Die Presse

„Normale“Ferien, dafür neue Maßnahmen?

Ein Gerücht geht, das nächste kommt: Der Bildungsmi­nister erteilte längeren Herbstferi­en eine Absage. Aktuell wird aber in der Koalition über andere Verschärfu­ngen diskutiert. Grün will regionale, Türkis lieber zentrale Regeln.

- VON ULRIKE WEISER UND OLIVER PINK

Zusätzlich­e Maßnahmen werden in der Regierung aktuell diskutiert und evaluiert. Der Fokus liegt vor allem auf gezielten regionalen Maßnahmen.

Ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums über mögliche Anti-Corona-Verschärfu­ngen

Wien. Eltern schulpflic­htiger Kinder können kurz aufatmen. Bildungsmi­nister Heinz Faßmann schloss am Montag im Gespräch mit „Ö1“eine Verlängeru­ng der Herbstferi­en aus. Auch Kompromiss-Ideen seien damit vom Tisch, präzisiert­e das Ministerbü­ro später auf Nachfrage. Aus türkisen Regierungs­kreisen war nämlich etwa der Vorschlag zu hören, dass man nur die Oberstufe temporär nach Hause schicken könnte.

Freilich, wenn man genau hinhörte, sagte der Minister bloß: „derzeit“. Aber viel Zeit für ein Umdenken ist nicht. Die Herbstferi­en beginnen am 24. Oktober. Aus Sicht des Büros des Wiener Bildungsst­adtrats, der formell übrigens nie über die Option informiert wurde, wäre man ohnehin schon jetzt „zu spät“dran gewesen. Tatsächlic­h hat das Ferien-Gerücht auf mehreren Seiten für Verwirrung gesorgt.

Einerseits bei den Grünen, die seit der Kritik, Türkis-Grün habe die Bildung im Lockdown nachrangig behandelt, hier sensibel reagieren. Anderersei­ts war man auch in Expertenkr­eisen irritiert. Denn wie zuletzt von der Corona-Kommission präsentier­t, spielen Bildungsei­nrichtunge­n beider Infektion s ausbreitun­g bloß eine untergeord­nete Rolle. Speziell wenn es um jüngere Kind ergeht.

In der Kommission selbst war der Vorschlag auch nie diskutiert worden. Ein plötzliche­r Beschluss hätte zudem nicht nur die Eltern, sondern auch die Wirtschaft vor Probleme gestellt. Denn eine kurzfristi­ge Ferien verlängeru­ng könnte laut dem Arbeitsrec­hts experten der Arbeiter kammer, Philipp Brokes, eine Dienst verhinderu­ng darstellen. Im Unterschie­d zu der wegen Covid neu geschaffen­en Sonder betreuungs freistellu­ng, die man mit dem Dienstgebe­r vereinbare­n muss, hat man auf eine Freistellu­ng wegen

Dienstverh­inderung einen Rechtsansp­ruch – und der Dienstgebe­r bekommt auch nicht die Hälfte der Personalko­sten ersetzt.

Wenn nun die Ferien nicht verlängert werden, heißt das, dass auch sonst keine neuen Anti-Corona-Maßnahmen geplant sind? Das auch wieder nicht. Zusätzlich­e Maßnahmen würden in der Bundesregi­erung „aktuell diskutiert und evaluiert“, erklärt ein Sprecher des Gesundheit­sministers. Von anderer Seite erfährt man auch ein bisschen mehr, nämlich zumindest einen Zeithorizo­nt: Schon in ein, zwei Tagen sei mit einem Gesamtpake­t zu rechnen.

Was das beinhalten wird? Welche Maßnahmen er in seiner „Schublade“habe, wollte Gesundheit­sminister Rudolf Anschober ja zuletzt nicht sagen – um „die Bevölkerun­g nicht zu verwirren“, wie es hieß. Was die „weichen Lockdown“-Gerüchte freilich erst recht befeuerte. Einen klassische­n Lockdown hat Anschober ja bereits ausgeschlo­ssen, da dieser nur vor einem flächendec­kenden Zusammenbr­uch des Gesundheit­ssystems rechtlich möglich sei. Und davon sei keine Rede.

Und was macht Wien?

Ein Nebensatz aus dem Gesundheit­sministeri­um ist jedoch wichtig. Der Fokus liege, wie es heißt, vor allem auf „gezielten regionalen Maßnahmen“. Dahinter verbirgt sich ein Richtungss­treit in der Koalition. Während die Grünen nämlich finden, dass jetzt, wo alle rechtliche­n Voraussetz­ungen geschaffen wurden, die Länder und Bezirke gemäß der Ampel-Logik selbststän­dig tätig werden sollen, wird der ÖVP nachgesagt, weiterhin bundesweit­e Lösungen zu bevorzugen. Aus Gründen der besseren, sprich zentralen Kontrolle.

Derzeit hofft man bei den Grünen offenbar noch, dass man sich ein bundesweit­es Verschärfe­n sparen kann, wenn stattdesse­n regional nachgeschä­rft wird. Die Hoffnung hält sich aber in Grenzen: Offenbar sei es nicht allen Ländern gar so unrecht, wenn die Verantwort­ung weiter beim Bund bleibe und nicht Landes- und Regionalpo­litiker dann für Beschränku­ngen bei der Bevölkerun­g gerade stehen müssten. Zudem ist die regionale Ausgangsla­ge sehr unterschie­dlich. Nicht alle stehen so unter Druck wie Salzburg, das punkto Aktivität als Positivbei­spiel genannt wird und wo man gerade quasi alles macht, um trotz ansteigend­er Infektions­zahlen die nahende Wintertour­ismussaiso­n zu retten.

Gespannt blickt man im Bund vor allem nach Wien. Auch dort ist die Lage nicht rosig. Kommen nach der Wahl neue Maßnahmen? Das Büro des Gesundheit­sstadtrats Peter Hacker ist zwar derzeit in Klausur, von fertigen Maßnahmenp­aketen ist jedoch noch keine Rede. Erstens müsse man diese Woche abwarten, um zu sehen, ob die letzten Verschärfu­ngen greifen, heißt es. Und zweitens ist man bei den Rezepten aus dem Westen wie der Vorverlegu­ng der Sperrstund­e weiter skeptisch. Schon jetzt passiere der Großteil der Ansteckung­en im Privatbere­ich. Eine Vorverlegu­ng der Sperrstund­e würde die Verlagerun­gen der Freizeitak­tivitäten ins Private nur weiter befördern, wo rechtlich jede Handhabe fehle.

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