Zehn Jahre Rot-Grün in Wien sind genug
Einwurf. Wien braucht ein ideologiefreies Jahrzehnt! Eine Fortsetzung der bisherigen Koalition könnte wieder zu einem Rechtsruck führen.
Die FPÖ ist der Verlierer der Landtagswahlen in Wien. Alle anderen Parteien haben gewonnen. Eine Fortsetzung der bisherigen Koalition könnte allerdings schon bei der nächsten Wahl zu einem Rechtsruck führen. Demokratie lebt vom regelmäßigen Machtwechsel – und 15 Jahre Rot-Grün wären eine sehr lange, zu lange Zeit. Die FPÖ wird sich wohl auch diesmal wieder konsolidieren – und die Covidkrise, das Dauerthema Migration und die Auswirkungen einer immer strengeren Klimapolitik könnten ihr in die Hände spielen.
Wie soll es also weitergehen – mit Michael Ludwig und Birgit Hebein, statt mit Michael Häupl und Maria Vassilakou? Mit der ideologisch vielleicht am weitesten „links“angesiedelten Regierung, die es in Österreich jemals auf Bundes- oder Landesebene gegeben hat? Oder könnte man sagen: „Gehen wir pragmatisch mit Problemen um, schreiten wir endlich voran, statt ständig nach links oder rechts zu schauen“? Das wäre der Unterschied zwischen einer (oft zitierten, aber selten umgesetzten) Politik der Mitte – und dumpfer Ideologie, die ständig mit gegenseitiger Schuldzuweisung arbeitet.
Die ideologische Polarisierung – von Washington bis ins Wiener Rathaus – hat fast paranoide Züge angenommen. Die Bekämpfung von Feindbildern scheint dabei um vieles wichtiger als das Erreichen von Zielen. Probleme werden verdrängt, mit Verantwortung wird Schwarzer Peter gespielt, das Diskursklima verschlechtert sich. Man streitet darüber, was gerade politisch korrekt ist – bekämpft einander aber in einem Ton, der selbst zu Zeiten, als es noch keine Political Correctness gab, sicher nicht korrekt gewesen wäre.
Ludwig sollte daher die Koalition mit den Grünen beenden. Denn dieser Konstellation kann keine hohe Problemlösungskapazität zugetraut werden. So gibt es in Wien mehr Coronafälle als in ganz Österreich. Die Verkehrspolitik konzentriert sich gefühlt darauf, Autofahrer zu quälen.
Es gibt zwei Partner-Alternativen: die ÖVP oder Neos. Beides würde einen Schritt Richtung Mitte bedeuten. Bei der ÖVP vielleicht mehr, dafür bestünde dann auch die Gefahr einer Rückkehr zum alten Postenschacher und Stillstand. Die Neos stellen zwar eine Unbekannte dar, könnten aber nach sieben Jahren in der Politik erstmals zeigen, ob sie regieren können.
Die Wiener SPÖ wird sich von niemandem wirklich „kontrollieren“lassen, aber mit den Grünen war zu beobachten, dass sie ihrem Koalitionspartner in seinem Ressort – Stichwort Verkehr – doch Spielraum lässt. Das wäre die Chance für die Neos und ihr Herzensthema Bildung. Die rot-grüne Koalition sollte jedenfalls beendet werden – nicht zuletzt, weil sonst die FPÖ schon beim nächsten Mal wieder ganz, ganz vorn sein könnte.
Christoph Bösch (* 1962 in Wien) ist Forstwirt und freier Publizist in Wien. Er ist u. a. engagiert bei der Initiative „Mehr Wahlrecht“.