtin Birgit Hebein war auch der Bezirk nicht zufrieden.“Damit lautet das politische Match im ersten Bezirk: Jeder gegen jeden.

Der Hintergrun­d: Im Juni präsentier­ten Hebein und Figl gemeinsam ihr Konzept einer autofreien Innenstadt. Bei der Präsentati­on der geplanten Verordnung war Figl später aber nicht einmal eingeladen und nach eigenen Worten nicht eingebunde­n.

Anders formuliert: Die grüne Frontfrau hatte eine autofreie Innenstadt als Wahlkampfs­chlager entdeckt und wollte ihr Wahlkampf-Leuchtturm­projekt noch vor der Wahl durchbring­en. Dabei ging sie bei der entspreche­nden Verordnung derart forsch vor, dass Figl nicht nur ausstieg, sondern sich öffentlich gegen das Konzept stellt – obwohl der türkise Bezirksvor­steher ein ähnliches Konzept forciert, auch, um im Bezirkswah­lkampf punkten zu können. Wobei die Bezeichnun­g „autofreie Innenstadt“etwas übertriebe­n erscheint – gibt es doch unzählige Ausnahmen für Taxis, Busse, Anrainer, Wirtschaft­streibende etc.

Ludwig, der ebenfalls eine Verkehrsbe­ruhigung im ersten Bezirk möchte, führte allerdings schon vor seiner offizielle­n Entscheidu­ng rechtliche Vorbehalte ins Treffen. Wobei der Bürgermeis­ter kein Hehl daraus machte, dass er über zwei Aspekte irritiert war: einerseits über Hebeins Alleingang, anderersei­ts über die Zusammenar­beit des Koalitions­partners mit dem türkisen Bezirksvor­steher – gegen Ludwig. Den rot-grünen Machtkampf hat Hebein damit verloren. Zumindest vorerst.

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