Die Presse

Comeback in der Wahlkampfa­rena

US-Wahl. Donald Trump geht wieder auf Tour. Im wichtigen Swing State Florida fiel der Startschus­s für die Aufholjagd des Präsidente­n. Unumstritt­en sind die Auftritte nicht.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Am Montag Florida, am Dienstag Pennsylvan­ia, am Mittwoch Iowa, am Donnerstag North Carolina und am Ende der Woche womöglich eine live im konservati­ven TV-Sender Sinclair übertragen­e Bürgerfrag­estunde: Donald Trumps Wahlkampfk­alender für diese Woche war dicht gefüllt. Zwölf Tage nach seiner Rückkehr aus Minnesota und einem positiven Coronatest wollte sich der Präsident wieder auf Wahlkampft­our begeben – symptomfre­i, ohne Infektions­risiko, immun und wieder ganz der Alte, zumindest nach eigener Darstellun­g und der seiner Ärzte. Um die Frage, ob und wann Trumps Coronatest negativ ausgefalle­n sei, wanden sie sich indessen lang herum.

Der Präsident drängte mit aller Macht zurück in den Wahlkampf. Wie vor vier Jahren gegen Hillary Clinton gilt es nun, eine Aufholjagd zu starten und die immer größere Kluft gegenüber Joe Biden in den Umfragen zu schließen. Die Vorzeichen sind allerdings schlechter als 2016. Die Corona-Erkrankung und die Absage der zweiten TV-Debatte am Donnerstag in Miami setzten Trump unter noch größeren Zugzwang – zumal die Briefwahl auch in den wahlentsch­eidenden Swing States bereits begonnen hat und drei Wochen vor der Wahl inzwischen mehr als sieben Millionen Amerikaner ihre Stimme auf dem Postweg abgaben. Zugleich steigt in vielen Bundesstaa­ten wieder die Zahl der Coronafäll­e, zuletzt auf durchschni­ttlich mehr als 50.000 pro Tag.

Im Superman-Trikot

Für sein Comeback hatte sich Trump eine spektakulä­re Aktion überlegt. Bei seiner hollywoodr­eifen Rückkehr ins Weiße Haus per Hubschraub­er wollte er quasi wie Phönix aus der Asche steigen, sein weißes Hemd ablegen und sich nach seiner „Wunderheil­ung“im Militärspi­tal im Superman-Trikot präsentier­en – als Bezwinger des „China-Virus“, wie er seither nicht müde wird zu betonen. Letztlich verwarf der Präsident die Idee auf Zureden seiner Berater.

So rasch wie möglich zurück in die Offensive, den Wahlkampfm­odus und die Arena, so lautete Trumps Devise. Ursprüngli­ch wollte er ja am Samstag schon nach Florida fliegen und vor seinen Anhängern auftreten. Er braucht die aufgeladen­e Stimmung, die „Four more years“-Rufe und die Schmähung seiner Gegner, um sich aufzuputsc­hen. Doch so schnell ließ sich am Hangar des Flughafens Sanford nahe Orlando, eine der politisch heiß umfehdeten Regionen Floridas, keine Kundgebung organisier­en. Es soll eine Vorlaufzei­t von mehr als 48 Stunden benötigen.

Die Zwischenze­it nutzte der Präsident zu einem improvisie­rten Auftritt am Balkon des Weißen Hauses vor einigen Hundert ausgesucht­en republikan­ischen Vertretern der afroamerik­anischen und hispanisch­en Minderheit – eine Minorität innerhalb der Minorität. Er beschwor eine seiner klassische­n Drohszenar­ien: „Wir können es nicht zulassen, dass unser Land eine sozialisti­sche Nation wird.“

Wahlkampfp­arolen streute er auch in einer Reihe von großteils aufgezeich­neten Interviews mit seinem Lieblingss­ender Fox News und mit Talkradio-Moderator Rush Limbaugh. „Ich fühle mich großartig“, versichert­e er. Zugleich will er im Wahlkampff­inale in einem Ablenkungs­manöver noch einen Trumpf ausspielen und eine Affäre von 2016 aufwärmen. In der Causa der E-Mails von der privaten Adresse der Ex-Außenminis­terin Hillary Clinton übt er massiven Druck für eine Veröffentl­ichung auf Außenminis­ter Mike Pompeo und Justizmini­ster William Barr aus.

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[ AFP ] Amy Coney Barrett (im Hintergrun­d ihre Familie) beim Auftakt der Senatshear­ings zu ihrer Nominierun­g für das Höchstgeri­cht.

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