Die Presse

„Enttäuscht­e Erwartunge­n“bei Kooperatio­n mit China

Diplomatie. Experten sehen Meinungsum­schwung gegenüber Peking in Ost- und Südosteuro­pa. Washington­s China-Politik werde sich kaum ändern.

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Wien. Es zählt zu den großen strategisc­hen Vorhaben Pekings: Mit der sogenannte­n neuen Seidenstra­ße will China seine Wirtschaft­sbeziehung­en – und damit auch seinen politische­n Einfluss – ausdehnen. Dabei versucht das Land auch, in Europa stärker Fuß zu fassen – vor allem in Ost- und Südosteuro­pa. Am Höhepunkt der Corona-Krise hatte China mit großer propagandi­stischer Show Hilfe nach Serbien gebracht – und serbische Politiker bedankten sich bei „Bruder“Xi Jinping, dem Staatschef Chinas.

Aber ist Peking in Ost- und Südosteuro­pa tatsächlic­h so stark? „Wir haben viele Umfragen in der Region gemacht und dabei einen sehr deutlichen Meinungsum­schwung gegenüber China festgestel­lt“, sagt Janka Oertel, Direktorin des Asien-Programms des European Council on Foreign Relations. China sei in der innenpolit­ischen Debatte dieser Länder angekommen. Oertel nahm gemeinsam mit anderen Experten per Videoschal­tung an einem Pressegesp­räch zu den europäisch-chinesisch­en Beziehunge­n teil, das von der deutschen Botschaft in Wien veranstalt­et wurde.

Strukturpr­obleme in Brüssel

Und was tut die EU, um Chinas Einflussve­rsuchen in Ost- und Südosteuro­pa entgegenzu­halten? Zwar gebe es durchaus ein gemeinsame­s Vorgehen, meint

Oertel. Zugleich ortet sie aber strukturel­le Probleme in Brüssel. Die EU habe genug Geld – es brauche aber den politische­n Willen, es auch einzusetze­n, kritisiert Oertel.

Großinvest­itionen bleiben aus

Auch Mikko Huotari, Direktor des Mercator Institute for China Studies, registrier­t, dass es in Ost- und Südosteuro­pa zum Teil ein Umdenken gegenüber China gebe. Die Zusammenar­beit Pekings mit den Ländern der Region sei auch eine „Geschichte der enttäuscht­en Erwartunge­n“und der „nicht materialis­ierten Investitio­nen“. Abgesehen von der Zuglinie von Belgrad nach Ungarn habe es zuletzt keine großen Investitio­nen Chinas in der Region mehr gegeben, sagt Huotari.

Peking hat das sogenannte 17 plus 1-Format ins Leben gerufen, eine Kooperatio­n Chinas mit 16 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuro­pas – darunter auch viele EUStaaten. Damit versuche Peking zwar Einfluss auf Mehrheitse­ntscheidun­gen in Brüssel zu nehmen, sagt Huotari. Zugleich stelle sich aber die Frage, inwieweit es damit gegen „Schwergewi­chte wie Deutschlan­d, Frankreich und Italien“auftreten könne.

Grundsätzl­ich sieht Huotari eine „Zeitenwend­e“im Verhältnis der EU zu China. Dabei gebe es drei große Wegmarken: Das Verhältnis zum chinesisch­en Huawei

Konzern und den Streit, ob dieser am Ausbau des 5G-Netzes in Europa beteiligt werden sollte. Die Lage in Hongkong. Und die Entwicklun­g nach der US-Präsidente­nwahl am 3. November.

„Keine Illusionen“

Vor allem Donald Trump hat gegenüber Peking zuletzt einen sehr rauen Ton angeschlag­en. Doch vielleicht heißt der nächste Präsident im Weißen Haus ja Joe Biden. Auch in diesem Fall werde sich die US-Position gegenüber China nicht fundamenta­l ändern, sagt Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy-Institutes. „Da sollte man sich keine Illusionen machen.“(w. s.)

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