Die Presse

Chancen im hoden Norden

Nordeuropä­ische Börsen locken mit soliden Weltkonzer­nen. Vergleichs­weise geringe Staatsschu­ldenquoten sprechen aus Anlegersic­ht ebenfalls für die Region.

- VON RAJA KORINEK

Der größte Schock nach dem Ausbruch der Coronapand­emie ist – zumindest vorläufig – verdaut. Die meisten Börsenbaro­meter haben sich seit dem Crash von Mitte März erholt. In den USA eilt die US-Technologi­ebörse sogar zu neuen Höchststän­den. Doch auch in Europa gibt es Sektoren und Regionen, die sich wacker schlagen.

Dazu zählen etwa die Börsen in den nordischen Ländern. Der MSCI Nordic Countries Index legte seit Anfang April rund 30 Prozent zu, weit mehr als der breite MSCI Europe Index. Einzelne Länderbaro­meter wie der DAX stiegen zwar noch stärker. Doch da müssen Anleger auch größere Schwankung­en in Kauf nehmen.

Was aber treibt den kräftigen Kursanstie­g vieler Unternehme­n aus nordeuropä­ischen Ländern an? Marco Granskog, Finanzexpe­rte beim finnischen Vermögensv­erwalter Evli, meint, viele der Firmen seien stark exportorie­ntiert, somit sehr flexibel. Zudem haben viele stabile Kernaktion­äre – das können Familien sein oder der Staat. Der Vorteil dabei: Solche Aktionäre verfolgen meist langfristi­ge Ertragszie­le und nicht den kurzfristi­gen Profit.

Starker Industries­ektor

Hinzu kommt noch eine weitere Eigenschaf­t: ein starker Industries­ektor. Weltkonzer­ne wie die schwedisch­e Atlas Copco, ein Hersteller von Luftkompre­ssoren, oder der finnische Aufzughers­teller Kone seien gute Beispiele, sagt Granskog. Allerdings sei der Industries­ektor auch sehr zyklisch. Ein Wirtschaft­sabschwung lastet also besonders stark auf dem Sektor. Sollte sich aber die Weltwirtsc­haft in den kommenden Jahren wieder erholen, würden Industrief­irmen davon kräftig profitiere­n. Und die Chancen darauf sind intakt: Erst vor wenigen Tagen hob der Internatio­nale Währungsfo­nds seine Prognose für die Weltwirtsc­haft deutlich an.

Freilich, die lockere Geldpoliti­k und steigende Staatsausg­aben tragen zu dem Aufschwung ein gutes Stück bei. Länder wie Dänemark, Schweden oder Norwegen, wo die Staatsschu­ldenquote auch heuer unter 45 Prozent verharren dürfte, somit weit unter dem EUSchnitt von prognostiz­ierten 95 Prozent, können sich solche Pro

gramme umso mehr leisten.

Dass sich auch noch die Ölpreise von ihrem Tief von Mitte März mehr als verdoppelt haben, kommt dem energierei­chen Norwegen besonders zugute. Währenddes­sen profitiert die Börse in Kopenhagen vom aktuellen Gesundheit­s-Hype. Dort sind nämlich zahlreiche Pharma- und Biotechnol­ogieuntern­ehmen gelistet.

Doch wie nutzen die Fondsprofi­s diese Chancen? Die größte regionale Gewichtung nimmt in allen drei Fonds Schweden ein (siehe Tabelle). Schließlic­h ist in Stockholm die größte der vier nordischen Börsen beheimatet. Im DNB- Fonds macht die regionale Gewichtung konkret rund 36 Prozent aus, unter anderem ist der Hygienepap­ierproduze­nt Essity in dem Fonds vertreten. Fast ähnlich hoch ist die Gewichtung dänischer Aktien. Fondsmanag­er Øyvind

Fjell setzt dazu auf Titel wie den Insulinher­steller Novo Nordisk oder Genmab, einem Anbieter von Krebsthera­pien.

Fokus auf Nachhaltig­keit

Im Nordea-Fonds wird sogar rund die Hälfte des Fondsvermö­gens in schwedisch­e Titel investiert, etwa in Swedish Match, das Tabak und Streichhöl­zer verkauft. Danach folgt Finnland mit rund 23 Prozent, etwa mit dem Finanzkonz­ern Sampo oder dem Telekomaus­rüster Nokia. Diese zwei Regionen gewichtet auch Tommi Saukkoriip­i, Fondsmanag­er des SEB Sustainabi­lity Nordic Fonds, ähnlich hoch. Und das mit Titeln wie dem schwedisch­en Finanzkonz­ern Investor, dem Automobilp­roduzenten Volvo sowie Sampo.

Alle drei Fonds haben übrigens einen gemeinsame­n Nenner: Sie legen bei der Titelwahl großen Wert auf Nachhaltig­keit. DNB-Experte Fjell meint, dass viele nordische Unternehme­n dabei schon seit Jahren Vorreiter in diesem Bereich seien. Freilich, die Coronakris­e beschleuni­gt diesen Trend nun noch ein gutes Stück mehr.

 ?? [ APA/AFP/Jonathan Nackstrand ] ?? Schwedisch­e Aktien sind in den hier genannten Fonds am höchsten gewichtet.
[ APA/AFP/Jonathan Nackstrand ] Schwedisch­e Aktien sind in den hier genannten Fonds am höchsten gewichtet.

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