Spektakel um Supreme Court
USA. Im Senat haben die Hearings von Amy Coney Barrett, Trumps Höchstrichterin, begonnen. Es ist eine parteipolitische Show.
Im Senat haben die Hearings von Amy Coney Barrett, Trumps Höchstrichterin, begonnen. Es ist eine parteipolitische Show.
New York. „Sofern es uns möglich ist, lassen Sie uns respektvoll sein“, sagte der republikanische Senator Lindsey Graham zur Eröffnung einer mehrwöchigen Schlammschlacht im US-Senat rund um die Bestellung der Richterin Amy Coney Barrett an den Obersten Gerichtshof. „Denken wir daran, dass die Welt zusieht“, so Graham, der Vorsitzende des Justizausschusses.
Der Streit um den Einzug von Barrett in das Höchstgericht ist einer der Höhepunkte im Wahlkampf. Präsident Donald Trump nominierte die katholisch-konservative Juristin für den Supreme Court, nachdem Ruth Bader Ginsburg im September gestorben war. Das neunköpfige Höchstgericht ist häufig die letzte Instanz in gesellschaftspolitischen Fragen. Neben der Entscheidung über Krieg oder Frieden sei die Bestellung von Höchstrichtern die wichtigste Verantwortung eines US-Präsidenten, sagt Trump immer wieder.
Die Nominierung von Barrett ist aus mehreren Gründen höchst brisant. Die 1993 von Bill Clinton zur Höchstrichterin ernannte Ginsburg war eine Ikone der Linksliberalen. Mit Barrett würde sich das ideologische Gleichgewicht des Gerichts nach rechts verschieben. Sechs konservative Richter säßen künftig drei linksliberalen gegenüber. Die Demokraten werden deshalb während der Anhörung Barretts mit allen Mitteln versuchen, deren Einzug zu verhindern – sich dabei aber letztlich wohl den machtpolitischen Gegebenheiten beugen müssen.
Hauchdünne Mehrheit
Die Republikaner um Graham halten im Senat eine Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen. Sie wollen die Chance nützen, Barrett noch vor der Wahl am 3. November zu bestätigen. Dazu haben sie einen äußerst engen Zeitplan ausgearbeitet. Diese Woche ist die öffentliche Befragung der Juristin angesetzt. In dem Ausschuss sitzen 22 Senatoren, davon zwölf Republikaner. Läuft alles nach Plan, wollen die Konservativen danach dem gesamten Senat die Bestellung Barretts zur Abstimmung vorlegen. Nach derzeitigem Stand wollen alle Demokraten gegen Barrett stimmen, ebenso wie zwei republikanische Senatorinnen: Lisa Murkowski aus Alaska und Susan Collins aus Maine. Es bleibt eine hauchdünne Mehrheit. Barrett dürfte Ende Oktober angelobt werden.
Tatsächlich steht nicht nur der Supreme Court auf dem Spiel, sondern auch die politische Zukunft mehrerer Senatoren – und die des Präsidenten. Im Fokus der Wahlstrategen stehen die wichtigen weiblichen Wechselwähler in den Vorstädten. Barrett gilt als vehemente Abtreibungsgegnerin. Gelingt es den Demokraten, die Juristin in die Enge zu treiben und unter den Frauen die Angst zu verbreiten, dass ein Supreme Court mit Barrett den Schwangerschaftsabbruch verbieten könnte, könnte dies Joe Biden entscheidende Wählerstimmen bringen.
Senatsmehrheit auf der Kippe
Ein Beispiel: In North Carolina kämpft der republikanische Senator Thom Tillis um seine Wiederwahl. Tillis sitzt im Justizausschuss, wird aber wegen seiner Corona-Infektion nur per Video zugeschaltet. Die Wähler im wichtigen Swing State North Carolina werden Tillis und Barrett genau beobachten.
Aktuell liegt Biden in den Umfragen deutlich vor Trump. Sollte der Demokrat ins Weiße Haus einziehen, wäre die Frage, ob die Republikaner auch im Senat ihre Mehrheit verlieren, von noch größerer Bedeutung. Mit einer Mehrheit in beiden Kongresskammern im Rücken könnte Biden Trumps Steuerreform rückgängig machen.
Die konservative Mehrheit im Senat steht auf Messers Schneide. Auch Graham, einer der engsten Vertrauten des Präsidenten, könnte seinen Job verlieren. In South Carolina macht ihm der Demokrat Jaime Harrison zu schaffen.
Das öffentliche Spektakel um Barretts Bestellung so kurz vor der Wahl eignet sich für beide Parteien als ideale Wahlkampfbühne. Die Demokraten fordern eine Verschiebung der Abstimmung. Im Gegenzug lobte Graham die siebenfache Mutter Barrett in hohen Tönen und er warnte davor, dass die Demokraten im Fall eines Wahlsiegs die Zahl der Höchstrichter anheben würden. Biden lässt die Frage offen – und überlässt die Bühne im Senatshearing seiner Stellvertreterin Kamala Harris.