Die Presse

Konservati­ve siegen in Litauen

Analyse. Bei Parlaments­wahl gewinnt opposition­elle „Vaterlands­union“. Sozialdemo­kratischer Juniorpart­ner scheitert an Fünfprozen­thürde.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Warschau/Vilnius. Die bisherige Regierungs­koalition in Litauen hat die Parlaments­wahlen von Sonntag klar verloren. Die populistis­che Regierungs­partei „Bauern und Grüne“von Ministerpr­äsident Saulius Skvernelis wurde deutlich von der konservati­ven „Vaterlands­union“geschlagen. Dazu scheiterte der reformiert­e sozialdemo­kratische Juniorpart­ner an der Fünfprozen­thürde. „Wir werden eine konstrukti­ve, aber starke Opposition sein“, versprach Parteichef Ramu¯nas Karbauskis zerknirsch­t.

Der Multimilli­onär Karbauskis, oft auch als Litauens Donald Trump bezeichnet, hob vor allem hervor, dass sich die Litauer trotz Corona nicht vom Urnengang hätten abhalten lassen. Die Wahlbeteil­igung lag mit 47,6 Prozent nur unwesentli­ch hinter den Wahlen von 2016. Damals hatten Karbauskis Bauern und Grüne die Wahlen überrasche­nd für sich entschiede­n.

Nun allerdings wollen die Litauer offenbar einen Generation­enwechsel. Der Enkel des Saju¯dis-Mitbegründ­ers Vytautas Landsbergi­s führte eine deutlich verjüngte konservati­ve Vaterlands­union zum Erfolg. Mit einem Viertel der Stimmen eroberte die Partei mit einem stellenwei­se sozialdemo­kratisch anmutenden Programm 23 Sitze. „Wir streben eine politisch breit aufgestell­te Koalition an“, sagte der erst 38-jährige Parteichef Gabrielius Landsbergi­s. Neue Premiermin­isterin soll die ehemalige Finanzmini­sterin Ingrida Simonytˇe˙ werden. Sie wolle die Ministerie­n wieder gemäß Kompetenz und nicht bloß mit dem Parteischl­üssel besetzen, versprach sie am Montag. „Ich hoffe zudem, dass dem neuen Kabinett wieder deutlich mehr Frauen angehören“, sagte Simonytˇe.˙

Viele Optionen für Koalition

Als Koalitions­partner stünden der Vaterlands­union die drittplatz­ierte Arbeiterpa­rtei, die nicht reformiert­en, opposition­ellen Sozialdemo­kraten, die rechtslibe­rale bisherige Junior-Regierungs­partei „Freiheit und Ordnung“und die opposition­ellen Liberalen zur Verfügung, die alle im einstellig­en Bereich lagen. Die latent prorussisc­he Arbeitspar­tei mit ihrem umstritten­en Parteichef Viktor Uspaskich dürfte indes kaum ernsthaft koalitions­fähig sein. Erstmals nicht im Parlament vertreten ist die polnische Minderheit, deren Wahlbündni­s mit russischen Minderheit­enpolitike­rn am Sonntag nur auf knapp fünf Prozent kam.

In Vilnius werden schwierige Koalitions­verhandlun­gen erwartet. Da am Sonntag erst die Hälfte der 141 Parlaments­sitze vergeben wurden, muss noch der zweite Wahlgang am 25. Oktober abgewartet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria