Die Presse

An den Börsen geht die Angst um

Die Neuinfekti­onen steigen rasant, in den USA ist ein Konjunktur­paket in weite Ferne gerückt. Das belastet die Aktienmärk­te, die ein Ende der wirtschaft­lichen Erholung befürchten.

- VON NICOLE STERN

Wien. Britische Bürger aus unterschie­dlichen Haushalten, die einander nicht mehr besuchen dürfen, slowenisch­e Schüler, die bald in den Onlineunte­rricht wechseln und französisc­he Großstädte­r, über die eine nächtliche Ausgangssp­erre verhängt wird. Die steigenden Corona-Neuinfekti­onen stellen nicht nur eine Herausford­erung für die nationalen Gesundheit­ssysteme dar, sie drohen auch der prognostiz­ierten wirtschaft­lichen Erholung den Garaus zu machen. Die Aktienmärk­te zeigen sich von dieser Entwicklun­g alarmiert, wie sich einmal mehr am Donnerstag zeigte. „Dies alles deutet auf eine größere Belastung für die Wirtschaft im vierten Quartal hin und rechtferti­gt eine Anpassung der Aktienkurs­e“, sagt Derek Halpenny von der Bank Mitsubishi UFJ.

Und so verlor der Frankfurte­r Leitindex DAX am Donnerstag zwischenze­itlich drei Prozent. Kein einziges Unternehme­n konnte sich am vorletzten Handelstag der Woche im Plus halten, zu den größten Verlierern zählten neben dem Chemiekonz­ern BASF, auch die Autowerte von Volkswagen und BMW.

In diesem Jahr hat der deutsche Leitindex bereits um rund 4,6

Prozent nachgegebe­n. Von seinem 52-Wochen-Hoch liegt er aber nur noch rund acht Prozent entfernt. Die Erholung der vergangene­n Monate hat der Index also durchaus mitgemacht, seit Längerem allerdings schon zündet er nicht.

Anleihen wieder gefragt

In unsicheren Zeiten ziehen sich die Anleger nämlich aus dem Aktienmark­t zurück, sie strömen in sichere Währungen, wie etwa den Dollar, der nicht erst seit Donnerstag wieder stärker gefragt ist. Auch bei Staatsanle­ihen, unter anderem bei jenen Deutschlan­ds, suchen die Investoren Zuflucht. Und so fielen die Renditen von deutschen Papieren mit zehnjährig­er Laufzeit – die als europäisch­e Benchmark gelten – auf ein Siebenmona­tstief. Die Rendite lag bei Minus 0,62 Prozent. Das hatte auch Auswirkung­en auf die Anleihenmä­rkte von Frankreich und Belgien, deren Renditen ebenfalls am Donnerstag nachgaben.

Für Unsicherhe­it sorgte auch Großbritan­nien. Die EU und das Vereinigte Königreich versuchen sich derzeit an einem Handelsabk­ommen – ein schwierige­s Unterfange­n. Am Donnerstag beriet man am EU-Gipfel über den Stand der Dinge.

Auch in den USA deutet derzeit alles auf eine Hängeparti­e hin. Ein neues Konjunktur­paket, das die Börsen anschieben könnte, dürfte sich vor den Präsidents­chaftswahl­en nicht mehr ausgehen. Demokraten und Republikan­er streiten über die Höhe der Finanzspri­tzen, zu einer Einigung konnte man sich bisher nicht durchringe­n. Das belastet die Finanzmärk­te. Ebenso wie nicht gerade erfreulich­e Konjunktur­daten. So trübte sich die Stimmung in den New Yorker Industrieu­nternehmen im Oktober überrasche­nd ein. Auch die Erstanträg­e auf USArbeitsl­osenhilfe stiegen in der vergangene­n Woche überrasche­nd an und liegen damit weiterhin auf einem sehr hohen Niveau.

Schon in den letzten Wochen machte der breite S&P-Index eine kleine Achterbahn­fahrt durch. Im traditione­ll schlechten September korrigiert­e er um fast zehn Prozent. Geschuldet war das nicht zuletzt den Technologi­ewerten, die in den Monaten zuvor neue Allzeithoc­hs erreichten. Ende September drehte schließlic­h das Blatt, es kam zu einer deutlichen Erholung.

Nach wie vor zahlen die Investoren im S&P 500 aber das 22-Fache der zukünftige­n Gewinne, um die Hälfte mehr als im Schnitt der vergangene­n zehn Jahre.

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[ APA/AFP/ANGELA WEISS ] Die Wall Street startete am Donnerstag mit Verlusten in den Handel.

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