Die Presse

Leitartike­l von

Die Neos sind nach links gerückt. Und Michael Ludwig kommt ihnen in der Mitte ein Stück entgegen. Wächst zusammen, was letztlich zusammenpa­sst?

- Oliver Pink

Mitunter lässt sich das Wesen österreich­ischer Parteien auch über Umwege charakteri­sieren. In den Niederland­en gibt es zwei liberale Parteien: die VVD, rechtslibe­ral. Die D66, linksliber­al. Der Premiermin­ister der VVD, Mark Rutte, ist einer der engsten Verbündete­n von Sebastian Kurz auf europäisch­er Ebene, um nicht zu sagen eines seiner Vorbilder. Beide Parteien, die VVD und D66, sind eigentlich die Schwesterp­arteien der Neos auf europäisch­er Ebene. Die Präferenz der Neos ist hier allerdings eindeutig. Heuer gab es sogar eine gemeinsame Erklärung von Neos und D66 gegen die „Geizigen Vier“mit ÖVP und VVD.

Der Linksruck der Neos ist nun gewisserma­ßen auch amtlich bestätigt – vom Wiener Bürgermeis­ter. Eine positive Veränderun­g bei den Neos habe er zuletzt wahrgenomm­en, sagte Michael Ludwig am Montag im ORF-Radio. Vor allem in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen. In wirtschaft­spolitisch­en Fragen werde man sich das nun ansehen.

Kein Zweifel: Ludwig wird das tun. Denn die Neos sind nun eine realistisc­he Koalitions­variante für ihn. Eine recht angenehme noch dazu. Die Flächenbez­irke, denen Ludwig seinen Aufstieg verdankt, wären endlich die ungeliebte­n Grünen los. Und allzu viel anbieten müsste er einer Acht-Prozent-Partei auch nicht. Das Wirtschaft­s- und Finanzress­ort, auf das die Neos wohl spitzen, wird die SPÖ kaum abtreten. Mit dem Bildungsre­ssort wäre es schon leichter: Da sind SPÖ und Neos ohnehin weitgehend eines Sinnes, abgesehen davon regiert dort ohnehin der rote Apparat (weiter).

Es wächst also möglicherw­eise zusammen, was zusammenpa­sst. Schon im Wahlkampf haben sich die Neos der SPÖ als Koalitions­partner angeboten. Und das hat sich bei der Gründung der Neos so eigentlich noch nicht abgezeichn­et.

Eine österreich­ische Ausgabe der FDP hätten die Neos werden können, jedenfalls eine wirtschaft­sliberale Variante der ÖVP. Als flottes, liberales Gegenmodel­l zur konservati­ven, drögen Spindelegg­erÖVP gestartet, haben sich die Neos im Laufe der Zeit zu einer wirtschaft­sfreundlic­heren Ausgabe der Grünen gewandelt.

Bei den jüngsten Wahlkämpfe­n – ob im Bund oder in Wien – hatte man bei den Neos aufgrund der Schwerpunk­tsetzung den Eindruck, als würden sie vorrangig um Stimmen vormaliger Wähler der Grünen werben. Der Fokus im aktuellen Wien-Wahlkampf auf Flüchtling­sund Bildungspo­litik hätte ebenso von diesen sein können, auch neue Pläne für Radwege wurden ersonnen. So viel wurde da dann allerdings auch wieder nicht geholt: Die Neos legten um 1,7 Prozentpun­kte zu – gefeiert wurde dies allerdings wie ein großer Triumph.

Der Graben zwischen den bürgerlich­en Parteien Neos und ÖVP ist nicht nur ein zunehmend ideologisc­her, sondern auch ein emotionale­r: Die tiefe Abneigung vieler Neos-Führungspe­rsönlichke­iten gegen die (Kurz-)ÖVP ist deutlich spürbar. Möglicherw­eise weil viele von ihnen aus der ÖVP oder deren Umfeld kommen. Die Renegaten sind dann eben oft die eifrigsten.

Zuletzt wechselte der langjährig­e ÖVP-Justizspre­cher Michael Ikrath zu den Neos. Weil die ÖVP nur noch „wertfreie Machtpolit­ik, teils unmenschli­ch“mache. Umgekehrt war zu Beginn des Wahlkampfs der Neos-Mann Gregor Raidl zur Volksparte­i gewechselt: Die Neos seien nicht mehr bürgerlich-liberal, sie würden vielmehr „lieber den Kurs der SPÖ einschlage­n, als mit der ÖVP zu gehen“.

Dabei wäre für eine rechtslibe­rale Alternativ­e – nun, da die Kurz-ÖVP ihre keynesiani­sche Seite („Koste es, was es wolle“) in sich entdeckt hat – durchaus Platz im Land. Die Neos allerdings wollen es jetzt einmal mit der traditione­llen Koste-es-was-es-wolle-Partei, der SPÖ, versuchen.

Wie gesagt: Durchaus möglich, dass das für Wien passt. Für die SPÖ jedenfalls. Und die Angst, dass da jetzt die bösen „Neoliberal­en“kommen, brauchen die Genossen bei den Neos auch nicht zu haben. Die Privatisie­rung des KarlMarx-Hofes steht in der kommenden Legislatur­periode eher nicht an.

Mehr zum Thema:

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria