Die Presse

Das Dilemma der Wiener Grünen

Nach der Wahl. Mit den Neos als Konkurrent­en um die Gunst von Michael Ludwig haben die Grünen nicht gerechnet. Nun haben sie ein ernstes Problem – mit dem eigenen Wahlergebn­is.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Die Neos als Konkurrent­en um die Gunst von Michael Ludwig.

Wien. Nach den Feiern über das grüne Wahlergebn­is in Wien holt der Alltag die Partei von Birgit Hebein wieder ein. Und vielen Grünen ist nun gedämmert, dass ihr Wahlergebn­is, das beste in der Geschichte der Wiener Grünen, ein ernstes Problem geworden ist – in zweifacher Hinsicht.

Einerseits, weil die SPÖ nur sehr widerwilli­g Macht an die Grünen abgibt – bei Rot-Grün III müsste die SPÖ einen zusätzlich­en Stadtratsp­osten den Grünen überlassen. Sie werden für die SPÖ als Koalitions­partner also deutlich teurer. Anderersei­ts haben die Neos einen Sitz im Stadtsenat erreicht und präsentier­en sich als attraktive­r Koalitions­partner. Ein Partner, der politisch billiger und weniger konfrontat­iv ist als die Grünen. Hoffen zumindest viele SPÖ-Funktionär­e.

Damit sind die Chancen auf Rot-Grün III enorm gesunken. Auch, weil der kompromiss­lose Weg von Parteichef­in Birgit Hebein gegenüber dem Koalitions­partner zwar gut bei den Grünen ankommt, bei der SPÖ aber für Unmut sorgt. Deshalb wundert es nicht, dass in der SPÖ die Stimmen für Rot-Pink lauter werden. Und derzeit läuft alles in diese Richtung, wie in SPÖ-Kreisen zu hören ist. Zusätzlich soll die Chemie zwischen Ludwig und Hebein nicht besonders gut sein.

„Steht nicht zur Diskussion“

Gerüchte, dass die Grünen Hebein austausche­n, um Rot-Grün zu retten, sind allerdings absurd. „Das steht überhaupt nicht zur Diskussion“, erklärte sie am Donnerstag kampfberei­t. Und verwies eben auf das beste Wahlergebn­is in der Geschichte der Wiener Grünen.

Hebein wird also nicht freiwillig gehen – auch, weil ansonsten der mühsam befriedete Flügelkamp­f um die Führung der Grünen wieder aufflammen würde.

Die Frage ist aber, welche Funktion Hebein bei Rot-Grün III übernehmen würde – falls es die

Grünen doch noch in die Stadtregie­rung schaffen. In der SPÖ ist Bürgermeis­ter Michael Ludwigs politische Hausmacht, die bevölkerun­gsreichen Flächenbez­irke, geschlosse­n für Rot-Pink. Sie klagen schon lang über Probleme mit der grünen Verkehrsst­adträtin. Dazu kommt: Die Grünen dürften im Falle von Rot-Grün III das Bildungsre­ssort fordern. Das könnte den alten Kampf zwischen dem linken Lager (vertreten durch Klubchef David Ellensohn) und dem Realo-Lager (vertreten durch Planungssp­recher Peter Kraus) um den zweiten Stadtratsp­osten wieder aufflammen lassen.

Grüne Stadträte sind naturgemäß eine grün-interne Entscheidu­ng. Die SPÖ könnte sie aber beeinfluss­en, um Hebein zum Abgang aus dem Verkehrsre­ssort zu überreden. Als rotes Angebot könnte das riesige Gesundheit­sund Sozialress­ort aufgeteilt werden. Hebein (sie ist Sozialarbe­iterin) bekäme das Sozialress­ort – selbst wenn der Verlust des roten Kernressor­ts die SPÖ schwer treffen würde. „Es wäre aber eine Möglichkei­t“, so ein SPÖ-Politiker, der anonym bleiben möchte: „Auch wenn Peter Hacker (Sozialund Gesundheit­sstadtrat, Anm.) unfassbar toben würde.“

Verlässt Hebein ihr Ressort?

In der Folge könnte die SPÖ das Verkehrsre­ssort führen, während der grüne Gemeindera­t Peter Kraus Planungsst­adtrat mit Klimaschut­zagenden wird. Er war unter Maria Vassilakou für Planung zuständig, und die SPÖ könnte mit dem Realo leben. Ob Hebein das Ressort wechseln würde, dazu hielt sie sich am Donnerstag noch sehr bedeckt.

Was passiert, wenn sich das linke Lager beim zweiten Stadtratsp­osten gegen den Realo-Flügel durchsetzt? „Dann würde ich lieber Rot-Pink wagen. Mit Ellensohn geht das sicher nicht“, meint ein einflussre­icher Genosse.

Trotzdem werden sich die Grünen nicht vorschreib­en lassen, wer grüner Stadtrat wird. Der Abgang Hebeins aus dem Verkehrsre­ssort könnte aber eine rote Koalitions­bedingung werden.

Scheitert Rot-Grün III, wird es für Hebein noch ungemütlic­her. Dann dürfte ein Flügelkamp­f mit gegenseiti­gen Vorwürfen ausbrechen, wer für das Scheitern von Rot-Grün verantwort­lich ist. Und: Hebein würde als grüne Opposition­schefin eine entspreche­nde Plattform benötigen; also die Position einer Klubchefin. Dass Ellensohn seinen Job kampflos aufgibt, ist zu bezweifeln. Wobei den Grünen bewusst ist: Mit ihrer bedächtige­n Art ist Hebein als Opposition­schefin ebenso gut geeignet wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im Parlament.

Landen die Grünen in Opposition, steht auch ein Konflikt bevor; wegen der Frage: Wer bekommt die beiden Posten der nicht amtsführen­den Stadträte?

 ?? [ APA/Karo Pernegger ] ?? Der Erfolg der Neos wird zum Problem der Wiener Grünen: Klubchef David Ellensohn, Quereinste­igerin Judith Pühringer, Vizebürger­meisterin Birgit Hebein, Planungssp­recher Peter Kraus (v. li.) am Donnerstag.
[ APA/Karo Pernegger ] Der Erfolg der Neos wird zum Problem der Wiener Grünen: Klubchef David Ellensohn, Quereinste­igerin Judith Pühringer, Vizebürger­meisterin Birgit Hebein, Planungssp­recher Peter Kraus (v. li.) am Donnerstag.

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