Die nächste große Richtungsentscheidung
Oberösterreich-Wahl 2021. Mit der Landtagswahl in Oberösterreich steht 2021 – bisher – nur eine überregionale Wahl im Kalender. Dort entscheidet sich, ob auch die letzte blaue Bastion fällt. Die Ausgangslage der Parteien im Überblick.
Wien. Wer sich in den vergangenen Jahren an das viele Wählen gewöhnt hat, für den sind die Aussichten auf 2021 nun eher traurig. Es sei denn, man besitzt ein Wahlrecht in Oberösterreich oder Kärnten. In Kärnten finden voraussichtlich im März Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen statt. Auf die einzige überregionale Wahl muss man (voraussichtlich) bis September warten, dann wählt Oberösterreich einen neuen Landtag (plus Gemeinderäte und Bürgermeister). Die Parteien bringen sich dafür aber bereits in Stellung.
Schließt man aus den Wahlen im Bund und in Wien darauf, dass die FPÖ 2021 in Oberösterreich ein ähnliches Desaster erleben wird, dann könnte diese Wahl für die ÖVP „a gmahde Wiesn“werden, wie man das im Land ob der Enns sagen würde. Hatte der ÖVP dort doch 2015 der gewaltige Zugewinn der FPÖ einen schweren Schlag verpasst, 36 Prozent waren das schlechteste Ergebnis seit 1945. 2017 löste Thomas Stelzer, ihm lag Schwarz- bzw. später Türkis-Blau von Anfang an mehr, dann den beliebten Langzeit-Landeshauptmann Josef Pühringer ab.
Mittlerweile erreicht auch Stelzer hohe Beliebtheitswerte, in Umfragen liegt die Landespartei wieder souverän auf dem ersten Platz mit mehrheitlich über 40 Prozent. Wie es weitergeht, ist offen: Interesse an einer Koalitionsbeteiligung zeigen FPÖ und Grüne. Und auch wenn in Umfragen die FPÖ OÖ nicht so desaströs dasteht wie die Wiener Kollegen, so ist mit Blick auf traditionell viel Potenzial am rechten Rand in Oberösterreich bis 2021 ein entsprechender ÖVP-Kurs zu erwarten – schon bisher hat die Landes-ÖVP bei Themen wie Migration und Integration einen konsequenten bis harten Kurs verfolgt.
Vor allem aber steht im (coronabedingt angeschlagenen) Industrieland die Wirtschaft im Fokus. Stelzer betont stets Stabilität als Leitmotiv, sein Landesgeschäftsführer, Wolfgang Hattmannsdorfer, sprach zuletzt nach der Wien-Wahl davon, dass thematisch neben Corona und Gesundheit Arbeit und Integration im Fokus für die Wahl stehen werden.
Parteichef Manfred Haimbuchner konnte 2015 die damalige Flüchtlingskrise für sich und den oberösterreichischen Wahlkampf nutzen und verdoppelte das FPÖ-Ergebnis auf 30,4 Prozent – das beste seit 1949. Mit 18 Mandaten ist die FPÖ seither die zweite stimmenstärkste Fraktion im Linzer Landhaus. Am türkis-blauen Arbeitseinkommen der Proporzregierung hielt Stelzer auch nach der Ibiza-Affäre fest.
Trotz des freien Falls, in dem sich die blauen Ableger in anderen Bundesländern aktuell befinden, liegt die Erwartungshaltung der Freiheitlichen in Oberösterreich, in ihrem derzeit stärksten Bundesland, hoch: Ein blaugefärbtes Innviertel mit zahlreichen Bürgermeistern sowie einer Regentschaft in der drittgrößten Stadt Wels sollen für ein Ergebnis jenseits der 20 Prozent reichen – und die erste FPÖ-Erfolgsgeschichte seit den Abstürzen in Wien, der Steiermark und dem Burgenland schreiben.
Programmatisch könnte sich Manfred Haimbuchner dabei von den aktuellen FPÖ-Wahlkämpfen, etwa in Wien, abzuheben versuchen und seine wirtschaftliche Expertise an die Stelle brachialer Anti-Ausländer-Rhetorik stellen, um bei bürgerlichen Schichten zu punkten. Damit könnte er, der auch in der Frage des Bundesobmanns eine wichtige Rollen spielen könnte, eine neue FPÖ-Ausrichtung vorgeben. 2015 sollte es schließlich mit 18,4 Prozent das schlechteste Ergebnis auf Landesebene in der Zweiten Republik werden: Oberösterreich ist – abseits der Ballungsräume, wo die SPÖ in Linz und Steyr rote Bastionen verteidigt – ein eher undankbares Pflaster. Das industriestarke Land ist tiefschwarz, das hohe Wählerpotenzials aus Industrie und Produktion konnte die SPÖ dort nie richtig ausschöpfen. „Wir wollen auf jeden Fall dazugewinnen, das ist klar“, sagt Landesrätin und Spitzenkandidatin Birgit Gerstorfer.
Die Coronakrise könnte ihr tatsächlich in die Hände spielen. Schon jetzt versucht sich die ehemalige AMS-Chefin als Kämpferin für Arbeitsplätze zu profilieren: Bei einem geplanten Warnstreik bei MAN in Steyr am Donnerstag wird sie neben ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und der SPÖ-Bundesvorsitzenden, Pamela RendiWagner, auftreten. „Wir wollen zeigen, dass die SPÖ auf der Seite der Arbeiter steht.“Ob Letztere auch auf ihrer Seite stehen, wird sich im Herbst 2021 zeigen.
Aus Sicht der Grünen waren die vergangenen Jahre in Oberösterreich „verloren“, sagt Stefan Kaineder, Landesrat, stellvertretende Bundessprecher und designierte Spitzenkandidat der Grünen. Schließlich wurde die einstige schwarz-grüne Pionier-Koalition 2015 durch eine ÖVP-FPÖ-Koalition abgelöst. Seither, auch beflügelt durch den Erfolg im Bund und in Wien, ist das Ziel in Oberösterreich klar: „Grüne Politik muss am Ende einen Gestaltungsanspruch haben. Wir wollen mitgestalten, mit uns gibt es wieder einen Klimakurs in Oberösterreich, wir haben schon fünf Jahre verloren“, sagt Kaineder und stellt eine neuerliche Koalition mit der ÖVP (in der Proporzregierung sind die Grünen auch jetzt vertreten) als Ziel in den Raum. Aus der Wien-Wahl schließt er, dass konsequente Klimapolitik viel Zuspruch erhält, und: „Wer sich an der Spaltung der Gesellschaft beteiligt, wird abgestraft.“
Kaineder ist Theologe, stammt aus einer ÖVP-Familie, gilt als Pragmatiker. Ob sich mit der im Verhältnis zu früheren Zeiten, zu den Koalitionen Pühringer/Anschober, heute eher rechts orientierten Landes-ÖVP inhaltlich eine Partnerschaft ausgehen kann? „Ich habe zu Landeshauptmann Stelzer ein sehr gutes Verhältnis, ich habe das Gefühl, die ÖVP ist sehr pragmatisch.“Gemeinsame Ziele kann er sich angesichts der Coronakrise in der Kombination von Klimaschutz und Wirtschaft vorstellen. „Wir haben jetzt eine große Chance im Bereich Innovation, Technologie. Arbeitsplätze sind nur mit Klimaschutz zu schaffen, Wirtschaft und Klimaschutz, das geht nur miteinander.“
Die Liberalen kämpfen in Oberösterreich bisher gegen ihre Bedeutungslosigkeit: Anders als bei der Wien-Wahl im selben Jahr schafften es die Neos 2015 nicht in den Linzer Landtag und grundeln seither zwischen drei und vier Prozent. Für Fraktionsstatus aber brauchte es 5,3 Prozent, die Spitzenkandidat Felix Eypeltauer 2021 schaffen will. Eine urbane Wählerschicht im Zentralraum, von der Start-up-Szene geprägt, soll angesprochen werden, die derzeit 13 Ortsgruppen auf 60 wachsen. Theoretisch ist durchaus Wählerpotenzial vorhanden: Bei der Nationalratswahl stimmten immerhin 7,3 Prozent der Oberösterreicher für Beate Meinl-Reisinger.