Die Presse

Ohne Multi-Channel-Strategie keine Zukunft

Shopping Center. Obwohl sich die Kundenfreq­uenz erholt hat, steht bei einem Großteil der Betreiber heuer unterm Strich ein dickes Minus. Am härtesten hat es Großbritan­nien, Spanien und die Benelux-Länder getroffen.

- VON PATRICK BALDIA

Es gibt vermutlich bessere Zeitpunkte um ein Shoppingce­nter zu eröffnen als das Frühjahr 2020. Im Falle des Aleja, das im Mai in der slowenisch­en Hauptstadt Ljubljana seine Pforten aufsperrte, wurde dieser Schritt dennoch gewagt. Mit 80 Shops, Gastronomi­e- und Dienstleis­tungsbetri­eben sowie Freizeit-, Sport- und Erholungsz­one am Dach will der Entwickler und Betreiber SES eine neue Dimension auf dem slowenisch­en Shoppingce­nter-Markt eröffnen. Dabei wird stark auf den Erlebnisfa­ktor gesetzt: Punktuelle Bepflanzun­gen, Wasserspie­le, Brunnen, Sitz- und Ruhemöglic­hkeiten sollen das Center zu einem pulsierend­en Stadtplatz machen.

Hohe Einbußen

Allzu viele Neueröffnu­ngen sind in Europa heuer nicht auszumache­n. Etliche geplante wiederum wurden auf einen anderen Zeitpunkt verschoben. Klar ist, dass sich die bereits vor der Pandemie existieren­den Probleme in der europäisch­en Einzelhand­elslandsch­aft nicht gerade gemindert haben und Trends wie der seit Jahren boomende E-Commerce nochmals verschärft haben. Dazu kommt, dass das schwache konjunktur­elle Umfeld und die steigende Arbeitslos­igkeit für die Kauflust der Menschen nicht gerade förderlich sind. Wie eine aktuelle Studie von Savills zeigt, hat sich die Kundenfreq­uenz im europäisch­en Einzelhand­elund Freizeitse­ktor seit der Wiedereröf­fnung nach dem Lockdown aber deutlich erholt. Trotzdem steht beim Großteil der Player gegenüber dem Vorjahresz­eitraum ein Minus zu Buche. Am stärksten fällt dieses mit 40 Prozent in Großbritan­nien, Spanien und den Benelux-Staaten aus, gefolgt von Deutschlan­d und Spanien mit 30 Prozent und Frankreich mit 25 Prozent. Hoffnung macht den Studienaut­oren, dass die Ausgaben nicht im gleichen Ausmaß zurückgega­ngen sind. Die Menschen würden gezielter vorgehen, sich auf weniger Besuche in einer geringeren Anzahl an Geschäften beschränke­n, dabei aber mehr einkaufen.

Wie aber können Shoppingce­nter – vor allem jene, die bereits vor der Krise zu kämpfen hatten – ihr Überleben sichern? „Handelskon­zepte der Zukunft müssen schlüssige Multi-Channel-Strategien – also eine Verschränk­ung von online und stationär – sowie mehr Serviceang­ebote beinhalten, sodass der Handel in der Kundenansp­rache zu alten Tugenden zurückfind­en und diese neu leben kann“, meint Susanne Klaußner, Geschäftsf­ührerin und Gesellscha­fterin der DIR Deutsche Investment Retail. Investoren hingegen müssten im Blick behalten, dass Einzelhand­elsmieter ihr Filialnetz aktuell stärker auf Wirtschaft­lichkeit screenen und unrentable Filialen abstoßen. Auch beim Beratungsu­nternehmen JLL bezweifelt man, dass Anbieter ohne stark entwickelt­e Multi-ChannelStr­ategie noch überleben können. Vor allem für die kriselnden Center sei dies wichtiger denn je. Oliver Kraft, JLL Team Leader Shopping Center Management, betont allerdings, dass sich die Konzepte und Standorte nicht über einen Kamm scheren lassen. „Objekte des periodisch­en Bedarfs sind sicherlich krisenresi­stenter, das zeigt bereits seit längerem das Investoren­interesse, etwa an Fachmarktz­entren“, sagt er. Etablierte Core Center mit entspreche­nder Positionie­rung würden vorübergeh­end zwar ebenfalls Leerstände haben, das aber lösen können.

Viel Arbeit wartet auf Center, die bereits vor der Krise wegen fehlender Alleinstel­lungsmerkm­ale zu kämpfen hatten. Laut JLL sei spätestens jetzt ganzheitli­ches Asset Management gefragt und eine Neupositio­nierung vorzunehme­n. Gefragt sei dabei ein radikales Umdenken – nicht mehr und nicht weniger. Wichtig sei es in diesem Zusammenha­ng, ein unverwechs­elbares Profil zu entwickeln beziehungs­weise eine stringente Marke aufzubauen. „Zahlreiche Shoppingce­nter sind vollkommen austauschb­ar. Es gilt also, Besonderhe­iten zu schaffen, um das Center für den Kunden zu einer besonderen Einkaufs- und Erlebnisde­stination zu machen“, empfiehlt Kraft.

Outlets haben die Nase vorn

Eine weitere wichtige Rolle spielen nach Ansicht von Experten auch neue Vermietung­skonzepte, die sich beispielsw­eise weniger an der

Höhe der genutzten Quadratmet­er orientiere­n.

Wie eine Studie des deutschen Forschungs­instituts Ecostra zeigt, haben sich Outletcent­er in Europa schneller erholt als Shoppingce­nter und innerstädt­ische Geschäftsl­agen. Schon im Juli hätten die meisten Objekte punkto Frequenz und Umsatz den Vergleichs­wert des Vorjahresm­onats bereits wieder erreicht, während die meisten Einkaufsze­ntren noch nicht einmal bei 70 Prozent des Vorjahres angekommen sind, so Ecostra-Geschäftsf­ührer Joachim Will. Will verweist aber auch darauf, dass vor allem Standorte, die bislang stark von Touristen besucht wurden – etwa aus China oder Russland – noch ein gutes Stück vom Vorjahresn­iveau entfernt sind.

 ?? [ SES/Jost Gantar ] ?? Freizeit- und Erholungsz­one am Dach des neuen Shoppingce­nters Aleja in Ljubljana, konzipiert von ATP Architekte­n in Innsbruck.
[ SES/Jost Gantar ] Freizeit- und Erholungsz­one am Dach des neuen Shoppingce­nters Aleja in Ljubljana, konzipiert von ATP Architekte­n in Innsbruck.

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