Comeback in der Wahlkampfarena
US-Wahl. Donald Trump geht wieder auf Tour. Im wichtigen Swing State Florida fiel der Startschuss für die Aufholjagd des Präsidenten. Unumstritten sind die Auftritte nicht.
Wien/Washington. Am Montag Florida, am Dienstag Pennsylvania, am Mittwoch Iowa, am Donnerstag North Carolina und am Ende der Woche womöglich eine live im konservativen TV-Sender Sinclair übertragene Bürgerfragestunde: Donald Trumps Wahlkampfkalender für diese Woche war dicht gefüllt. Zwölf Tage nach seiner Rückkehr aus Minnesota und einem positiven Coronatest wollte sich der Präsident wieder auf Wahlkampftour begeben – symptomfrei, ohne Infektionsrisiko, immun und wieder ganz der Alte, zumindest nach eigener Darstellung und der seiner Ärzte. Um die Frage, ob und wann Trumps Coronatest negativ ausgefallen sei, wanden sie sich indessen lang herum.
Der Präsident drängte mit aller Macht zurück in den Wahlkampf. Wie vor vier Jahren gegen Hillary Clinton gilt es nun, eine Aufholjagd zu starten und die immer größere Kluft gegenüber Joe Biden in den Umfragen zu schließen. Die Vorzeichen sind allerdings schlechter als 2016. Die Corona-Erkrankung und die Absage der zweiten TV-Debatte am Donnerstag in Miami setzten Trump unter noch größeren Zugzwang – zumal die Briefwahl auch in den wahlentscheidenden Swing States bereits begonnen hat und drei Wochen vor der Wahl inzwischen mehr als sieben Millionen Amerikaner ihre Stimme auf dem Postweg abgaben. Zugleich steigt in vielen Bundesstaaten wieder die Zahl der Coronafälle, zuletzt auf durchschnittlich mehr als 50.000 pro Tag.
Im Superman-Trikot
Für sein Comeback hatte sich Trump eine spektakuläre Aktion überlegt. Bei seiner hollywoodreifen Rückkehr ins Weiße Haus per Hubschrauber wollte er quasi wie Phönix aus der Asche steigen, sein weißes Hemd ablegen und sich nach seiner „Wunderheilung“im Militärspital im Superman-Trikot präsentieren – als Bezwinger des „China-Virus“, wie er seither nicht müde wird zu betonen. Letztlich verwarf der Präsident die Idee auf Zureden seiner Berater.
So rasch wie möglich zurück in die Offensive, den Wahlkampfmodus und die Arena, so lautete Trumps Devise. Ursprünglich wollte er ja am Samstag schon nach Florida fliegen und vor seinen Anhängern auftreten. Er braucht die aufgeladene Stimmung, die „Four more years“-Rufe und die Schmähung seiner Gegner, um sich aufzuputschen. Doch so schnell ließ sich am Hangar des Flughafens Sanford nahe Orlando, eine der politisch heiß umfehdeten Regionen Floridas, keine Kundgebung organisieren. Es soll eine Vorlaufzeit von mehr als 48 Stunden benötigen.
Die Zwischenzeit nutzte der Präsident zu einem improvisierten Auftritt am Balkon des Weißen Hauses vor einigen Hundert ausgesuchten republikanischen Vertretern der afroamerikanischen und hispanischen Minderheit – eine Minorität innerhalb der Minorität. Er beschwor eine seiner klassischen Drohszenarien: „Wir können es nicht zulassen, dass unser Land eine sozialistische Nation wird.“
Wahlkampfparolen streute er auch in einer Reihe von großteils aufgezeichneten Interviews mit seinem Lieblingssender Fox News und mit Talkradio-Moderator Rush Limbaugh. „Ich fühle mich großartig“, versicherte er. Zugleich will er im Wahlkampffinale in einem Ablenkungsmanöver noch einen Trumpf ausspielen und eine Affäre von 2016 aufwärmen. In der Causa der E-Mails von der privaten Adresse der Ex-Außenministerin Hillary Clinton übt er massiven Druck für eine Veröffentlichung auf Außenminister Mike Pompeo und Justizminister William Barr aus.