Die Presse

Die Grünen zwischen Wunsch und Wirklichke­it

Analyse. Nur rund 14 Prozent: Gegen eine starke SPÖ tun sich die Grünen schwer. Aber das ist nicht der einzige Grund.

- VON THOMAS PRIOR

Die Ausgangspo­sition hätte, jedenfalls auf den ersten Blick, nicht viel besser sein können: Gemeindera­tswahlen in Österreich­s einziger Großstadt und eine urbane Partei mit Klimaschut­z-Schwerpunk­t, die den Zeitgeist seit geraumer Zeit auf ihrer Seite hat. Klingt nach einer guten Chance für das beste Grünen-Ergebnis der österreich­ischen Geschichte, oder?

Es kam anders. Nach Auszählung der Wahlkarten werden sich die Grünen in Wien bei etwa 14 Prozent einpendeln – leicht über dem Ergebnis von 2015 zwar, aber deutlich unter jenen 20,7 Prozent, die Werner Kogler bei der Nationalra­tswahl 2019 in Wien geholt hat (bundesweit waren es damals 13,9 Prozent). Wie ist dieser Gap zu erklären?

Am ehesten mit der SPÖ: Besonders erfolgreic­h sind die Grünen offenbar immer dann, wenn sie es mit einer schwächeln­den oder schwachen SPÖ zu tun haben. Oder anders gesagt: Gegen eine starke SPÖ wachsen die grünen Bäume nicht in den Himmel.

Die grüne Klubobfrau im Parlament, Sigrid Maurer, hält einen Vergleich zwischen Gemeindera­tswahlerge­bnis 2020 und Nationalra­tswahlerge­bnis 2019 für nicht aussagekrä­ftig. Diese Unterschie­de gebe es seit jeher, sie seien nichts Ungewöhnli­ches.

Aber Maurer verhehlt auch nicht, dass die politische­n Verhältnis­se in Wien derzeit andere seien als auf Bundeseben­e: „In Wien ist die SPÖ seit vielen Jahrzehnte­n mit Abstand stärkste Kraft und baut auf starken Strukturen auf, während sie im Bund deutlich weniger überzeugen kann. Auch damit ist der Unterschie­d zu erklären.“

Das Los des Juniorpart­ners

Johannes Rauch, grüner Landesrat in Vorarlberg mit bundespoli­tischem Gewicht, hält das Ergebnis der Wiener Kollegen für „wirklich sehr gut“. Aus eigener Erfahrung – die Grünen regieren in Vorarlberg seit 2014 mit der ÖVP – wisse er, wie schwierig es als Juniorpart­ner sei: „Der Größere hat immer mehr Möglichkei­ten.“

Aber haben die Grünen ihr Potenzial in Wien wirklich ausgeschöp­ft? In Innsbruck stellen sie mit Georg Willi seit 2018 immerhin den Bürgermeis­ter. Und den Rekord bei Landtagswa­hlen halten nicht die GroßstadtG­rünen, sondern seit einem Jahr die Kollegen in Vorarlberg, die mit Johannes Rauch an der Spitze 18,9 Prozent und erstmals in der Parteigesc­hichte Platz zwei holten.

„Das ist schon richtig“, sagt Rauch. Aber im Herbst 2019 seien die Grünen gerade im Aufwind gewesen, während die zweite Coronawell­e den Bundesregi­erungspart­eien derzeit „nicht so wahnsinnig guttut“. Mit entspreche­nden Auswirkung­en in Wien. Außerdem seien Wahlen immer auch eine Frage der Konkurrenz: „Und die Neos kosten uns überall, wo sie antreten, Stimmen. Darüber werden wir auch noch reden müssen.“

Hebein unter den Werten der Grünen

Im Jahr 2005, als die Grünen um Maria Vassilakou mit 14,6 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis in Wien erreichten, gab es die Neos noch nicht. Womöglich lag es dieses Mal auch an Birgit Hebein, deren Bekannthei­tsbzw. Beliebthei­tswerte nicht mit jenen der Partei mithalten konnten. Allerdings war Hebein zum ersten Mal Spitzenkan­didatin, während Rauch seinen Rekord beim vierten Antreten aufstellte. „Das macht schon auch etwas aus“, glaubt der Landesrat.

Und nun? Rot-Grün fortsetzen, lautet die Devise bei den Grünen. Und dabei geht es nicht nur ums Prestige. Wenn man auf mehreren Regierungs­ebenen vertreten sei, könne man innerhalb der Partei „auf ganz andere Weise Doppelpass spielen“, sagt Rauch. Und in der „größten Krise der Zweiten Republik“die Pferde zu wechseln, weil es mit den Neos zum Beispiel machtpolit­isch leichter wäre, sei schon „ein Hochrisiko­projekt“. Aber diese Botschaft war dann schon an Michael Ludwig und die SPÖ gerichtet.

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Häupl für fünf Jahre die ÖVP an Bord, seit 2010 gibt es die Koalition mit den Grünen.
Quelle: Sora, Stadt Wien Grafik: „Die Presse“· GK Lange konnte die SPÖ in Wien alleine regieren. 1996 holte Häupl für fünf Jahre die ÖVP an Bord, seit 2010 gibt es die Koalition mit den Grünen.
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[ APA ] Werner Kogler schnitt bei der Nationalra­tswahl besser in Wien ab als Birgit Hebein bei der Wien-Wahl.

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