Leitartikel von
Die Neos sind nach links gerückt. Und Michael Ludwig kommt ihnen in der Mitte ein Stück entgegen. Wächst zusammen, was letztlich zusammenpasst?
Mitunter lässt sich das Wesen österreichischer Parteien auch über Umwege charakterisieren. In den Niederlanden gibt es zwei liberale Parteien: die VVD, rechtsliberal. Die D66, linksliberal. Der Premierminister der VVD, Mark Rutte, ist einer der engsten Verbündeten von Sebastian Kurz auf europäischer Ebene, um nicht zu sagen eines seiner Vorbilder. Beide Parteien, die VVD und D66, sind eigentlich die Schwesterparteien der Neos auf europäischer Ebene. Die Präferenz der Neos ist hier allerdings eindeutig. Heuer gab es sogar eine gemeinsame Erklärung von Neos und D66 gegen die „Geizigen Vier“mit ÖVP und VVD.
Der Linksruck der Neos ist nun gewissermaßen auch amtlich bestätigt – vom Wiener Bürgermeister. Eine positive Veränderung bei den Neos habe er zuletzt wahrgenommen, sagte Michael Ludwig am Montag im ORF-Radio. Vor allem in gesellschaftspolitischen Fragen. In wirtschaftspolitischen Fragen werde man sich das nun ansehen.
Kein Zweifel: Ludwig wird das tun. Denn die Neos sind nun eine realistische Koalitionsvariante für ihn. Eine recht angenehme noch dazu. Die Flächenbezirke, denen Ludwig seinen Aufstieg verdankt, wären endlich die ungeliebten Grünen los. Und allzu viel anbieten müsste er einer Acht-Prozent-Partei auch nicht. Das Wirtschafts- und Finanzressort, auf das die Neos wohl spitzen, wird die SPÖ kaum abtreten. Mit dem Bildungsressort wäre es schon leichter: Da sind SPÖ und Neos ohnehin weitgehend eines Sinnes, abgesehen davon regiert dort ohnehin der rote Apparat (weiter).
Es wächst also möglicherweise zusammen, was zusammenpasst. Schon im Wahlkampf haben sich die Neos der SPÖ als Koalitionspartner angeboten. Und das hat sich bei der Gründung der Neos so eigentlich noch nicht abgezeichnet.
Eine österreichische Ausgabe der FDP hätten die Neos werden können, jedenfalls eine wirtschaftsliberale Variante der ÖVP. Als flottes, liberales Gegenmodell zur konservativen, drögen SpindeleggerÖVP gestartet, haben sich die Neos im Laufe der Zeit zu einer wirtschaftsfreundlicheren Ausgabe der Grünen gewandelt.
Bei den jüngsten Wahlkämpfen – ob im Bund oder in Wien – hatte man bei den Neos aufgrund der Schwerpunktsetzung den Eindruck, als würden sie vorrangig um Stimmen vormaliger Wähler der Grünen werben. Der Fokus im aktuellen Wien-Wahlkampf auf Flüchtlingsund Bildungspolitik hätte ebenso von diesen sein können, auch neue Pläne für Radwege wurden ersonnen. So viel wurde da dann allerdings auch wieder nicht geholt: Die Neos legten um 1,7 Prozentpunkte zu – gefeiert wurde dies allerdings wie ein großer Triumph.
Der Graben zwischen den bürgerlichen Parteien Neos und ÖVP ist nicht nur ein zunehmend ideologischer, sondern auch ein emotionaler: Die tiefe Abneigung vieler Neos-Führungspersönlichkeiten gegen die (Kurz-)ÖVP ist deutlich spürbar. Möglicherweise weil viele von ihnen aus der ÖVP oder deren Umfeld kommen. Die Renegaten sind dann eben oft die eifrigsten.
Zuletzt wechselte der langjährige ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath zu den Neos. Weil die ÖVP nur noch „wertfreie Machtpolitik, teils unmenschlich“mache. Umgekehrt war zu Beginn des Wahlkampfs der Neos-Mann Gregor Raidl zur Volkspartei gewechselt: Die Neos seien nicht mehr bürgerlich-liberal, sie würden vielmehr „lieber den Kurs der SPÖ einschlagen, als mit der ÖVP zu gehen“.
Dabei wäre für eine rechtsliberale Alternative – nun, da die Kurz-ÖVP ihre keynesianische Seite („Koste es, was es wolle“) in sich entdeckt hat – durchaus Platz im Land. Die Neos allerdings wollen es jetzt einmal mit der traditionellen Koste-es-was-es-wolle-Partei, der SPÖ, versuchen.
Wie gesagt: Durchaus möglich, dass das für Wien passt. Für die SPÖ jedenfalls. Und die Angst, dass da jetzt die bösen „Neoliberalen“kommen, brauchen die Genossen bei den Neos auch nicht zu haben. Die Privatisierung des KarlMarx-Hofes steht in der kommenden Legislaturperiode eher nicht an.