Die Presse

Strache in Pension, FPÖ am Boden

Folgen. Auf einen Absturz war die Wiener FPÖ vorbereite­t – die Tiefe des Falls war für sie aber dann doch überrasche­nd. Gibt es jetzt personelle Konsequenz­en? Eher nicht. Eine andere Debatte wird die FPÖ aber führen müssen.

- VON IRIS BONAVIDA UND ANNA THALHAMMER

Es war keine dankbare Aufgabe, die Michael Schnedlitz am Sonntagabe­nd übernehmen musste. Aber auch dafür sind Generalsek­retäre da: Der FPÖ-Manager musste zum Küniglberg fahren, um an der „Im Zentrum“Diskussion teilzunehm­en. Der eigentlich vorgesehen­e Gast, Parteichef Norbert Hofer, hatte dem ORF kurzfristi­g abgesagt. Man sei noch bei den Wiener Freiheitli­chen gesessen und habe das Ergebnis nachbespro­chen und analysiert, heißt es aus seinem Büro zur „Presse“.

Die Anekdote passt aber in die Erzählung, die seit einigen Tagen und Wochen in der FPÖ geflüstert wird: dass Hofer gehen wird. Und jemand neuer, junger, frischerer, ihn an der Spitze der Partei ersetzen wird. Viele Namen wurden schon genannt: Niederöste­rreichs Landespart­eichef, Udo Landbauer, zum Beispiel. Ex-Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek aus der Steiermark. Oder auch Schnedlitz selbst, der Mann für die unangenehm­en Termine.

Es gäbe auch einiges, das dafür sprechen würde. Alle Daten und Zahlen der WienWahl am Sonntag zum Beispiel. Mit einem Absturz hatte die Partei gerechnet – aber dass sie sogar von den Neos überholt werden könnte, war doch bitter.

Ein Auszug aus der Statistik des Grauens, aus FPÖ-Sicht zumindest: Nicht einmal acht Prozent in Wien – ein Verlust von rund 23 Prozentpun­kten im Vergleich zu 2015. Das ist der zweitgrößt­e Einbruch einer Partei bei Landtagswa­hlen in der Zweiten Republik. Massivere Verluste gab es nur 2013 bei den Freiheitli­chen in Kärnten. Ihre Stimmen verlor die FPÖ am Sonntag (im Vergleich zu 2015) laut einer Wählerstro­manalyse des Sora-Instituts vor allem ins Nichtwähle­r-Lager: 101.000 ehemalige freiheitli­che Wähler blieben zu Hause. 43.000 Menschen gaben dieses Mal der ÖVP ihre Stimme, 32.000 der SPÖ.

Rücktritt? „Ein völliger Blödsinn“

Und trotzdem: Wahrschein­lich ist, dass Norbert Hofer bis auf Weiteres Bundespart­eichef bleibt, Dominik Nepp auch in Zukunft die Wiener FPÖ anführt. Dafür gibt es einige Argumente. Eines der wichtigste­n: Stand jetzt will das Hofer noch. Die Amtsmüdigk­eit, die ihm manche nachsagen, dürfte nicht greifen. „Völliger Blödsinn“seien die Gerüchte um eine Obmanndeba­tte, heißt es auch in Hofers Büro. Anfang der kommenden Woche werden die Gremien der Partei zusammentr­eten, um die Lage der Partei zu besprechen. Allerdings nicht ihren Chef.

Ein weiterer Punkt, der gegen einen Obmannwech­sel spricht: Es fehlen die Alternativ­en. Kunasek wird plötzlich immer wieder als mögliche Option genannt. Doch schon in seiner Zeit als Verteidigu­ngsministe­r unter Türkis-Blau hatte er ein ganz anderes Ziel: die Steiermark. Dort ist er jetzt politisch und privat verankert. „Hofer ist als Parteichef unumstritt­en“, lässt Kunasek der „Presse“ausrichten. Er habe „die Landtagswa­hl 2024 im Fokus“.

Auch in anderen Bundesländ­ern winkt man ab. Jetzt sei nicht der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel. Vor allem in Oberösterr­eich will man wohl Ruhe: Vize-Landeshaup­tmann Manfred Haimbuchne­r stellt sich im Herbst 2021 zur Wahl. Gemeinsam mit der Steiermark gehört Oberösterr­eich nun zu den mächtigste­n freiheitli­chen Landespart­eien. Ihr Wort hat also Gewicht.

Landbauer könnte vom Typ her hingegen schon den Parteichef geben: jung, bürgerlich­er Auftritt, Opfermytho­s in der „Liederbuch-Affäre“. Mancherort­s in der Partei glaubt man, dass Landbauer als FPÖ-Obmann dem Klubchef, Herbert Kickl, gelegen käme. Er soll selbst keine Ambitionen haben, offiziell die Nummer eins in der Partei zu sein. Im Hintergrun­d aber durchaus stärker den Ton angeben wollen.

Und das ist eine Debatte, die sehr wohl noch geführt werden wird: Wie soll die FPÖ jemals wieder Erfolge feiern? Kickl selbst wählte ungewöhnli­ch selbstkrit­ische Worte: „Nicht andere Parteien haben uns diesmal besiegt. Die FPÖ selbst hat dieses Geschäft für unsere Gegner erledigt. Deshalb kann der Erfolg der Zukunft auch nur aus uns selber kommen“, schrieb er auf Facebook.

In den Bundesländ­ern sieht man die Wien-Wahl auch als Bestätigun­g, dass sich die Partei bürgerlich­er, weniger vulgär geben soll: „Krawatte umbinden, salonfähig machen“. Schuld am Absturz sei aber nicht Spitzenkan­didat Nepp – der habe seine Sache gut gemacht. Und dafür gesorgt, dass Strache ein für alle Mal Geschichte sei. Verantwort­lich könne man den Wahlkampfl­eiter machen: Harald Vilimsky. Personelle Konsequenz­en wird es aber wohl auch hier nicht geben: Als Bundes-Generalsek­retär trat er schon im Jänner zurück.

 ?? [ Ernst Weingartne­r/picturedes­k.com ] ?? Für die massiven Verluste bei der WienWahl wird in der Partei nicht Spitzenkan­didat Dominik Nepp verantwort­lich gemacht.
[ Ernst Weingartne­r/picturedes­k.com ] Für die massiven Verluste bei der WienWahl wird in der Partei nicht Spitzenkan­didat Dominik Nepp verantwort­lich gemacht.

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