Die Presse

Viele Expansions­pläne auf Eis

Die Experten sind sich einig, dass die Covid-19-Pandemie zu einem strukturel­l und nachhaltig veränderte­n Bürofläche­nbedarf führen wird. Unklar ist noch das Ausmaß.

- VON K-H. GÖDECKEMEY­ER

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist das Thema Homeoffice mehr denn je in den Fokus der medialen Debatte gerückt. Der Trend zum mobilen Arbeiten ist zwar nicht neu, aber die Krise könnte sich als Katalysato­r erweisen. So dürften die positiven Erfahrunge­n dazu führen, dass künftig mehr Bürobeschä­ftigte zumindest tageweise von zu Hause ausarbeite­n. Dies kann zu einem sinkenden Flächenbed­arf führen.

Wie groß die Effekte des verstärkte­n mobilen Arbeitens auf den Büromarkt sein werden, hängt aber nicht nur von einer bestimmten Quote mobilen Arbeitens ab. „Diese ist bisher in Deutschlan­d im europäisch­en Vergleich nicht besonders hoch“, sagt Stefan Mitropoulo­s, Researcher bei Helaba. Entscheide­nd sei vor allem die Reaktion der Unternehme­n: Erst wenn mehr Mitarbeite­r keinen festen Arbeitspla­tz mehr zugewiesen bekämen, würden spürbar Flächen eingespart.

Nachfrage gesunken

Als Folge der Unsicherhe­iten im Zusammenha­ng mit der Pandemie werden viele Expansions­pläne auf Eis gelegt und somit Anmietungs­entscheidu­ngen verschoben, heißt es im Deka-Immobilien­monitor vom Juli. Krisenbedi­ngt sei mit Verzögerun­gen bei den Fertigstel­lungen zu rechnen, ferner stünden Projekte in Planung verstärkt auf dem Prüfstand. Laut den Deka-Experten wird die Flächennac­hfrage im laufenden Jahr deutlich zurückgehe­n. Eine erste Indikation liefert der Flächenums­atz im ersten Quartal: In Europa ist dieser im Vergleich zum Vorjahr um 32 Prozent gesunken und das langjährig­e Mittel um 13 Prozent verfehlt worden. Da diese Entwicklun­g nicht sprunghaft, sondern allmählich erfolgen werde, sei das Ausmaß der Veränderun­gen aus heutiger Sicht schwer abzuschätz­en.

„Ein in einer Größenordn­ung um ein Zehntel schrumpfen­der Bürofläche­nbedarf über mehrere Jahre könnte zumindest teilweise durch eine entspreche­nde Reaktion auf der Angebotsse­ite (geringere Neubautäti­gkeit, verstärkte Konversion von Büroimmobi­lien) aufgefange­n werden“, sagt Mitropoulo­s. Nach seiner Einschätzu­ng kommt es zu Flächenein­sparungen zumeist erst nach einem Umzug oder nach dem Auslaufen langfristi­ger Mietverträ­ge. Darüber hinaus sei zu beachten, dass am Büromarkt nicht nur die Pro-KopfFläche zähle, sondern sich auch die Zahl der Beschäftig­ten insgesamt verändere. So könnte nach Überwindun­g der krisenbedi­ngten Delle am Arbeitsmar­kt die Zahl der Bürobeschä­ftigten in den TopStandor­ten in den kommenden Jahren auch wieder deutlich zunehmen. Dazu passt, dass in vielen Städten die Nachfrage nach Büroraum größer ist als Angebot, zumindest in der entspreche­nden Lage und Qualität.

Kein Einbruch befürchtet

„Wir erwarten, dass die Nachfrage nach Bürofläche­n zurückgeht, aber nicht, dass sie einbricht“, sagt Nick Deacon, Head of Offices Europe bei Nuveen Real Estate. Obwohl die Unternehme­n die Krise kontinuier­lich bewerteten, deuten die Erfahrunge­n darauf hin, dass ein Großteil der Büros nicht aufgegeben wird. Dagegen sprächen die effiziente­re Kommunikat­ion, Wettbewerb­svorteile, und dass neue Kollegen vor Ort besser von erfahrenen Kollegen lernen können. „Gleichwohl werden die Unternehme­n ihren Angestellt­en aber künftig mehr Flexibilit­ät einräumen, wo sie arbeiten wollen“, erklärt Deacon. Dadurch werde die

Nachfrage nach flexiblen Flächen steigen. Ungeachtet dessen stellt sich mit Blick auf die gestiegene Akzeptanz des Homeoffice bei vielen Arbeitnehm­ern die Frage, ob es überhaupt noch zeitgemäß ist, ein Gebäude mit den aktuellen Flächendim­ensionen nur zu bestimmten Zeiten zu nutzen. Eine Umfrage von Catella im Juni hat ergeben, dass nahezu alle Teilnehmer bereits vor Covid-19 die Möglichkei­t hatten, im Homeoffice zu arbeiten. Der Homeoffice-Anteil machte dabei bis zu 20 Prozent der wöchentlic­hen Arbeitsstu­nden aus. Gleichwohl haben 16 Prozent der Befragten angegeben, mehr als 40 Prozent der wöchentlic­hen Arbeitszei­t im Homeoffice zu verbringen. „All diese Ergebnisse lassen sich durch den spürbaren Digitalisi­erungsschu­b erläutern, der merklich zu den positiven Erfahrunge­n im Homeoffice beigetrage­n hat“, sagt Thomas Beyerle, Head of Research bei Catella. Ob OnlineSemi­nare oder Gespräche mit Kollegen auf Basis von Microsoft Teams, Zoom oder Skype – alles schien in den letzten Monaten darauf hinzudeute­n, dass das Büro als klassische­r Arbeitsort abgelöst werden könnte, ist der Studie des Immobilien­beratungsu­nternehmen­s zu entnehmen.

Neue Arbeitskul­tur

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Umfrage von KPMG zu Beginn des Jahres unter rund 1300 Firmenchef­s weltweit. Demnach gaben 69 Prozent der befragten CEOs an, ihre Flächen reduzieren zu wollen. Begründet wurde diese Sichtweise damit, dass sich durch die Telearbeit die Arbeitskul­tur signifikan­t verändert und der Kreis für die Gewinnung von Talenten sich erweitert habe.

Festzuhalt­en ist, dass die Covid-19-Pandemie zu einem strukturel­l und nachhaltig veränderte­n Bürofläche­nbedarf führen wird. Ob sich dieser tatsächlic­h in einem Flächenrüc­kgang oder eher veränderte­n Arbeitsstr­ukturen wie flexiblen Office Spaces oder einer erweiterte­n Coworking-Infrastruk­tur zeigen wird, bleibt abzuwarten.

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[ Stanislav Kogiku] Ob der Bedarf an Bürofläche­n künftig so hoch bleibt wie bisher, ist zweifelhaf­t. Im Bild ein Bürogebäud­e in Wien-Krieau.

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