„Ein steiniger Weg zurück“
Hotels. Der größte Verlierer der Coronakrise ist die Stadthotellerie. Aufgegeben haben Entwickler und Investoren das Segment aber nicht.
Kaum eine Branche ist von der Corona-Pandemie so stark betroffen wie die Hotellerie. Auf der einen Seite stehen viele temporäre und zunehmend dauerhafte Schließungen. Auf der anderen Seite ist die Pipeline der Hotelgesellschaften und Projektentwickler prall gefüllt – vor allem in den Top-7-Destinationen in Deutschland.
Relativ unbeschadet durch die Krise kam bisher nur die Ferienhotellerie in den Tourismusgebieten – dank einheimischer Gäste, die aufgrund der vielen Reisewarnungen lieber im eigenen Land urlaubten. „Der Sommertourismus hat eine eigene Dynamik“, sagt Martin Schaffer, Geschäftsführer und Partner der mrp hotels. Viele Top-Regionen, etwa in unmittelbarer Nähe zu Seen oder in den Bergen, hätten trotz der widrigen Umstände im heurigen Sommer profitiert. „Abseits dieser Regionen leidet das Hotelgeschäft allerdings häufig“, so Schaffer.
Hohe Ausfälle
Wenngleich unterm Strich auch in den Ferienhotels die Direktbuchungen beispielsweise im April 2020 auf knapp ein Drittel des Januar-Umsatzvolumens sanken, hat es die Stadthotellerie weitaus härter getroffen. Der Ausfall von Messen, Tagungen, Kongressen und Geschäftsreisen hat hier deutliche Spuren hinterlassen. Das hat dazu geführt, dass im Juni etwa in Wien unterm Strich ein Nächtigungs-Minus von 88 Prozent verzeichnet wurde, das sich auch im Juli nur geringfügig auf ein Minus von 73 Prozent verbesserte.
Gänzlich zum Stillstand kam die Wiener Stadthotellerie dennoch nicht. So wurde nach zweijährigen Revitalisierungsarbeiten etwa erst kürzlich das Hotel Hilton Vienna am Stadtpark an den Betreiber Hilton International übergeben. Das Hotel verfügt nunmehr über 663 Zimmer und Suiten, ein neues Konferenz- und Eventcenter sowie einen neu geschaffenen Gym- und Spa-Bereich. Für Aufsehen hat jüngst auch die Übernahme des Luxushotels „The Ring“durch die Wiener Immobilien- und Garagendynastie Breiteneder gesorgt. Der kolportierte Preis für das Haus, welches zum Verband Relais & Chateaux gehört, soll bei 28,8 Mio. Euro gelegen haben. Das 2007 vom saudischen Scheich Mohamed Al Jaber eröffnete FünfsterneHaus war seit 2016 im Besitz eines Luxemburger Fonds. Offen ist jedoch, wie es mit dem Hotel weitergehen soll. „Wir befinden uns derzeit in einer intensiven Evaluierungsphase hinsichtlich des Optimierungspotenzials und der zukünftigen Ausrichtung der Immobilie“, sagte Firmenchef Johann Breiteneder dem Wirtschaftsmagazin „Gewinn“. Dagegen musste die österreichische Schick-Hotelgruppe vier von fünf Häusern wegen der Reisewarnung für Wien schließen. Wenig Anlass für Optimismus gibt der Ausblick in die nahe Zukunft. Laut einer Umfrage des Österreichischen Hotelierverbandes (ÖHV) von Mitte September wird die österreichweite Bettenauslastung in den kommenden Wochen von niedrigen 50 Prozent auf katastrophale 38 Prozent sinken, in den Städten sogar von 35 auf 23 Prozent. „Wirtschaftliches Arbeiten ist so nicht möglich“, hält ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer fest. „Nur jedes dritte Stadthotel in Österreich kann so noch länger als ein halbes Jahr weitermachen.“Mit großen Unsicherheiten behaftet ist heuer auch der Wintertourismus. Am ehesten profitieren könnten Wellness- und Spa-Destinationen, die sich auf Inlandsstouristen spezialisiert haben, meint man bei mrp hotels.
Auslese hat begonnen
Auch der deutsche Hotelmarkt steht laut Einschätzung von Otto Lindner, Geschäftsführer der inhabergeführten Hotel-Gruppe Lindner, am Anfang einer dramatischen Auslese, die sich in den kommenden Monaten fortsetzen werde. Während die Hotellerie im vergangenen Jahrzehnt von Rekordzuwächsen verwöhnt war und Investoren zu teuren Einkäufen verführt hat, habe der Lockdown im März für ein böses Erwachen gesorgt, sagte Lindner der „FAZ“. Nach der jüngsten Umfrage des Hotelverbands Dehoga sehen knapp 62 Prozent der Betriebe ihre Existenz gefährdet.
Während immer mehr Stadthotels, darunter Luxushäuser wie das Grandhotel Hessischer Hof schließen, will die zum britischen Whitebread-Konzern gehörende Hotelgruppe Premier Inn in Deutschland weiter expandieren. Nach der jüngsten Kapitaleinlage würden dafür fast zwei Milliarden Pfund bereitstehen. Unbeeindruckt von Covid-19 soll Deutschland der Markt werden, der zum Profit von Whitbread künftig wesentlich beitragen wird, heißt es bei dem Hotelunternehmen. In Großbritannien hingegen wolle man nur noch optimieren.
Zeit der Schnäppchenjäger
Laut Erhebungen von Tophotelprojects sind in der DACH-Region in den kommenden Jahren über 900 neue Hotels mit 134.666 Zimmer geplant, wobei der Schwerpunkt auf dem mittleren und gehobenen Hotelsegment liegt. Taktgeber in der Region ist Deutschland mit 774 Hotels und 110.762 Zimmern, die demnächst in Betrieb genommen werden sollen. An zweiter Stelle rangiert die Schweiz mit 97 Objekten und 11.599 Zimmern, während sich in Österreich 90 Projekte mit 12.305 Zimmern in der Planung befinden. Ob all diese Projekte schlussendlich realisiert werden, steht in den Sternen. „Im Moment gibt es keine Nachfrage nach neuen Hotelprojekten zu vernünftigen Preisen“, sagt Thomas Winkler, Chef des Hotelentwicklers UBM Development. „Es ist die Zeit der Schnäppchenjäger und es wird ein langer, steiniger Weg zurück.“