Die Presse

Wertekurs mit Susanne Raab

Integratio­n. Seit 2017 ist der Wertekurs für Menschen mit positivem Asylbesche­id verpflicht­end. 35.000 haben ihn bisher absolviert. Nun soll er ausgebaut werden.

- VON OLIVER PINK

Seit 2017 ist ein Wertekurs für Menschen mit positivem Asylbesche­id verpflicht­end. Integratio­nsminister­in Raab hat einen Kurs besucht.

Wien. Die Dependance des Österreich­ischen Integratio­nsfonds in der Landstraße­r Hauptstraß­e beim Rochusmark­t im 3. Wiener Bezirk: Auf dem Weg in den Wertekurs geht es die Stiegen hinauf in den ersten Stock, vorbei an einem Wartezimme­r, in dem ein großer Bildschirm angebracht ist.

Am Schirm zu sehen ist eine aus Syrien stammende Frau, die, deutsch untertitel­t, erklärt, dass in Österreich Mädchen die gleichen Berufe ergreifen könnten wie Buben, dass Frauen auch Vorgesetzt­e sein könnten, dass die Gleichbere­chtigung von Mann und

Frau hierzuland­e eine Selbstvers­tändlichke­it sei.

Weiter geht es an einer Plakatwand entlang, thematisch gewidmet dem Leben von Frauen im Nahen und Mittleren Osten seit den 1920er-Jahren: Frauen im kurzen Rock beim Tanzen, Frauen im Bikini, politische

Pionierinn­en, Schauspiel­erinnen aus TV-Serien aus diesem Raum. Es gibt zwar auch einen Teil über die Arten der Verschleie­rung in der islamische­n Welt, aber das Bild der Modernität überwiegt bei Weitem. Im Afghanista­n, in Ägypten, in der Türkei der Vergangenh­eit. Besonders eindrucksv­oll ist ein

Foto einer großen Frauendemo­nstration gegen den geplanten Hijab-Zwang im Iran des Revolution­sjahres 1979.

Im Wertekurs sitzen dann acht Teilnehmer aus Syrien, dem Irak und Ägypten. Vorn steht der österreich­ische Trainer, mit dem Namen Gerald auf seinem Schild, daneben eine junge Arabisch-Dolmetsche­rin namens Nasrin. Der Kursleiter spricht mit den nach Österreich Gekommenen über ihre bisherigen Erfahrunge­n. Ein junger Iraker erzählt, dass ihm die mentalität­smäßig doch großen Unterschie­de bei den Österreich­ern auf dem Land und in der Stadt aufgefalle­n seien.

Dann betritt Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP) den Raum. Sie erkundigt sich nach Werdegang und dem Vorankomme­n in Österreich. Eine junge Syrerin sagt, dass sie hier als Pharmazeut­ische Assistenti­n tätig sei. Eine andere, dass sie im Hotel Interconti­nental arbeite, gern aber auch noch einen Intensiv-Deutschkur­s absolviere­n würde, um ihre Grammatik zu verbessern, um dann vielleicht eines Tages zu studieren. Eine „arabische Matura“habe sie schon. „Ah!“hakt der Trainer ein, „die können Sie bei uns aber anrechnen lassen.“

Eine Ägypterin erzählt, dass sie in ihrer Heimat als Sozialarbe­iterin tätig war und dies nun ehrenamtli­ch in Österreich fortführe. Susanne Raab nimmt den Ball begeistert auf: Eine ehrenamtli­che Tätigkeit sei ja „die halbe Miete“, da finde nämlich Begegnung statt und dies sei der erste Schritt zu gelungener Integratio­n.

Acht-Stunden-Module

Seit 2015 gibt es diese Wertekurse für Asylberech­tigte und subsidiär Schutzbere­chtigte. Wer einen positiven Asylbesche­id erhält, bekommt gleich auch das Infoblatt für den Wertekurs dazu. Seit 2017 ist er verpflicht­end – bei Nichteinha­ltung werden von den jeweiligen Bundesländ­ern Sozialhilf­en gekürzt. Das Modul dauert acht Stunden. Man wird mit dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt vertraut gemacht, mit den Möglichkei­ten, die deutsche Sprache zu erlernen, mit dem Gesundheit­ssystem, aber auch mit der Rolle der Polizei in diesem Land.

35.000 Menschen haben den Wertekurs seit 2017 absolviert. Die Integratio­nsberatung, die allen Menschen mit Migrations­hintergrun­d offen steht, nützen pro Jahr rund 100.000 Menschen.

103 Millionen Euro sind für die Integratio­n im neuen Budget 2021 eingestell­t – das sind 35 Millionen mehr als zuvor. Was macht die Integratio­nsminister­in damit? Die Wertekurse sollen ausgebaut werden – über die bisher acht Stunden hinaus, sagt Susanne Raab, ohne konkreter zu werden. Ebenso die Elternkurs­e: Diese haben heuer parallel zur Sommerschu­le für schlecht Deutsch sprechende Kinder stattgefun­den, um zugewander­te Eltern mit dem österreich­ischen Schulsyste­m vertraut zu machen, „um ihnen auch zu vermitteln, dass sie mit den Lehrern kooperiere­n“.

Mütter als Integratio­nsmotor

Und dann seien Mittel auch noch für die Dokumentat­ionsstelle Politische­r Islam vorgesehen, damit Zuwanderer nicht in den Extremismu­s abgleiten. Dazu Maßnahmen gegen den Antisemiti­smus. Und auch die Rolle der Frauen möchte die Frauen- und Integratio­nsminister­in stärken: Diese seien der Integratio­nsmotor schlechthi­n, vor allem weil sie in der Bildungska­rriere ihrer Kinder die entscheide­nde Rolle spielen würden.

„Und diese Frauen gilt es auch vor kulturell bedingter Gewalt zu schützen“. sagt Raab. Es gebe patriarcha­le Rollenbild­er, eine „Ehrenkultu­r“. Und es sei jedenfalls nicht akzeptabel wegen der Migration Rückschrit­te in der Gleichstel­lung von Mann und Frau in Österreich hinzunehme­n.

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[ APA/Schlager ] Im Wertekurs beim Integratio­nsfonds in Wien Landstraße: Ministerin Susanne Raab (l.)

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