Totalitäre Nachbarn
China/Südkorea. In der chinesischen Grenzstadt Dandong zeigen sich die Gegensätze zwischen den kommunistischen Nachbarstaaten. Peking hält weiter die schützende Hand über Pjöngjang.
In der chinesischen Grenzstadt Dandong zeigen sich die Gegensätze zu Südkorea.
Dandong. In Dandong gleicht die Erinnerungskultur an den KoreaKrieg einem nostalgischen Karneval. Während vor den Stiegen des neu eröffneten Gedenkmuseums patriotische Militärmusik aus den Lautsprechern dröhnt, posieren weiß geschminkte Frauen vom örtlichen Kader der Kommunistischen Partei in khakifarbenen Uniformen mit demonstrativ ernster Miene vor den Kameras der schaulustigen Menge. Eine präsentiert ihr Sturmgewehr, eine andere eine Handgranate.
Die Tragik des Korea-Kriegs, bei dem vier Millionen Menschen ihr Leben verloren haben, lässt sich im Inneren des Museums in der chinesischen Stadt unmittelbar an der nordkoreanischen Grenze erleben: Vor 70 Jahren schlossen sich die chinesischen Truppen den nordkoreanischen Streitkräften zum Kampf gegen Südkorea und die USA an – laut nordkoreanischer Geschichtsschreibung ein „vaterländischer Befreiungskampf“, laut südkoreanisch-westlicher Darstellung ein Angriffskrieg des nordkoreanischen Staatsgründers und Diktators Kim Il-sung. In Dandong hingegen wählten die Historiker einen Mittelweg: Am 25. Juni 1950 sei „ein Bürgerkrieg ausgebrochen“, heißt es auf Gedenktafeln.
Wohlstandsgefälle
Nur wenige Kilometer entfernt, an der Uferpromenade des Yalu-Flusses, tummeln sich Hunderte Touristen, um Fotos von der anderen Seite zu schießen: Dort liegt Nordkorea, ein für Chinesen nostalgischer Ort, der an die entbehrungsreichen Zeiten erinnert. Später zeigte sich entlang der Grenze ein krasses Wohlstandsgefälle: Auf der einen Seite die nachts von Neonlichtern angestrahlten Einkaufszentren und Apartment-Türme, auf der anderen Seite ein stockfinsteres Niemandsland.
Doch mittlerweile haben die Nordkoreaner in der Grenzstadt Sinuiju ebenfalls imposante Immobilienprojekte hochgezogen: Der „Einheitsturm“, ein blutrot angestrichener Rundbau, ragt in den Himmel empor. Doch ein Blick mit dem Fernglas entlarvt die scheinbar prosperierende Fassade: Mehrere Stockwerke stehen leer, innen unverputzt und ohne Fenster.
Zumindest militärisch kann Machthaber Kim Jong-un noch Stärke zeigen, wie neulich bei der wichtigsten Militärparade in der
Geschichte des Landes: Anlässlich der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Gründung der nordkoreanischen Arbeiterpartei präsentierte das Regime auf dem nächtlich beleuchteten Kim-Il-sung-Platz die wohl größte Langstreckenrakete der Welt, knapp 26 Meter lang.
Kims Ansprache stand indes im Gegensatz zum Säbelrasseln. Der Diktator rang sichtlich um seine Fassung. Als er den Soldaten dafür dankte, das Land – angeblich – virusfrei gehalten zu haben, liefen Tränen über seine Wangen. „Ich schwöre erneut, dass ich dem Vertrauen der Menschen gerecht werde, selbst wenn mein Körper in Stücke gerissen wird.“Dass der 36-Jährige währenddessen eine Schweizer Uhr im Wert von über 10.000 Euro trug, sorgte auf Twitter für Spott.
Xis starke Bande zu Kim
Von chinesischer Seite erhält Kim dieser Tage wieder Rückenwind. Präsident Xi Jinping ließ eine Gratulation ausrichten, in der er versprach, „die Beziehungen zwischen China und Korea gemeinsam zu verteidigen, zu festigen und weiterzuentwickeln“.
In den USA wird dies für weiteren Unmut sorgen. John Bolton, Donald Trumps früherer Sicherheitsberater, schrieb jüngst im „Wall Street Journal“: „China sollte nicht länger als Teil der Lösung für die koreanische Halbinsel behandelt werden. Peking ist – und war wahrscheinlich immer – Teil des Problems.“Anstatt zur Denuklearisierung Nordkoreas beizutragen, betrachte die chinesische Führung ein atomares Pjöngjang als nützlichen Joker, „um den Westen aus dem Gleichgewicht zu bringen“.
An der Uferpromenade in Dandong sind dieser Tage indes keine der sonst omnipräsenten nordkoreanischen Geschäftsmänner unterwegs. Stattdessen üben Jugendliche mit Baseball-Caps und Baggy-Pants an einer Skulptur zum Andenken an den KoreaKrieg ihre Skateboard-Tricks. Auf die andere Seite des Flusses verschluckt die Dunkelheit die nordkoreanische Grenzstadt Sinuiju.