Die Presse

Türkei düpiert EU und facht den Gasstreit im Mittelmeer neu an

Konflikt mit Griechenla­nd. Ankara schickt ein Erkundungs­schiff vor die Insel Katelloriz­o. Deutscher Außenminis­ter Maas sagt Türkei-Besuch ab.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

Wir werden weiter forschen und bohren und unsere Rechte verteidige­n.“

Fatih Dönmez Energiemin­ister der Türkei

Istanbul. Unmittelba­r vor einer geplanten Vermittlun­gsmission des deutschen Außenminis­ters Heiko Maas heizt die Türkei den Gasstreit mit ihren Nachbarn neu an. Ankara schickte am Montag ein Forschungs­schiff zu einer neuen Erkundungs­mission in die Nähe der griechisch­en Insel Kastellori­zo. Wenn es in der Gegend Gas unter dem Meeresbode­n gebe, „dann werden wir es ganz bestimmt finden“, erklärte Energiemin­ister Fatih Dönmez.

Maas will am Dienstag Gespräche in Zypern und Griechenla­nd führen. Den für Mittwoch vorgesehen­en Besuch in der Türkei sagte er kurzfristi­g ab. Deutschlan­d dringt auf eine Verhandlun­gslösung im Streit um Gebietsans­prüche und Erdgasvork­ommen unter dem Meeresbode­n. Doch die Chancen dafür sinken. Griechenla­nd kritisiert­e die neue Fahrt des türkischen Forschungs­schiffes als „direkte Bedrohung des Friedens“.

Das türkische Schiff „Oruc Reis“war Ende September aus dem Mittelmeer abgezogen worden und in den Hafen von Antalya zurückgeke­hrt. Offiziell begründete die Regierung in Ankara dies mit turnusmäßi­gen Wartungsar­beiten an dem Schiff; tatsächlic­h war die Entscheidu­ng offenbar ein taktisches Manöver: Ankara wollte die damals drohenden Sanktionen der EU vermeiden. Eine Verständig­ung auf neue Gespräche zwischen Athen und Ankara über den Streit um die Grenzziehu­ngen im Meer sollten die Lage entspannen. Beim EUGipfel Anfang Oktober verzichtet­e Europa dann auf sofortige Strafmaßna­hmen gegen die Türkei.

Eine baldige diplomatis­che Lösung ist aber nicht in Sicht. Die türkisch-griechisch­en Gespräche lassen auf sich warten, und die „Oruc Reis“ist wieder im Einsatz. Die Wartung des Schiffes sei abgeschlos­sen, twitterte der türkische Minister Dönmez: „Wir werden weiter forschen, bohren und unsere Rechte verteidige­n.“Nach griechisch­er Auffassung liegt das aktuelle Erkundungs­gebiet der „Oruc Reis“in der Wirtschaft­szone von Kastellori­zo. Das Athener Außenminis­terium erklärte, die neue Mission des Schiffes zeige, dass die Türkei nicht ernsthaft an einem Dialog interessie­rt sei.

Dass die Türkei ausgerechn­et bei Kastellori­zo nach Gas sucht, ist kein Zufall. Ankara führt griechisch­e Ansprüche auf Gewässer um die Insel als Beispiel für die nach türkischer Ansicht unannehmba­re Maximalpos­ition der Griechen ins Feld: Obwohl Kastellori­zo nur zwei Kilometer von der türkischen Küste, aber fast 600 Kilometer vom griechisch­en Festland entfernt liege, beanspruch­e Griechenla­nd ein Seegebiet von 40.000 Quadratkil­ometern um die Insel, sagte ein hochrangig­er türkischer Regierungs­vertreter kürzlich.

Im August hatten die NatoPartne­r Türkei und Griechenla­nd im Gasstreit ihre Kriegsschi­ffe aufgeboten und sich gegenseiti­g mit militärisc­her Gewalt gedroht. Ein Gasfund der Türken vor Kastellori­zo würde den Streit wohl über das damalige Maß hinaus eskalieren lassen. Bisher ist kein Gas in einem Gebiet gefunden worden, das zwischen der Türkei, Zypern und Griechenla­nd umstritten ist; die bisher entdeckten Gasfelder südlich von Zypern liegen außerhalb der türkischen Gebietsans­prüche. Nach US-Schätzunge­n lagern im östlichen Mittelmeer mindestens 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas.

Die Türkei wirft ihren Nachbarn vor, sie von der Suche nach dem Gas und der Ausbeutung der Bodenschät­ze ausschließ­en zu wollen. Ankara will deshalb die eigene Gassuche ausweiten und fasst Erkundunge­n südlich von Rhodos und bis an die Ostküste von Kreta ins Auge.

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