Die Presse

England führt Drei-Stufen-System gegen Corona ein

Maßnahmen. Während sich in England die Krankenhäu­ser wieder füllen, warnt Gesundheit­sberater vor „unerträgli­ch hohen Opferzahle­n“. In Schottland gelten bereits strengere Regelungen, Wales und Nordirland beraten noch.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Mit der Einführung eines flächendec­kenden Drei-Stufen Systems für England versucht die Regierung in London die stark steigende Zahl der Corona-Infektione­n in den Griff zu bekommen. Mit zuletzt 3453 Patienten seien heute bereits mehr Patienten in den Krankenhäu­sern als bei der Verhängung des Lockdowns im März, sagte gestern, Montag, Stephen Powis, der Direktor der Gesundheit­sbehörde NHS England. Ein Anstieg der Todeszahle­n sei unvermeidl­ich „wie auf den Tag die Nacht folgt“, doch ohne entschiede­ne Maßnahmen drohe eine „unerträgli­ch hohe Opferzahl“, warnte Powis.

Zone 1 („mittlere Gefahr“) umfasst Gebiete mit weniger als 100 Infektione­n auf 100.000 Bewohner, Zone 2 („hohe Gefahr“) betrifft Gegenden mit mehr als 100 Infektione­n auf 100.000 Bewohner und Zone 3 („sehr hohe Gefahr“) gilt für deutliche höhere Ansteckung­szahlen. Hier wurden tiefgreife­nde Einschränk­ungen in der Gastronomi­e, bei Kontakten zwischen Haushalten und in der Reisefreih­eit erwartet. Schulen und Universitä­ten sollten aber geöffnet bleiben. Mit den Maßnahmen wolle man „bis nach Weihnachte­n die Lage unter Kontrolle bekommen“, sagte Kulturmini­ster Oliver Dowden vor der offizielle­n Präsentati­on durch Premiermin­ister Boris Johnson.

Hotspot in Liverpool

Zuerst zur Anwendung werden die Maßnahmen im Nordwesten des Landes kommen. In der Region Liverpool wurden schon vor einer Woche 600 Infektione­n auf 100.000 Bewohner gezählt, während es im restlichen England im Durchschni­tt 74 waren. Krankenhäu­ser in Manchester, Sunderland und Harrogate wurden in Alarmzusta­nd versetzt. Zugleich steigt aber auch in anderen Landesteil­en die Ausbreitun­g des Virus rasant, wie der Mediziner Jonathan Van-Tam sagte: „In wenigen Tagen hat sich das Bild völlig gewandelt.“Die Zahl der Neuansteck­ungen in England betrug am Sonntag 12.872 Personen. Van-Tam: „Die Fakten sind gegen uns.“

Für die Pläne zur Verhängung strenger Restriktio­nen in Gebieten im Norden des Landes, die traditione­lle Hochburgen der Labour Party sind, erntete die konservati­ve Regierung Johnson schon im Vorfeld dennoch heftige Kritik. Als „ausgemacht­en Unsinn“wies der Bürgermeis­ter von Liverpool, Joe Anderson, Aussagen zurück, man habe sich auf gemeinsame Schritte verständig­t: „Das ist eine Lüge.“Obwohl die Regierung Arbeitnehm­ern von Betrieben, die nun wieder vor der Schließung stehen, bis zu zwei Drittel ihres Gehalts zu zahlen verspricht, räumte Kulturmini­ster Dowden ein: „Es wird sehr hart werden.“

Die Maßnahmen der Regierung in London treffen nur auf England zu. In Schottland gelten bereits seit Freitag verschärft­e Maßnahmen. In Wales und Nordirland wird über weitere Schritte noch beraten. Die konservati­ve politische Wochenzeit­ung „Spectator“warnt bereits vor einer „gespaltene­n Nation“und zitiert einen Minister mit den Worten: „Die Leute werden sagen, wie kümmern uns nur um den Süden.“

Partys in den Straßen

Es ist aber nicht nur die tiefe Spaltung des Landes in den (armen) Norden und den (reichen) Süden, die es der Regierung schwer macht, ihre Maßnahmen durchzuset­zen. Zahlreiche Fälle von Regelverst­ößen haben ihre Autorität nachhaltig untergrabe­n. Zuletzt soll Gesundheit­sminister Matt Hancock sich nach der Sperrstund­e in der Bar des Parlaments ein Glas Wein gegönnt und einen Scherz über das Versagen der Gesundheit­sbehörden geleistet haben. Wie als Echo kommen dann an jedem Wochenende die Bilder von Menschen nach London, die in den Straßen von Liverpool, Newcastle oder Manchester Parties feiern, als gäbe es kein Morgen.

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