Banken und ihre gefährdeten Kunden
Bilanzen. Der oberste Bankenaufseher Andrea Enria plädiert für mehr Ehrlichkeit in den Bankbilanzen, weil einige Unternehmen die Krise nicht überstehen werden. Wie das in Österreich ist.
Wien. Die Coronakrise lässt niemanden kalt. Auch die Banken nicht. Waren sie zu Beginn dafür verantwortlich, ihren Kunden das Überleben zu sichern, müssen sie sich nun langsam fragen, wie viele ihrer Kunden diese Krise überleben werden. Noch kann von einer Pleitewelle keine Rede sein, im Gegenteil. Viele Unternehmen sind zurückhaltend damit, den Gang zum Insolvenzgericht anzutreten. Sobald die staatlichen Hilfsmaßnahmen enden, werden die Ausfälle aber kommen. Da sind sich die Experten einig.
Der Chef der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, plädiert daher schon jetzt an die Banken, einen ehrlicheren Blick in die eigenen Kreditbücher zu werfen, damit die Welle an faulen Krediten nicht zu groß wird. Laut Enria gibt es derzeit drei Gruppen von Banken: jene, die bereits begonnen hätten, das Pleiterisiko ihrer Kunden neu einzustufen, jene, die pauschal Risikovorsorgen gebildet hätten und jene, die ohne konkretes Indiz „nichts tun“.
In Österreich scheint man sich derweil noch keine Sorgen zu machen. Es wird hierzulande zwar nicht schmerzfrei ablaufen, doch die Banken haben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind mit rekordniedrigen Ausfallraten in diese Krise gegangen. Vor Corona waren nur rund zwei Prozent der Kredite (inklusive Osteuropa-Engagement der Institute) notleidend. In einer Szenarioanalyse hat sich die Finanzmarktaufsicht nun kürzlich angesehen, was passieren würde, fielen 25 Prozent der in der Krise gestundeten Darlehen aus. In einem solchen Fall würde sich die Quote der Non-Performing-Loans auf vier Prozent verdoppeln. Zum Vergleich: Bei über neun Prozent lag der Wert nach der Finanzkrise.
Ganz spurlos ging diese Krise an den heimischen Banken aber auch nicht vorüber. Wie Zahlen der
Nationalbank zeigen, verschlechterte sich die Ertragslage der Kreditinstitute in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gravierend.
Gewinne stark eingebrochen
Der Gewinn sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 75 Prozent oder 2,6 Mrd. Euro auf 887 Mio. Euro. Zurückzuführen war dies auf erhöhte Wertminderungen und Rückstellungen für das Kreditrisiko. Diese machten zum Halbjahr 1,72 Mrd. Euro aus, was einem Plus von 1,78 Mrd. Euro gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 entspricht. Das heißt, die Banken haben bereits Vorsorgen getroffen, obwohl sie das in vielen Fällen nicht hätten machen müssen. Diesen Spielraum – für gesetzliche und private Moratorien – gewährte ihnen die europäische Bankenaufsicht mit Beginn der Coronakrise.
Gestundete Kredite mussten nämlich nicht als solche gekennzeichnet werden (viele Banken protokollierten die Darlehen intern trotzdem). Für die Geldhäuser eine Erleichterung, da offiziell gestundete Darlehen mitunter das Eigenkapital verringern. „Diese Wirkung konnte man mit den Maßnahmen der Aufsicht nun etwas neutralisieren“, sagt Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bankensparte in der Wirtschaftskammer. Dadurch wurde Luft für die Kreditvergabe frei. Doch durften die Banken von diesen Erleichterungen nur noch bis Ende September (bei gesetzlichen Moratorien) Gebrauch machen. Für private Stundungen lief die Frist per Ende August aus. Kredite, die von Anfang an an der Kippe standen, fielen aber ohnehin nie unter diese Regelung. Für sie mussten immer Vorsorgen gebildet werden, sagt Rudorfer.
In der Spitze gewährten die Banken private Stundungen in Höhe von 30 Mrd. Euro. Der Wert sank inzwischen auf knapp über zehn Mrd. Euro. Die gesetzlichen Stundungen belaufen sich auf rund sieben Mrd. Euro.