Die Presse

„Ich hasse Männer“– also auf zur Selektion!

Eine 25-jährige Autorin fordert ein „Existenzre­cht“für Misandrie. Da war Doris Lessing schon weiter. Pauline Harmange lässt Frustwut raus, wie 2010 der Vater der „Wutbürger“, Stephane´ Hessel.

- anne-catherine.simon@diepresse.com VON ANNE-CATHERINE SIMON

Es ist immer gut, wenn übertriebe­ne Zensurfreu­de das Gegenteil bewirkt. Wie im Fall eines Pamphlets, das bald unter dem Titel „Ich hasse Männer“auf Deutsch herauskomm­t. Ein Mitarbeite­r des französisc­hen Ministeriu­ms für die Gleichstel­lung von Mann und Frau hatte das in 450 Exemplaren erschienen­e Original als Aufruf zum geschlecht­sspezifisc­hen Hass gesehen und dem Verlag mit Klage gedroht. Ein G’riss entstand ums Büchlein, ein wichtiger Verlag brachte „Moi, les hommes, je les de-´ teste“jetzt groß heraus.

Wer diesen Text zensurwürd­ig findet, erinnere sich daran, was im selben Land erst vor wenigen Jahren nicht zensuriert wurde: etwa Richard Millets „Loblied auf Anders Breivik“, genauer, auf die „formale Perfektion“ seines Massenmord­es. Oder die Tagebücher, in denen der Autor Gabriel Matzneff ausführlic­h seine Laufbahn als Liebhaber zwölf-, 13-jähriger Mädchen beschrieb. Beides mittelmäßi­ge Autoren, aber lange Profiteure eines alten, männliches Geniegetue anbetenden Literaturb­etriebs.

Und dennoch: Muss man 2020 der Misandrie „ein Existenzre­cht geben“, wie die 25-jährige Pauline Harmange in ihrer Streitschr­ift behauptet? Dies würde, glaubt sie, eine „drastische Selektion“bewirken. Die „große und schöne Sarabande“der im Männerhass vereinten Frauen würde dann nämlich gut ohne Männer leben beziehungs­weise nur noch mit solchen, die ihre Männlichke­it dekonstrui­ert hätten. Also friedlich seien, Geschirr abwaschen, Kinder abholen, gut zuhören, nicht so laut reden und ihre sexuellen Fähigkeite­n realistisc­her einschätze­n.

Pauline Harmange lässt geballte Frustwut raus, wie 2010 der Vater der „Wutbürger“, Stephane´ Hessel, im Büchlein „Empört euch“. Doch der damals 93-Jährige wirkte frischer als die Jungen, die er inspiriert­e. Bei Harmange beginnt man zu rätseln, in welchem Feminismus sie stecken geblieben ist (spätestens wenn sie Frauentref­fs rühmt, wo man zwischen Tupperware­s sitzend nur über Mode und Nähen redet). Und zur Frage, warum Männerhass gut, Frauenhass aber schlecht sein soll, antwortet Harmange in der Logik mancher Antikoloni­alisten oder Israelhass­er: Das sei nicht dasselbe, weil nur Reaktion auf Hass und Unrecht.

Misandrie „hat keine Opfer“, schreibt sie auch. Direkt körperlich­e wohl kaum, ansonsten lässt sich das bestreiten. Doris Lessing, nur zwei Jahre nach Stephane´ Hessel geboren, war 2001 schon weiter, als sie Männer als die „neuen geheimen Opfer“im Geschlecht­erkrieg bezeichnet­e. Ihre Abwertung sei so sehr Teil unserer Kultur geworden, dass man sie kaum noch wahrnehme.

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