Wirstchaft am Wort: Zeugnis für Rot-Grün und Türkis-Grün
Wahlkampf. Vertreter aller Parteien diskutierten das Krisenmanagement von Bund und Stadt Wien.
Wien. Am Dienstag hätten die wirtschaftspolitischen Expertinnen und Experten der wahlwerbenden Parteien im Handelsverband zusammenkommen sollen, tatsächlich nahmen dann nur männliche Vertreter am Podium Platz. Das sei aber keine Absicht gewesen, stellte Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will gleich zu Beginn klar: Die Parteien schickten Jörg Neumayer (SPÖ), Hans Arsenovic (Grüne), Christophp Wiederkehr (Neos), Markus Gstöttner (ÖV P), Udo Guggenbichler (FPÖ) und Christian Höbart (Team HC Strache) zur Elefantenrunde – oder in Coronazeiten eher „Babyelefantenrunde“.
Gleich bei der Begrüßung stach Hans Arsenovic mit seiner Nachahmung von Vizebürgermeisterin Birgit Hebein heraus: Er lobte die gute Zusammenarbeit quer über alle Parteien – ähnlich wie die Wiener Grünen-Chefin in den bisherigeng TV-Duellen der SPÖ schöne Augen machte. Auf die Frage, welche Projekte bei den jeweiligen Parteien im Vordergrund stünden, sagte Arsenovic: „Meine einzige Angst ist, dass sich nach der Coronakrise in Hinblick auf die Klimakrise nichts ändert.“Udo Guggenbichler und Christoph Wiederkehr gaben ausnahmsweise die selbe Antwort: Bildung und Lehre forcieren. Markus Gstöttner will den Tourismus stärken und Christian Höbart, der im Mai von der FPÖ zum Team HC Strache wechselte, die Bürokratie und „die Angstmacherei“zurückschrauben.
FPÖ: „Ampel war der größte Pfusch“
Das Zeugnis für die Bundesregierung und die Wiener Stadtregierung im Krisenmanagement fiel unterschiedlich aus: Neumayer kritisierte den Fixkostenausschuss von Türkis-Grün, von dem seiner Ansicht nach zu wenig ausbezahlt worden sei. ÖVP-Vertreter Gstöttner entgegnete, dass „neunzig Prozent der beantragten Zuschüsse und damit etwa hundert Millionen Euro“ausbezahlt worden seien. Außerdem ist es ihm zufolge „unfair, alles justament schlecht zu finden, was der Bund vorschlägt“.
„Die Coronakrise war von Wahlkampf geprägt“, empfand Guggenbichler. Die ver
pflichtende Registrierung in Wiener Lokalen bezeichnete er als „Wettlauf der Schikanen“ von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Und: „Die Corona-Ampel war der größte Pfusch der zweiten Republik.“Die Frage Arsenovics nach einem Gegenvorschlag der FPÖ winkte er mit den Worten „Bitte, ich habe Sie auch nicht unterbrochen“ab. Bei denen beiden machte sich die politische Abneigung auch in der Körpersprache bemerkbar: Kaum hat der eine gesprochen, hat der andere die Arme verschränkt, die Miene leicht verzogen.
Vom umstrittenen Schnitzel
Arsenovic lobte den in Wien entwickelten Gurgeltest, der auch in den beiden Teststraßen zum Einsatz kommt, und stieß mit dem „Eigenlob“vor allem bei Gstöttner und Wiederkehr auf Gelächter.
Wegen der Corona-Situation wurde die Diskussion per Video übertragen, nur wenige Journalisten waren anwesend. „Das gratis Schnitzel war super, das hat gut geschmeckt“, sagte Wiederkehr in einer Sendepause – allerdings sarkastisch gemeint. „Da wird den Wienern kurz vor der Wahl ein Zuckerl hingeworfen, das allein zwei Millionen Euro für Inserate kostete“, ergänzte er später vor laufender Kamera. „Jede Tageszeitung hatte ein Schnitzel auf dem Titelblatt.“Auch Guggenbichler hatte etwas auszusetzen: Zwar fand er die GastroGutscheine grundsätzlich gut, aber schlecht umgesetzt: „Da hat die Stadt Wien angekündigt, dass am nächsten Tag jeder Haushalt einen Gutschein erhält, und viele wurden gestohlen.“
Neumayer, der seit 2015 im Wiener Landtag und Gemeinderat sitzt, verteidigte den Gutschein von Rot-Grün erwartungsgemäß: Von den insgesamt 40 Millionen Euro, die Gutscheine der Stadt Wien gekostet hät
ten, seien rund 80 Prozent bei den Wirten angekommen. „Das Werkzeug hat gut funk
tioniert, Bund und Stadt können ja nicht doppelt subventionieren“, so Neumayer. Wiederkehr hält dagegen generell nichts von „Gutscheinpolitik“. So würde er auch den im Mai vorgebrachten Vorschlag des Handelsverbands ablehnen, mit einem 500-EuroScheck die Kaufkraft anzukurbeln.
Da auch der Tourismus den Handel stark beeinflusst, könnte sich Gstöttner etwa geöffnete Geschäfte am Sonntag vorstellen – allerdings nur mit „neuen Mitarbeitern“.