Die Presse

Zum ersten, zum zweiten, zum dritten

Auktionsth­eorie. Die diesjährig­e Auszeichnu­ng für ökonomisch­e Forschung geht an die USAmerikan­er Paul Milgrom und Robert Wilson. Sie sind Begründer der modernen Auktionsth­eorie.

- VON JAKOB ZIRM

Die Auszeichnu­ng für ökonomisch­e Forschung geht an die US-Amerikaner Paul Milgrom und Robert Wilson. Sie sind Begründer der modernen Auktionsth­eorie.

Wien. Bei Auktionen denken die meisten Menschen an wertvolle Bilder, die bei Sotheby’s, Christie’s oder dem Dorotheum unter den Hammer kommen. Oder vielleicht auch an deren digitales Pendant eBay, wo von der Sportausrü­stung bis zur Comic-Sammlung beinahe alles ersteigert werden kann. Aber diese Auktionen sind nur ein kleiner Teil der Tausenden Versteiger­ungen, die weltweit jeden Tag durchgefüh­rt werden. Vornehmlic­h werden Auktionen nämlich dazu verwendet, um etwa Güter der Finanzwirt­schaft, Rohstoffe, Elektrizit­ät oder CO2-Zertifikat­e zum besten Preis dem jeweiligen Käufer zuzuordnen.

Und viele dieser Auktionen beziehen sich dabei auf die Regeln, die von den beiden Ökonomen Paul Milgrom und Robert Wilson aufgestell­t worden sind. Die beiden Professore­n der US-Universitä­t Stanford erhielten dafür am Montag den Preis der Schwedisch­en Reichsbank in Erinnerung an Alfred Nobel – landläufig auch Wirtschaft­snobelprei­s genannt.

Die Englische Auktion

Grundsätzl­ich werden Auktionen von Menschen schon seit der Antike verwendet, um eine optimale Verteilung begrenzter Ressourcen zu ermögliche­n. Verschiede­ne Modelle wurden dabei entwickelt, am gängigsten auch hierzuland­e ist dabei die Englische Auktion. Bei dieser wird mit einem niedrigen Preis gestartet, der bei jedem neuen Gebot erhöht wird, bis der Meistbiete­r den Zuschlag erhält.

Ein einfaches System, das allerdings einige Fallstrick­e enthält. So läuft der Meistbiete­r nämlich Gefahr, vom sogenannte­n Fluch des Siegers getroffen zu werden. Mit anderen Worten: Er gibt ein so hohes Gebot ab, das ihm zwar den Zuschlag einbringt, aber den objektiven Wert der Ware übersteigt. Wilson wies in seinen Arbeiten nach, dass die Bieter daher meist unter ihrer persönlich­en Einschätzu­ng bleiben, um nicht zu viel zu zahlen. Je weniger transparen­t die

Informatio­nen über die Ware sind, desto stärker ist dieses Phänomen. Und das führt wiederum dazu, dass der Verkäufer bei einer Auktion oft nicht den besten Preis erhält.

Wo dieser beste Preis liegt, ist zudem – zumindest aus Sicht des Käufers – auch nicht vollständi­g objektivie­rbar. Denn neben dem allgemeine­n Wert, etwa dem Marktpreis bei einer Immobilie oder einem Rohstoff, gibt es noch einen individuel­len Wert. Das kann bei einer Wohnung das persönlich­e Gefühl sein, aber auch die Exploratio­nskosten eines Unternehme­ns bei Rohstoffen. Denn diese sind auch je Firma verschiede­n.

All das kommt nun verschärft bei Auktionen zusammen, bei denen nicht nur eine Ware angeboten wird, sondern mehrere parallel, die auch miteinande­r zusammenhä­ngen. Also etwa Stromliefe­rungen infolge der Strommarkt-Liberalisi­erung oder Frequenz-Auktionen für den Mobilfunk.

Letzteres war auch der Ausgangspu­nkt für die konkrete Arbeit von Milgrom und Wilson, die nun im Nobelpreis mündete. So vergaben die USA Anfang der 1990erJahr­e die Mobilfunkl­izenzen noch über eine Kommission, bei der die Antragstel­ler vorstellig werden mussten. Dieses „Beauty Contest“genannte Verfahren kam aufgrund des Ansteigens der Zahl von Antragstel­lern schon bald an seine Grenzen und wurde durch eine Frequenzlo­tterie ersetzt.

Lukrativer Zweitmarkt

Aber auch diese sorgte eher für Ärger. Denn während der Staat kaum etwas für die Frequenzen erhielt, entstand ein lukrativer Zweitmarkt, auf dem die Unternehme­n versuchten, die für sie notwendige­n Frequenzen in den gewünschte­n Regionen zu erhalten. Profiteure waren dabei Frequenzsp­ekulanten. Die beiden Ökonomen entwickelt­en daher mit der Simultanen Multi-Runden-Auktion (Simultaneo­us Multi-Round Auction, SMRA) ein Format, das auch heute noch – etwa in Österreich vom Telekomreg­ulator RTR bei der jüngsten 5G-Versteiger­ung – verwendet wird.

Hierbei werden alle Frequenzen parallel in einer Auktion angeboten, die aus mehreren Runden besteht. Die Bieter müssen dabei ab der ersten Runde auf alle gewünschte­n Frequenzen bieten, ein späterer Einstieg ist nicht mehr erlaubt. Durch diese Aktivitäts­verpflicht­ung soll ein taktisches Abwarten verhindert werden. Nach jeder Runde werden der provisoris­che Sieger und sein Gebot veröffentl­icht, das in der nächsten Runde jedoch überboten werden kann. Beendet ist die Auktion, sobald kein Gebot mehr erhöht wird.

Mit diesem SMRA-Verfahren konnten Milgrom und Wilson nicht nur die schwierige Aufgabe der optimalen Verteilung lösen. Auch die Einnahmen für die Staaten stiegen deutlich an. So verdoppelt­e sich bereits bei der ersten Auktion 1994 der Erlös für die USA auf 20 Mrd. Dollar. Weltweit wurden per SMRA seither allein bei Frequenz-Auktionen mehr als 200 Mrd. Dollar eingenomme­n.

 ?? [ Nobel Media/Niklas Elmehed ] ?? Paul Milgrom (links) und Robert Wilson erhielten den Wirtschaft­snobelprei­s 2020.
[ Nobel Media/Niklas Elmehed ] Paul Milgrom (links) und Robert Wilson erhielten den Wirtschaft­snobelprei­s 2020.

Newspapers in German

Newspapers from Austria