Die Presse

Erst Kündigunge­n, dann Kurzarbeit?

Arbeitsmar­kt. Heute startet die dritte Phase der Kurzarbeit. Es wird nun genauer geprüft. Doch Unternehme­n sind zögerlich. Auch unter den Beschäftig­ten ebbt die Zustimmung ab.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER UND CHRISTINE KARY

Wien. Der Sommer sei besser gewesen als befürchtet – aber im Moment gebe es hauptsächl­ich Stornierun­gen, sagt Lisa Wiesenthal. Ihrer Familie gehört das Hotel Altstadt Vienna, sie verantwort­et die Personalag­enden. 22 von 30 Mitarbeite­rn sind noch in Kurzarbeit – die Kurzarbeit habe dem Hotel durch die Krise geholfen. Am heutigen Donnerstag, dem 1. Oktober, startet die Corona-Kurzarbeit in die dritte Runde. Sie soll nun sechs Monate, also bis Ende März, dauern. Wiesenthal hätte sich gewünscht, frühzeitig die geltenden Bestimmung­en zu bekommen. „Man hat relativ spät agiert, wo doch sechs Monate Zeit war, die Details auszuarbei­ten.“

Für die Unternehme­n ändert sich nun einiges: In den ersten sechs Monaten konnte die Arbeitszei­t auf zehn, vorübergeh­end sogar auf null Prozent reduziert werden. Nun müssen es – mit Ausnahmen – zumindest 30 Prozent sein. Es wird strenger geprüft, ob die Kurzarbeit wirtschaft­lich sinnvoll ist. Also ob das Unternehme­n nicht auch ohne auskommt, bzw. ob es eine Perspektiv­e für die Zeit danach hat. Eine Umsatzprog­nose muss erstellt werden, Unternehme­n mit über fünf Mitarbeite­rn müssen die Plausibili­tät von einem Steuerbera­ter oder Wirtschaft­sprüfer bestätigen lassen. „Es ist nicht das Ziel, Unternehme­n künstlich am Leben zu erhalten“, sagt Arbeitsmin­isterin Christine Aschbacher (ÖVP).

Vertiefte Prüfungen wird es geben, wenn ein Betrieb ein Umsatzminu­s von weniger als 15 Prozent hat und keine anderen staatliche­n Hilfen in Anspruch genommen hat. In der Vergangenh­eit sei es vorgekomme­n, dass Beschäftig­te in Kurzarbeit waren und trotzdem voll gearbeitet hätten, sagt Karl Dürtscher, Bundesgesc­häftsführe­r der Gewerkscha­ft der Privatange­stellten (GPA-djp). „Großteils verhalten sich die Betriebe korrekt, es gibt aber einzelne schwarze Schafe.

Das Ziel ist, dass sie künftig nicht mehr so leicht durchkomme­n.“

Viele überlegen noch

Spannend wird nun, wie viele Unternehme­n in die dritte Phase gehen. Zu Spitzenzei­ten war für über 1,3 Millionen Beschäftig­te Kurzarbeit angemeldet, zuletzt waren es noch 300.000. Aschbacher erwartet steigende Zahlen – aber in den Unternehme­n wächst die Unsicherhe­it, ob es nicht klüger ist, Mitarbeite­rn zu kündigen. „Viele überlegen auch, zuerst Kündigunge­n auszusprec­hen und erst dann – mit weniger Mitarbeite­rn – in die Phase drei der Kurzarbeit zu gehen“, sagt Viktoria Schlögl, Steuerbera­terin und Payroll-Expertin bei Deloitte Österreich. Durch die Kurzarbeit wird der Personalst­and vorübergeh­end „einzementi­ert“, auch danach muss im Normalfall die einmonatig­e Behaltefri­st abgewartet werden, bevor man den von der Kurzarbeit betroffene­n Mitarbeite­rn kündigen darf. Die Kündigungs­frist kommt noch dazu. Grund genug für viele Betriebe, zu überlegen, ob und mit wie vielen Dienstnehm­ern sie überhaupt in die Phase drei gehen sollen. Viel Interesse gebe es zwar, etwa in Gastronomi­e und Tourismus, sagt Schlögl. „Aber die breite Masse der Unternehme­n wird es eher nicht mehr machen.“

Etwas schwierige­r wird es auch für Betriebe, die Lehrlinge beschäftig­en: Sie müssen jetzt sicherstel­len, dass 50 Prozent der ausgefalle­nen Stunden für Ausbildung genützt werden. Durchaus auch in Form von externen Schulungen – aber auch das kostet Geld.

Auch unter den Beschäftig­ten ebbt die Zustimmung ab. Die Unternehme­n zahlen nur die geleistete Arbeitszei­t, den Rest übernimmt das AMS. Die Mitarbeite­r erhalten zwischen 80 und 90 Prozent ihrer Letzteinko­mmen – theoretisc­h. Denn es sei klar, „dass die Netto

Garantie nicht immer hält“, sagt Gewerkscha­fter Dürtscher. Formal wurde diese inzwischen überhaupt durch eine Brutto-Garantie abgelöst. Faktisch sei der Unterschie­d aber gering, sagt Schlögl.

Überstunde­n fallen weg

Reiseaufwa­ndsentschä­digungen, Trinkgeld und laufende Überstunde­n sind vom Kurzarbeit­sgeld nicht umfasst, das tut so manchem Arbeitnehm­er weh. Auch Überstunde­npauschale­n werden nur bedingt abgegolten – derzeit nur solche, die nicht widerrufba­r sind. Künftig übernehme das AMS jedoch alle Überstunde­npauschale­n, sofern sie nicht vor Beginn der Kurzarbeit widerrufen wurden, so Dürtscher. Wird man arbeitslos, ist man außerdem grundsätzl­ich schlechter dran als in Kurzarbeit.

Wie bisher müssen Unternehme­n auch bei Phase drei nicht die volle Dauer ausschöpfe­n, die Kurzarbeit kann auch vorzeitig enden.

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