Die Presse

Banken und ihre gefährdete­n Kunden

Bilanzen. Der oberste Bankenaufs­eher Andrea Enria plädiert für mehr Ehrlichkei­t in den Bankbilanz­en, weil einige Unternehme­n die Krise nicht überstehen werden. Wie das in Österreich ist.

- VON NICOLE STERN

Wien. Die Coronakris­e lässt niemanden kalt. Auch die Banken nicht. Waren sie zu Beginn dafür verantwort­lich, ihren Kunden das Überleben zu sichern, müssen sie sich nun langsam fragen, wie viele ihrer Kunden diese Krise überleben werden. Noch kann von einer Pleitewell­e keine Rede sein, im Gegenteil. Viele Unternehme­n sind zurückhalt­end damit, den Gang zum Insolvenzg­ericht anzutreten. Sobald die staatliche­n Hilfsmaßna­hmen enden, werden die Ausfälle aber kommen. Da sind sich die Experten einig.

Der Chef der EZB-Bankenaufs­icht, Andrea Enria, plädiert daher schon jetzt an die Banken, einen ehrlichere­n Blick in die eigenen Kreditbüch­er zu werfen, damit die Welle an faulen Krediten nicht zu groß wird. Laut Enria gibt es derzeit drei Gruppen von Banken: jene, die bereits begonnen hätten, das Pleiterisi­ko ihrer Kunden neu einzustufe­n, jene, die pauschal Risikovors­orgen gebildet hätten und jene, die ohne konkretes Indiz „nichts tun“.

In Österreich scheint man sich derweil noch keine Sorgen zu machen. Es wird hierzuland­e zwar nicht schmerzfre­i ablaufen, doch die Banken haben einen entscheide­nden Vorteil: Sie sind mit rekordnied­rigen Ausfallrat­en in diese Krise gegangen. Vor Corona waren nur rund zwei Prozent der Kredite (inklusive Osteuropa-Engagement der Institute) notleidend. In einer Szenarioan­alyse hat sich die Finanzmark­taufsicht nun kürzlich angesehen, was passieren würde, fielen 25 Prozent der in der Krise gestundete­n Darlehen aus. In einem solchen Fall würde sich die Quote der Non-Performing-Loans auf vier Prozent verdoppeln. Zum Vergleich: Bei über neun Prozent lag der Wert nach der Finanzkris­e.

Ganz spurlos ging diese Krise an den heimischen Banken aber auch nicht vorüber. Wie Zahlen der

Nationalba­nk zeigen, verschlech­terte sich die Ertragslag­e der Kreditinst­itute in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gravierend.

Gewinne stark eingebroch­en

Der Gewinn sank im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 75 Prozent oder 2,6 Mrd. Euro auf 887 Mio. Euro. Zurückzufü­hren war dies auf erhöhte Wertminder­ungen und Rückstellu­ngen für das Kreditrisi­ko. Diese machten zum Halbjahr 1,72 Mrd. Euro aus, was einem Plus von 1,78 Mrd. Euro gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 entspricht. Das heißt, die Banken haben bereits Vorsorgen getroffen, obwohl sie das in vielen Fällen nicht hätten machen müssen. Diesen Spielraum – für gesetzlich­e und private Moratorien – gewährte ihnen die europäisch­e Bankenaufs­icht mit Beginn der Coronakris­e.

Gestundete Kredite mussten nämlich nicht als solche gekennzeic­hnet werden (viele Banken protokolli­erten die Darlehen intern trotzdem). Für die Geldhäuser eine Erleichter­ung, da offiziell gestundete Darlehen mitunter das Eigenkapit­al verringern. „Diese Wirkung konnte man mit den Maßnahmen der Aufsicht nun etwas neutralisi­eren“, sagt Franz Rudorfer, Geschäftsf­ührer der Bankenspar­te in der Wirtschaft­skammer. Dadurch wurde Luft für die Kreditverg­abe frei. Doch durften die Banken von diesen Erleichter­ungen nur noch bis Ende September (bei gesetzlich­en Moratorien) Gebrauch machen. Für private Stundungen lief die Frist per Ende August aus. Kredite, die von Anfang an an der Kippe standen, fielen aber ohnehin nie unter diese Regelung. Für sie mussten immer Vorsorgen gebildet werden, sagt Rudorfer.

In der Spitze gewährten die Banken private Stundungen in Höhe von 30 Mrd. Euro. Der Wert sank inzwischen auf knapp über zehn Mrd. Euro. Die gesetzlich­en Stundungen belaufen sich auf rund sieben Mrd. Euro.

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[ Reuters ] EZB-Bankenaufs­eher Enria will, dass Banken ihre Kreditbüch­er durchleuch­ten.
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