Corona – Was Sie schon immer wissen wollten, aber nicht erfahren
Es wäre langsam höchste Zeit, dass uns die Regierung plausibel erklärt, welche Maßnahmen wie wissenschaftlich begründet sind und was ihr langfristiger Plan ist.
Man braucht angesichts der in ganz Europa steigenden Zahlen nicht nur der positiv Getesteten – die Zahl ist nur begrenzt aussagekräftig –, sondern vor allem auch der Erkrankten nicht viel Fantasie, um neue Beschränkungen unseres Alltagslebens für die kommenden Wochen und Monate zu prophezeien. Wahrscheinlich nicht so massiv wie im Frühling, aber auch nicht eben besonders angenehm.
Genauso wenig Fantasie braucht man, um vorherzusagen, dass die Akzeptanz neuer Repressionen diesmal eher geringer ausfallen wird, als dies bisher der Fall war. Das hat teils zwar irrationale Ursachen, teils aber nachvollziehbare, die schwer wiegen. So ist uns der Gesundheitsminister bis heute eine klare und wissenschaftlich basierte Grundsatzentscheidung darüber schuldig, ob nach wie vor ausschließlich der Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung die oberste Priorität der Covidbekämpfung ist oder ob mittlerweile andere Faktoren eine Rolle spielen. Und, besonders wichtig, welche konkreten Fallzahlen (im Spital, auf der Intensivstation) als tolerabel gelten und welche nicht mehr. Das alles ist bisher eher im Allgemeinen geblieben. Auch wüsste man ganz gern, was konkret geschieht, wenn diese Zahlen überschritten werden – das wäre ja keine ganz irrelevante Information. Wo wollen wir überhaupt hin – zur leider nicht realistischen Ausrottung des Virus oder zu einem permanenten Zyklus von Repression und Entspannung? Und was, wenn es mit der Impfung doch nicht so einfach wird, wie jetzt alle hoffen? Hat jemand einen Plan B, C oder ein Exit-Szenario? Sich da bedeckt zu halten mag einem gewissen Kontrollverlust der handelnden Personen geschuldet sein, wird aber die Akzeptanz neuer Maßnahmen eher nicht gerade erhöhen.
Auch was die Regierung seit Wochen kommuniziert, nämlich dass es bei allem eine Balance geben müsse zwischen den Bedürfnissen der Wirtschaft und dem Schutz der Gesundheit, ist zwar nicht falsch, aber leider auch nicht sehr informativ. Je problematischer das Infektionsgeschehen jetzt wieder wird, umso notwendiger wäre zu wissen, was das konkret heißt: Welchen Anstieg der Kurve akzeptieren wir, um welchen wirtschaftlichen Schaden abzuwenden? Und wer entscheidet das nach welchen Kriterien?
Glaubwürdigkeit, die sie demnächst dringend benötigen wird, könnte die Obrigkeit auch gewinnen, wenn sie bestimmte Regeln wissenschaftlich ab und zu neu evaluieren würde und dann entsprechend adaptierte. So gibt es etwa immer mehr Evidenz, dass Geschäfte, in denen man sich nur kurz aufhält, nicht gerade hauptverantwortlich für das Infektionsgeschehen sind, anders als noch im Frühjahr befürchtet worden ist. Stimmt das, könnten die Regeln gelockert werden – stimmt es nicht, sollte das vom Gesundheitsminister bitte belegt werden müssen.
Auf der anderen Seite wissen wir, dass viele Ansteckungen entstehen, weil im privaten Rahmen exzessiv gefeiert wird, und zwar gelegentlich unter krasser Missachtung der geltenden Vorschriften. Die Öffentlichkeit wird in diesen Fällen meist nur ungenau informiert, was da wirklich passiert ist, welchen sozialen, kulturellen oder religiösen Hintergrund die handelnden Personen haben. Da wäre es durchaus notwendig, die Durchsetzung des Rechtes zu forcieren. „Ist halt so“taugt in Zeiten wie diesen hingegen nicht wirklich als Argument, stattdessen gehören Ross und Reiter benannt, auch wenn das politisch nicht ausreichend korrekt erscheinen mag.
Und schließlich hätte man jetzt gern gewusst, warum zur Minderung des Infektionsrisikos nicht schon viel mehr auf Schnelltests gesetzt wird, die relativ billig sind und innerhalb kurzer Zeit Auskunft geben über den Status des Getesteten, wie das etwa bei der Einführungsvorlesung der Wiener Wirtschaftsuni für 3000 Studenten geklappt hat. So könnte man relativ viele Großevents wieder ermöglichen, auch ohne Maskenzwang. Neue Repressionen ohne Antworten auf diese Fragen werden hingegen nicht wirklich gut angenommen werden.
Stattdessen gehören Ross und Reiter benannt, auch wenn das politisch nicht ausreichend korrekt erscheinen mag.