Wissenschaft ja, aber bitte möglichst gratis
Arme Studenten und befristete Forscher: Die Covidkrise zeigt, was an Österreichs Hochschulen alles im Argen liegt und wie knapp das Budget vieler Studierender ist.
Mit Masken im Gesicht und Bierdosen in der Hand standen die jungen Menschen in einem Wiener Park. Allesamt Erstsemestrige der Universität, die wenige Schritte entfernt lag, sollten sie sich an diesem windigen Nachmittag Ende September kennenlernen, Freundschaften fürs Leben oder zumindest Lerngruppen fürs Studium bilden. Sie wirkten ein wenig verloren, konnten einem fast leidtun. Denn anders als die Generationen von Studienanfängern vor ihnen erwartet sie ein ungewöhnliches Semester.
Österreichs Universitäten und Fachhochschulen wurde während der Coronakrise vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt. Anders als in den Schulen sind hier ja auch erwachsene Menschen betroffen. Und seit dem Universitätsgesetz von 2002 sind die Hochschulen schließlich autonom, auch wenn immer wieder und gern diskutiert wird, wo die Grenzen der Autonomie liegen. Zuletzt war das bei der Corona-Ampel der Fall, die für die Universitäten lediglich Empfehlungscharakter hat. Manche Hochschulrektoren hätten sich genauere Richtlinien gewünscht, hört man.
Trotzdem hat die Coronakrise im vergangenen halben Jahr auch im Hochschulsektor die Schwachstellen unserer Gesellschaft offengelegt. Gezeigt hat sich etwa, dass Studierende ein enorm knappes Budget haben. Neu ist das nicht, getan wurde dennoch wenig. Die Hälfte der Studierenden muss mit rund 1000 Euro im Monat auskommen, ein Viertel mit weniger als 793 Euro. Und das, obwohl fast zwei Drittel der Studierenden nebenbei arbeiten, Tendenz laut Studierendensozialerhebung steigend. Im Schnitt sind es 13 Stunden pro Woche. Viele der typischen Studentenjobs im Event-Bereich, dem Verkauf oder der Gastronomie fielen der Coronakrise zum Opfer; da es sich oftmals um geringfügige Anstellungen handelte, war keine Kurzarbeit möglich.
Beim Corona-Härtefallfonds gehen Menschen, die ausschließlich geringfügig beschäftigt und nicht nebenbei selbstständig waren, ebenfalls leer aus – ein enormes Versäumnis. Neben Müttern betrifft das vor allem Studierende. Weshalb die Österreichische Hochschülerschaft bereits im Frühjahr einen eigenen Härtefonds eingerichtet hat; insgesamt 700.000 Euro stehen zur Verfügung, bis zu 1000 Euro werden pro Person ausgezahlt, die meisten bekamen weniger. Längst nicht alle, die anfragten, konnten unterstützt werden. Verhältnismäßig kleine Beiträge, die sich die ÖH aus ihrem eigenen Budget abzwacken musste und wohl kein großes Loch in die Staatskassa reißen würden. Doch auch hier tut der Bund nichts.
Ähnlich prekär – und bekannt – ist die Situation des Mittelbaus an den Universitäten. Ende Mai veröffentlichten Jungwissenschaftler an österreichischen Institutionen einen offenen Brief, in dem sie einen Krisenfonds für Beschäftigte in der Wissenschaft forderten. Darauf wartet man weiterhin. Warum eigentlich? Corona hat die Bedeutung von Wissenschaft allgegenwärtig gemacht; gleichzeitig ist es ein Umfeld, in dem schlechte Arbeitsbedingungen gang und gäbe sind. Doch darüber wird wenig geredet. Laut Universitätsbericht 2017 waren 78,3 Prozent des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals der österreichischen Universitäten befristet beschäftigt. Mit der Umstellung auf Online kam auf Lehrende ein enormer Mehraufwand zu, der nur in den wenigsten Fällen abgegolten wurde – ein fatales Signal.
Das dritte Covid-Gesetz erlaubt immerhin, die Verträge für Forschungsprojekte, die wegen Corona in Verzug geraten sind, einmalig um bis zu zwölf Monate zu verlängern. Die genaue Umsetzung bleibt den Hochschulen überlassen; Betroffene beklagen fehlende Transparenz. Und die zeitliche Begrenzung der Vertragsverlängerung zeigt eines: Hier glaubt man sichtlich, dass Corona lediglich ein „bump in the road“ist, ohne längerfristige Auswirkungen auf die Forschung und den Hochschulbetrieb. Dass das nicht stimmen kann, wissen sogar schon die Erstsemestrigen mit ihren Bierdosen und Masken.
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Zur Autorin:
Anna Goldenberg ist Journalistin und Autorin („Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete“, 2018, Paul Zsolnay) und lebt in Wien. Sie schreibt über Medien und Politik für den „Falter“und die „Taz“.
Morgen in „Quergeschrieben“: Christian Ortner