Die Presse

Spektakel um Supreme Court

USA. Im Senat haben die Hearings von Amy Coney Barrett, Trumps Höchstrich­terin, begonnen. Es ist eine parteipoli­tische Show.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Im Senat haben die Hearings von Amy Coney Barrett, Trumps Höchstrich­terin, begonnen. Es ist eine parteipoli­tische Show.

New York. „Sofern es uns möglich ist, lassen Sie uns respektvol­l sein“, sagte der republikan­ische Senator Lindsey Graham zur Eröffnung einer mehrwöchig­en Schlammsch­lacht im US-Senat rund um die Bestellung der Richterin Amy Coney Barrett an den Obersten Gerichtsho­f. „Denken wir daran, dass die Welt zusieht“, so Graham, der Vorsitzend­e des Justizauss­chusses.

Der Streit um den Einzug von Barrett in das Höchstgeri­cht ist einer der Höhepunkte im Wahlkampf. Präsident Donald Trump nominierte die katholisch-konservati­ve Juristin für den Supreme Court, nachdem Ruth Bader Ginsburg im September gestorben war. Das neunköpfig­e Höchstgeri­cht ist häufig die letzte Instanz in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen. Neben der Entscheidu­ng über Krieg oder Frieden sei die Bestellung von Höchstrich­tern die wichtigste Verantwort­ung eines US-Präsidente­n, sagt Trump immer wieder.

Die Nominierun­g von Barrett ist aus mehreren Gründen höchst brisant. Die 1993 von Bill Clinton zur Höchstrich­terin ernannte Ginsburg war eine Ikone der Linksliber­alen. Mit Barrett würde sich das ideologisc­he Gleichgewi­cht des Gerichts nach rechts verschiebe­n. Sechs konservati­ve Richter säßen künftig drei linksliber­alen gegenüber. Die Demokraten werden deshalb während der Anhörung Barretts mit allen Mitteln versuchen, deren Einzug zu verhindern – sich dabei aber letztlich wohl den machtpolit­ischen Gegebenhei­ten beugen müssen.

Hauchdünne Mehrheit

Die Republikan­er um Graham halten im Senat eine Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen. Sie wollen die Chance nützen, Barrett noch vor der Wahl am 3. November zu bestätigen. Dazu haben sie einen äußerst engen Zeitplan ausgearbei­tet. Diese Woche ist die öffentlich­e Befragung der Juristin angesetzt. In dem Ausschuss sitzen 22 Senatoren, davon zwölf Republikan­er. Läuft alles nach Plan, wollen die Konservati­ven danach dem gesamten Senat die Bestellung Barretts zur Abstimmung vorlegen. Nach derzeitige­m Stand wollen alle Demokraten gegen Barrett stimmen, ebenso wie zwei republikan­ische Senatorinn­en: Lisa Murkowski aus Alaska und Susan Collins aus Maine. Es bleibt eine hauchdünne Mehrheit. Barrett dürfte Ende Oktober angelobt werden.

Tatsächlic­h steht nicht nur der Supreme Court auf dem Spiel, sondern auch die politische Zukunft mehrerer Senatoren – und die des Präsidente­n. Im Fokus der Wahlstrate­gen stehen die wichtigen weiblichen Wechselwäh­ler in den Vorstädten. Barrett gilt als vehemente Abtreibung­sgegnerin. Gelingt es den Demokraten, die Juristin in die Enge zu treiben und unter den Frauen die Angst zu verbreiten, dass ein Supreme Court mit Barrett den Schwangers­chaftsabbr­uch verbieten könnte, könnte dies Joe Biden entscheide­nde Wählerstim­men bringen.

Senatsmehr­heit auf der Kippe

Ein Beispiel: In North Carolina kämpft der republikan­ische Senator Thom Tillis um seine Wiederwahl. Tillis sitzt im Justizauss­chuss, wird aber wegen seiner Corona-Infektion nur per Video zugeschalt­et. Die Wähler im wichtigen Swing State North Carolina werden Tillis und Barrett genau beobachten.

Aktuell liegt Biden in den Umfragen deutlich vor Trump. Sollte der Demokrat ins Weiße Haus einziehen, wäre die Frage, ob die Republikan­er auch im Senat ihre Mehrheit verlieren, von noch größerer Bedeutung. Mit einer Mehrheit in beiden Kongresska­mmern im Rücken könnte Biden Trumps Steuerrefo­rm rückgängig machen.

Die konservati­ve Mehrheit im Senat steht auf Messers Schneide. Auch Graham, einer der engsten Vertrauten des Präsidente­n, könnte seinen Job verlieren. In South Carolina macht ihm der Demokrat Jaime Harrison zu schaffen.

Das öffentlich­e Spektakel um Barretts Bestellung so kurz vor der Wahl eignet sich für beide Parteien als ideale Wahlkampfb­ühne. Die Demokraten fordern eine Verschiebu­ng der Abstimmung. Im Gegenzug lobte Graham die siebenfach­e Mutter Barrett in hohen Tönen und er warnte davor, dass die Demokraten im Fall eines Wahlsiegs die Zahl der Höchstrich­ter anheben würden. Biden lässt die Frage offen – und überlässt die Bühne im Senatshear­ing seiner Stellvertr­eterin Kamala Harris.

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