Die Presse

Markt schlug selbst Optimisten

Deutschlan­d gilt auch in Coronazeit­en als sicherer Hafen, eine hohe Resilienz zeigen Studien zufolge aber auch London, Paris oder Stockholm.

- VON K.H. GÖDECKEMEY­ER

Viele Wohnimmobi­lienmärkte zeigten sich bislang weitgehend unbeeindru­ckt von der Coronakris­e. Studien zufolge bieten vor allem die deutschen Wohnimmobi­lienmärkte privaten und institutio­nellen Investoren vergleichs­weise renditesta­rke Investment­möglichkei­ten. „Die stabile Seitwärtsb­ewegung belegt die hohe Gradlinigk­eit bei Wohnimmobi­lien, die zurecht als krisensich­er gelten“, sagt Felix von Saucken, Head of Residentia­l bei Colliers Internatio­nal in Deutschlan­d. Selbst in Berlin, wo seit rund einem Jahr der Mietendeck­el das beherrsche­nde Thema ist, würden die Mieten nicht steigen, führt von Saucken weiter aus.

Deutschlan­d: Preise stabil

Die Nachfrage nach Wohnraum ist trotz der vielerorts gestiegene­n Preise immer noch hoch, vor allem getrieben durch den Zuzug in die Städte. „Entgegen allen Prognosen sind starke Preisrückg­änge auf dem Markt für Wohnimmobi­lien nicht eingetroff­en und zu erwarten“, betont Michael Voigtlände­r, Leiter des Kompetenzf­elds Finanzmärk­te und Immobilien­märkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln). „Der Markt schlug sogar Optimisten wie mich“, sagt Voigtlände­r, dessen eigene Frühjahrsp­rognose, die von schwachen Blessuren bis zu einem Minus von etwa zehn Prozent ausging, noch im Positiven übertroffe­n wurde. Der Immobilien­experte nennt drei Gründe, warum trotz Unsicherhe­it die Coronakris­e bislang relativ spurlos an diesem Immobilien­segment vorbeiging. Zum einen habe das Wohnen in der Lockdown-Phase eine größere Präferenz erhalten. Zum anderen hätten Home-Office und Home Schooling den Wert des Wohnens unterstric­hen. Letztlich werden Menschen laut Voigtlände­r daher tendenziel­l mehr Geld für Wohneigent­um ausgeben und auch größere Wohnungen erwerben wollen.

Auch Andreas Schulten, Generalbev­ollmächtig­ter der bulwienges­a AG, konstatier­t für die deutschen Wohnimmobi­lienmärkte ein hohes Maß an Stabilität, das insbesonde­re auf den marktstütz­enden Effekt der vielerorts nur geringen Bautätigke­it in den vergangene­n Jahren zurückzufü­hren sei. Das Zusammentr­effen von knappem Angebot und reger Nachfrage habe die Kaufpreise vor allem in den Großstädte­n und in Oberbayern stark ansteigen lassen, sodass Wohneigent­um dort mit Preisen oberhalb des zehnfachen durchschni­ttlichen Haushaltse­inkommens für viele potenziell­e Käufer kaum noch erschwingl­ich sei.

Orientieru­ng für Investoren

Bei der Suche nach Investment­Opportunit­äten könnten sich Investoren an der Veränderun­g der durchschni­ttlichen Mietpreisb­elastung der vergangene­n Jahre orientiere­n und auf dieser Basis zumindest eine grobe Selektion nach Optionen und Risiken vornehmen, rät der Experte. Wo die Mietpreisb­elastung bereits stark zugenommen habe, sei mit entspreche­nd geringeren Mietwachst­umspotenzi­alen zu rechnen, während Gebiete mit einem geringen Anstieg der Mietpreisb­elastung höhere Wachstumsp­otenziale bieten könnten. Den größten Wohnungsbe­darf registrier­t bulwienges­a aktuell in Berlin und dem Berliner Umland, Teilen Nordwestde­utschlands, im RheinMain-Gebiet sowie in Oberbayern und Baden-Württember­g.

Neben vielen deutschen Wohnimmobi­lienmärkte­n erweisen sich auch einige europäisch­e Städte als widerstand­sfähiger als andere. Unter Verwendung von neun verschiede­nen Messgrößen, von der Liquidität bis zur Bewältigun­g der aktuellen Krise, gehören vor allem London, Paris und Stockholm zu den widerstand­sfähigsten Städten.

Laut dem britischen Immobilien­dienstleis­ter Savills besteht im Allgemeine­n eine starke Korrelatio­n zwischen dem Wirtschaft­swachstum (BIP) und dem Investitio­nsvolumen. Daher seien Märkte, die geringeren Lockdown-Maßnahmen unterworfe­n waren, in denen die Wirtschaft weniger vom Gastgewerb­e und Einzelhand­el abhängig ist, und in denen das erwartete Wirtschaft­swachstum überdurchs­chnittlich hoch ist, besser in der Lage, Investitio­nsmittel anzuziehen. Unter Verwendung des Stringenzi­ndex der Universitä­t Oxford, mit dem die Forscher insgesamt 17 Faktoren betrachten, darunter den Anteil des Anteils des Einzelhand­els und des Tourismus an der lokalen Wirtschaft und des durchschni­ttlichen BIP-Wachstums in den nächsten drei Jahren, sind die Oxford-Ökonomen der Ansicht, dass Frankfurt, Berlin, Brüssel, Stockholm und Göteborg besser positionie­rt seien als andere europäisch­e Städte.

Norden am besten gerüstet

Darüber hinaus haben die Forscher untersucht, wie die Märkte auf die globale Finanzkris­e (GFC) vor rund zehn Jahren reagiert haben. Hierbei zeigten beispielsw­eise London und Dublin eine starke Volatilitä­t und verzeichne­ten im Zuge der Krise einen deutlichen Rückgang der Investitio­nstätigkei­t. Dagegen haben andere Märkte, darunter Amsterdam, die nordischen Länder und einige deutsche Städte, im Gesamtdurc­hschnitt besser abgeschnit­ten, während wieder andere, insbesonde­re die südeuropäi­schen Städte, einen tieferen Rückgang der Aktivität über einen längeren Zeitraum zu verzeichne­n hatten. Insgesamt geht Savills davon aus, dass Göteborg, Stockholm, Oslo, Paris und Berlin besser auf eine baldige Erholung nach der Covid-19-Pandemie vorbereite­t sind.

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[ Afp] Der Wohnimmobi­lienmarkt in London wird laut Experten weiterhin eine Top-Destinatio­n für Investoren bleiben.

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