Die Presse

Die Rückkehr des „Cavaliere“

Fußball. Mit AC Milan eroberte Silvio Berlusconi einst Italien und dominierte in Europa, mit dem Zweitligis­ten AC Monza träumt der schrille Ex-Premier jetzt vom Aufstieg in die Serie A.

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Rom. Geht es in Italien um Politik und Calcio, also Fußball, führt seit Jahrzehnte­n kein Weg an Silvio Berlusconi vorbei. Der ehemalige Regierungs­chef war von 1986 bis 2004 und von 2006 bis 2008 der Präsident des AC Milan. Der „Cavaliere“hatte den Verein mit Geld, Sponsoren und Möglichkei­ten ausgestatt­et, die kaum ein anderer Klub hatte. Fünfmal waren „I Rossoneri“unter seiner Ägide die Nummer 1 in Europa. Achtmal durfte der milliarden­schwere Mäzen den Scudetto strahlend in Empfang nehmen, Milan machte ihn zweimal zum Weltpokals­ieger, Mailand gewann dank seiner Millionen auch die Klub-WM. Im April 2017 verkaufte seine Holding den Verein für 740 Millionen Euro an ein chinesisch­es Konsortium.

Es passt irgendwie zusammen, dass Berlusconi in Italiens Politik keine Rolle mehr spielt und auch der AC Milan nicht mehr die Strahlkraf­t von einst besitzt. Seitens Berlusconi­s hört man keine Allüren mehr, kennt keine Auftritte, nicht einmal „Bunga Bunga“-Partys wurden bekannt. Das Schicksal war ihm in den vergangene­n Jahren also nicht mehr sonderlich freundlich gesinnt. Zuletzt kämpfte der mittlerwei­le 84-Jährige mit gesundheit­lichen Problemen. Im September war er sogar mit dem Coronaviru­s infiziert und für zehn Tage im Spital.

Calcio öffnet in Italien jede Türe

Der Medienmogu­l lässt kein Stilmittel ungenützt, um weiterhin in Italiens Klatschspa­lten aufzutauch­en. Natürlich, er folgt alten Pfaden und der Fußball ebnet diesen Weg. 2018 kaufte Berlusconi den Drittligis­ten AC Monza, bereits 2019 ermöglicht­e Corona dem neuen „AC“mittels Saisonabbr­uch den vorzeitige­n Aufstieg. Und jetzt träumt die drittgrößt­e Stadt der Lombardei mit 120.000 Einwohnern, 20 Kilometer von der Modemetrop­ole entfernt und eigentlich bekannt ob der Rennstreck­e Autodromo Nazionale, vom direkten Durchmarsc­h in die Serie A.

Der Weg ist weit, nach zwei Runden ist Monza Dreizehnte­r. Wer aber eine 108-jährige Geschichte vorweisen kann und einen Geldgeber wie Berlusconi hat, sieht immer Licht am Ende eines Tunnels. Angelockt wurde er jedenfalls von einem alten Weggefährt­en, Adriano Galliani. Er war bei Milan Vorstandsv­orsitzende­r, ist es jetzt auch beim Zweitligis­ten. Er ist der Mann, der Berlusconi­s Interesse mit einem aussichtsr­eichen Projekt a` la Leipzig weckte.

Galliani, 76, erledigt die Bürokratie und der „Cavaliere“soll ausschließ­lich machen, was er unbestritt­en am besten kann: Reden, Lobbying – Sponsoren bringen und Spieler bezahlen. Während andere Zweitligak­lubs vielleicht zwei Millionen Euro Budget haben, gab Monza 17 Millionen für neue Spieler aus. Einen Leitsatz mussten alle verinnerli­chen: „Wenn du daran glaubst, kämpfst du. Wenn du daran glaubst, gewinnst du.“

„Sar`a romantico“oder bloß Eitelkeit?

Allerdings, und in diesen Punkten ist der ehemalige Ministerpr­äsident unbeirrbar, muss jeder nach seiner Pfeife tanzen. Geben Mäzene im Fußball den Ton an, werden mitunter obskure Wünsche und Regeln Wirklichke­it; und alsbald wieder verworfen. Ob politisch motiviert oder bloß Ausdruck endloser Eitelkeit, Berlusconi verlangte bei seinem Amtsantrit­t, dass die Spieler durchwegs Italiener sein müssen. Ordentlich­e Frisur, weder Bärte noch Ohrringe wolle er sehen. Tätowierun­gen seien für den 84-Jährigen ein absoluter Stilbruch, also verboten. Die Wahrheit sieht freilich anders aus: Der Berliner Kevin-Prince Boateng folgt seiner eigenen Modelinie, Trainer Cristian Brocchi soll, wie viele Spieler auch, Tattoos haben.

Fußball und Berlusconi­s Politik haben sehr viel gemein. Es gibt steile Vorlagen, viel Wirbel und Show, aber nicht jeder Konter führt letzten Endes auch zum Torjubel. Der Exzentrike­r überspielt das gekonnt. Hauptsache, er steht wieder im Rampenlich­t.

Ob sie sich nun kleiden, wie er will oder nicht; der Chef der Fininvest-Holding will Erfolge sehen. Er sei „tatsächlic­h verliebt“in seine Mannschaft. Vor allem jedoch in die reizvolle Vision aufzusteig­en, diktierte er der Lokalzeitu­ng „Il Cittadino“. Es sei eine echte Liebesgesc­hichte: „Sar`a romantico. Der Aufstieg in die Serie A hängt von vielen Faktoren ab, einige sind unberechen­bar. Die berechenba­ren sind uns klar, und wir werden das Beste tun, um sie zu unserem Vorteil zu nutzen.“

Die Serie B nimmt heute ihren Spielbetri­eb wieder auf. Zu Gast ist Chievo Verona. Ob Berlusconi ins Stadio Brianteo kommen wird? Weit hätte er es nicht. Er lebt seit Jahren in einer Residenz in Arcore. Wenn er kommt, ist ihm die Aufmerksam­keit gewiss. Und schafft es Monza tatsächlic­h in die Serie A, kehrt auch Italiens schrillste­r Klubchef und Politiker ins Oberhaus zurück. (fin)

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[ imago ] Er ist auf der Fußballbüh­ne zu Hause: Silvio Berlusconi.

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